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Der Gutkauf der Familie Wagner in Berfa schließt zum 30. MärzEiner der letzten Tante-Emma-Läden im Kreis verschwindet

BERFA (lme). Ihre Regale sind gefüllt mit typischen Haushaltswaren, von Kartoffeln und Nudeln bis zu Putzmitteln. Es ist alles dabei, was ein Haushalt benötigt. Zu solchen Läden zählt auch der Gutkauf der Familie Wagner im Alsfelder Stadtteil Berfa. Oder besser zählte. Das Geschäft ist einer der letzten Tante-Emma-Läden im Kreis – und wird zum Ende des Monats schließen.

Das ausgeblichene und doch auffällige Schild mit der Aufschrift „Gutkauf Wagner“ in den Farben gelb und rot ist schon von der Hauptstraße Berfas zu sehen, obwohl der Laden sich in einer Seitenstraße in Ortsmitte befindet.

Schon der erste Blick durch das große Schaufenster gibt einem das Gefühl, in dem Laden ist nicht mehr viel los. An der Eingangstür fällt ein Blatt Papier ins Auge. Mit schwarzem Aufdruck ist dort zu lesen: „Liebe Kunden, aus privaten Gründen müssen wir unser Geschäft zum 30.03.2019 schliessen.“ Gefühl bestätigt.

Der Laden von Familie Wagner von außen. Foto: lme

Der nächste Blick geht durch die Tür hindurch in den Laden hinein, so lässt sich das Sortiment erahnen, es ist das typische eines Tante-Emma-Ladens. Die Produkte sind auf ockergelben Plastikregalen aufgereiht, die schon einige Jahre hinter sich zu haben scheinen, teilweise sind sie etwas durchgehangen und verblasst. An der Ware, die zu sehen ist, heften rote Aufkleber. Es scheint, als wäre so ziemlich alles reduziert. Eine Obsttheke und etwa 20 Einkaufswägen lassen sich ebenfalls erkennen.

Bald wird es keinen Gutkauf mehr in Berfa geben. Foto: lme

„Tante Emma“ Läden sterben aus

Als man am Donnerstagnachmittag den Laden der Familie Wagner betritt, hört man ganz leise die Klingel über der Tür, die beim Öffnen und Schließen sanft, fast ausgeloschen, einen Ton von sich gibt. Gleich hat man einen Eigengeruch in der Nase, ein Geruch, der vor allem den Bewohnern von Berfa wohlbekannt sein dürfte. Ist jemand da? Zumindest ist niemand zu sehen. Einzig das Brummen des Kühlregals durchbricht die Stille. Ein Husten aus der hinteren Ecke, also doch jemand da zu sein.

Zwei Mal stand die Reporterin vor verschlossener Tür, war wohl außerhalb der Öffnungszeiten da. Beim drittel Mal klappt’s nun also. Der Mann, der sich mit seinem Husten verraten hat, heißt Martin Wagner. Er betreibt den Laden gemeinsam mit seiner Frau Alexandra. „Ich bin viel unterwegs und meine Frau kann nicht hier und bei der pflegebedürftigen Oma gleichzeitig sein“, sagt Wagner auf die Frage, warum die beiden ihr Geschäft nun aufgeben. Das Ehepaar ist nur zu zweit, Mitarbeiter gibt es keine.

Noch vor 15 Jahren gab es solche Läden wie den der Wagners noch an jeder Ecke. Fährt man heute durch die Dörfer, verraten oftmals nur noch dreckige Schaufenster, wo einst das gesamte Dorf einkaufen ging.

Leere Regale

Der Laden der Wagners hat viel im Sortiment, beim Gang durch die Gänge macht sich bemerkbar, dass man hier tatsächlich alles bekommen hat, was man für den Alltag so brauchte. Von Geschenkpapier, Pflegeprodukten, Zeitschriften bis hin zu Lebensmitteln und einer Wurst- und Bäckertheke ist alles da. Doch nun sind die Regale so gut wie ausgeräumt.

Das Geschäft hat irgendetwas Gemütliches, vielleicht ist es der orangene Streifen an der Wand hinter dem Zeitungsregal, das den sonst kahlen, weißen Wänden etwas Wärme verleiht. Schade, dass es den Gutkauf der Wagners bald nicht mehr geben wird.

