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Statistik für 2018 das vergangene Jahr vorgelegtDiakonisches Werk hat in Sachen Beratung gut zu tun

VOGELSBERG (ol). Die Leiterin des Diakonischen Werks Vogelsberg Martina Heide-Ermel gibt Rechenschaft über die Arbeit des vergangenen Jahres: Demnach haben die verschiedenen Arbeitsgebieten in Alsfeld und Lauterbach im vergangenen Jahr 1.600 Menschen beraten und begleitet. Die Rede ist von vielen Betroffenen, die sich „in schwierigen multiplen Lebenssituationen bewegen“ – also gleich an mehreren Stellen mit Problemen zu kämpfen haben. 

Die größte Anzahl der Beratungen liegt aber laut Pressemitteilung des Diakonischen Werkes Vogelsberg weiterhin in Familien, Ehen/Paaren und bei Jugendlichen sowie Erziehungsberatung und bei Wohnungslosigkeit. Umfangreiche und kompetente Beratung und Unterstützung erhalten Schwangere in Alsfeld sowie in Lauterbach. Wie in den letzten Jahren sollen wieder Zuschüsse für viele Frauen und Familien aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind“ vermittelt werden konnten. Hier handele es sich um eine einkommensabhängige Beihilfe, die nicht zurückgezahlt werden müsse.

Mit 203 Beratungen habe sich die Zahl der Frauen und Männer im präventiven Beratungssegment Gesundheitsförderung von Frauen / Familien um einiges zum Vorjahr erhöht. Mit der Zielgruppe sollen unter anderem 42 hoch psychisch belasteten Mütter, davon drei Mütter mit Migrationshintergrund und eine Pflegende beraten worden sein. „Aufgrund der Beratungsvielfalt in unseren Beratungsstellen und der kurzen Wege konnte ein Clearing angeboten und in ein entsprechendes Beratungssegment vermittelt werden“, erläutert Heide-Ermel die strukturierte Vernetzung der Beratungsschwerpunkte.

Großer Schwerpunkt: Die Wohnungsnotfallhilfe

Ein großer Schwerpunkt der Arbeit des Diakonischen Werks ist die Wohnungsnotfallhilfe. Menschen ohne festen Wohnsitz können in Alsfeld das Übergangswohnheim La Strada nutzen. Ebenfalls gibt es dort die Fachberatung als Anlaufstelle für wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen, ein Tagesaufenthalt mit Küchennutzung. In diesem Bereich wurden 340 Menschen mit vielfältigen Hilfsangeboten unterstützt, davon waren 88 wohnungslose Frauen. Daneben ist eine umfassende Nachbetreuung im Bereich des Betreuten Wohnens für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie zur Inklusion in die Gesellschaft notwendig. Ein Förderverein ist unterstützend im Arbeitsbereich tätig.

„Die Flüchtlingsverfahrensberatung an den beiden Standorten in Alsfeld und Lauterbach werden weiterhin von geflohenen Menschen aufgesucht. Neben der asylrechtlichen Beratung werden Fragen zur Ausübung einer Beschäftigung, Praktikum, Ausbildung oder sozialrechtliche Anliegen bearbeitet und/oder an entsprechende Netzwerkpartner weitergeleitet“, berichtet Heide-Ermel.

Im Arbeitsbereich „DIA log“, Beratung von Tätern bei Häuslicher Gewalt, seien die Zahlen konstant hoch geblieben. Durch den hohen Bekanntheitsgrad im Vogelsberg und die Netzwerkarbeit mit Schulen, Behörden wie Polizei und dem Landkreis würden Ratsuchende oft als Selbstmelder die Beratungsstelle in Alsfeld aufsuchen. Aber auch durch Zuweisungen von Gericht und Auflagen der Polizei würden gewalttätige Männer den Weg in die Beratung finden.