2 Gedanken zu “Einer der letzten Tante-Emma-Läden im Kreis verschwindet

  1. Gut beobachtet, Herr oder Frau „Ein Loch wird mit dem anderen gestopft“! Es ist immer wieder dasselbe: Die Menschen nehmen den Niedergang ihrer ländlichen Regionen als Realität wahr. Doch die Politik, die hierfür keinerlei Lösungen hat, versucht ihnen einzureden, dass nur sie die falsche Brille auf haben und alle anderen vom („richtigen“) Gegenteil überzeugt sind. Das führt zu einer Art Gehirnwäsche. Die Menschen zweifeln an ihrer eigenen Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit. Doch auf diesen basiert im Grunde unsere Demokratie. Je mehr Irrationalität sich in der Gesellschaft verbreitet (siehe Rechtspopulismus, Brexit, Trump), um so schwächer wird die Unterstützung der Bevölkerung für unser freiheitlich-demokratisches System! Überall flackern „Bewegungen“ auf. Die können gerechte und vernünftige Ziele haben, aber die Bevölkerung auch für das genaue Gegenteil aufwiegeln. Kommt dann irgendwann wieder das erste Judenpogrom, weil es ja so einfach ist, gegen „Sündenböcke“ zu mobilisieren? Auf jeden Fall ist die Destabilisierung von Staat und Gesellschaft die unvermeidliche Folge.
    Ich sehe in der Politik der letzten zwanzig Jahre eine Riesengefahr! Für grundlegende Reformen bei frühkindlicher Förderung, Gesundheitswesen, Altenpflege usw. fehlten Mut und Kompetenz. Es zeigt sich heute, dass man deren Probleme nur durch GESAMTlösungen beheben kann, nicht durch einzelne „Reförmchen“, die dann noch unter den jeweiligen Koalitionsbedingungen zwecks Gesichtwahrung der beteiligten Parteien bescheidenen Teillösungen geopfert oder bis zur Unkenntlichkeit verwässert werden! Dabei heraus kommt dann nicht das „Gute-Kita-Gesetz“, sondern das „Gut-gemeinte-aber-schlecht-gemachte-Kita-Gesetz“. Auf den zahlreichen Problemfeldern wird zwar schon mal „irgendwie“ mit „Reformen“ angefangen, doch lösen diese die Probleme nur zum Schein und erzeugen zugleich eine üble Kehrseite neuer Probleme, die den vermeintlichen Fortschritt hinterrücks wieder zerstören. (Beispiel: Garantie der vollen Stelle für den Rückkehrer aus Familienteilzeit ist prima. Aber wohin jetzt mit der Aushilfskraft, die bis dahin die Lücke ausgefüllt hatte?). Damit diese Pferdefüße die Realitätswahrnehmung der Menschen erst gar nicht erreichen, wird parallel zu schlechten Gesetzen eine skrupellose Propagandamaschinerie in Gang gesetzt, die von den tatsächlichen Ursache-Wirkungs-Mechanismen ablenken und den Wählern suggerieren soll, dass dem ersten positiven Schritt nun alle weiteren folgen und sich zu der vernünftigen Gesamtlösung verbinden würden. Doch genau das tritt nie ein. Die Reformen sind meistens derart unterfinanziert, dass der Misserfolg vorprogrammiert ist. Nicht selten werden Aktivitäten dann nur noch vorgetäuscht („Leuchtturmprojekte“, Placebo-Aktivitäten!), weil für flächendeckende Lösungen nie genug Geld bereit stand und auch nie bereit stehen wird.
    Am Ende der Legislaturperiode treibt man dann schon wieder neue Säue durchs Dorf (Wahlkampf). Über die Reformruinen aus den vergangenen Legislaturen breitet sich der Mantel des Schweigens, insbesondere darüber, dass da ja schwierige Entwicklungen bewältigt werden sollten, die aber unvermindert fortbestehen. Während dessen gerät die Politik immer weiter in Verzug. Wir bekommen Verhältnisse wie in der untergegangenen DDR. Das ganze Land vergammelt, aber man errichtet zur Täuschung der Bevölkerung ein paar Prachtbauten (in der DDR neue Plattensiedlungen, bei uns zuletzt Opernhäuser, unterirdische Bahnhöfe oder unbrauchbare Großflughäfen) und startet „Projekte“ und „Kampagnen“. Venezuela ist längst überall. Das einzige, was funktioniert, ist der Geldfluss in die Taschen der Eliten. Wir kleinen Leute tanzen auf dem Vulkan und die, die Durchblick haben, warten auf den großen Knall.

  2. >> Er betreibt den Laden gemeinsam mit seiner Frau Alexandra. „Ich bin viel unterwegs und meine Frau kann nicht hier und bei der pflegebedürftigen Oma gleichzeitig sein“, sagt Wagner auf die Frage, warum die beiden ihr Geschäft nun aufgeben. <<
    Die Dörfer sterben. Aber muss(te) es so kommen? Die Gründe sind vielfältig. In dem vorliegenden Fall liegt es offenbar nicht daran, dass alle Dorfbewohner in die Einkaufszentren fahren oder im Internet bestellen. Anderswo werden mit großem Brimborium sogar neue Dorfläden eröffnet, und im Landratsamt tun sie jedes Mal so, als würden langjährige Trends umgedreht und im gesamten Vogelsberg die dörflichen Zentren wieder aufleben. Wann hört diese Leute-Verarscherei via "Öffentlichkeitsarbeit" endlich auf. Es wird doch nur dieselbe alte löcherige Bettdecke hin und her gezogen, während sich Forschungs- und Fördermittel im Nirvana oder Wolkenkuckucksheim auflösen. Macht endlich Schluss mit diesem dilettantischen Kindergarten! Alles kaputt sparen, aber den Menschen erzählen, es fehle ihnen an nichts! Am vorliegenden Beispiel kann man lernen, welche weitreichenden Folgen es haben kann, wenn es keine ausreichenden Unterstützungsstrukturen für pflegende Angehörige gibt. Laut Kreis-Seniorenbeirat werden die Vogelsberger doch schon regelrecht vom Hafer gestochen, weil sie mit quartiersbezogenen Alltagshilfen für Senioren notorisch überversorgt sind (https://www.oberhessen-live.de/2017/09/09/im-vogelsberg-laesst-es-sich-auch-im-alter-gut-leben/).

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