Das am 1. Januar 2016 gestartete DRIN Projekt „Dabeisein – Räume entdecken – Initiativ werden – Nachbarschaft leben“ im Bereich der Gemeinwesendiakonie des Diakonischen Werk Vogelsberg schloss in 2018 mit dem 2. Qualifizierungskurs für freiwillig Engagierte in der Seniorenarbeit mit dem Titel „Senior(innen) im Gespräch begleiten“ ab. „Hier wurden zehn Teilnehmende von der Altenseelsorgerin des Dekanats Vogelsberg und der Sozialarbeiterin aus dem Diakonischen Werk Vogelsberg geschult. Der 3. Kurs startete wieder mit zehn Teilnehmenden in Altenschlirf und schließt wie alle anderen Kurse mit einem Zertifikat ab“; berichtet Heide-Ermel.

Start des Projektes AGIL – aktiv gehts immer leichter

Auf ein neues Projekt verweist Heide-Ermel: „Im Juni 2018 startete ein weiteres Projekt „AGIL – aktiv gehts immer leichter“.“ In Zusammenarbeit mit der Diakonie Hessen und dem Landessportbund Hessen e.V. sind Übungen für Senioren entwickelt, die Muskelkraft, Balance und die Koordination trainieren. Diese Übungen werden in Form von handlichen Karten an die Adressaten weitergegeben. Sportmedizinische Studien würden zeigen, dass bereits kleine, kurze und täglich durchgeführte Übungen bereits nach kürzester Zeit bemerkenswerte Effekte erzielen – und das auch bei Menschen, die sich bislang nicht regelmäßig bewegt haben.

Das Diakonische Werk Vogelsberg mit den Standorten Lauterbach und Alsfeld biete sowohl ehrenamtlich Engagierten als auch hochaltrigen Senioren die Möglichkeit, am Projekt teilzunehmen. Das Ziel ist es, ein Netzwerk aus Nachbarschaftshilfen, Kirchengemeinden, Besuchsdiensten und Interessierten im Vogelsberg aufzubauen, um ein wohnumfeldnahes „Trainieren“ für Senioren zu ermöglichen und Vereinsamung vorzubeugen.

Hierzu werde es an den Standorten Lauterbach und Alsfeld in 2019 und 2020 jeweils zwei Schulungen des Landessportbundes Hessen  geben. Dabei können die ehrenamtlich Engagierten (Multiplikatoren) lernen, wie sie Senioren in den Übungen anleiten und somit zur Bewegung aktivieren können. Die meist alleinlebenden Senioren würden dadurch regelmäßig Besuch der Ehrenamtlichen erhalten und tun nebenbei etwas für ihre Gesundheit. „Jetzt schon können sich Interessierte für den 1. Schulungskurs, der am 23. März in Lauterbach ganztags stattfindet, anmelden“, wirbt Heide-Ermel.

„Auch sei die Mitgestaltung der sozialpolitischen Landschaft ein Auftrag und Anliegen des Diakonischen Werks als ein Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege im Vogelsberg. So wurde in knapp 40 kirchlichen, sozialpolitischen und gemeinwesenorientierten Gremien aus den vielfältigen Arbeitsbereichen mitgearbeitet bzw. federführend Gestaltungsprozesse initiiert“, führt Heide-Ermel weiter aus. Im Diakonischen Werk Vogelsberg am Standort Lauterbach wurden sieben Gruppen (interkulturelle Gruppen unterschiedlichen Alters und Geschlecht, Projektgruppen sowie Trauerarbeit) angeboten, die in unterschiedlicher Form und Intensität von Ehrenamtlichen begleitet und unterstützt werden.

Abschließend weist Martina Heide-Ermel nochmals darauf hin, dass hilfesuchende Menschen sich darauf verlassen könnten, dass die Schweigepflicht sehr ernst genommen wird, die Beratungen kostenfrei sind und alle Menschen die Beratungen in Anspruch nehmen können, unabhängig ihrer Konfession.

3 Gedanken zu “Diakonisches Werk hat in Sachen Beratung gut zu tun

  1. Die „radikalsten“ Anstöße zu einer Modernisierung der diakonischen Arbeit kommen derzeit aus Kreisen der Kirchenleitung selbst. Auf der Fachtagung „Church, Community & Care“ am 19. Februar 2019 in Frankfurt forderte Diakoniepräsident Ulrich Lilie, Diakonie müsse eine „gewisse Experientierfreude“ entwickeln und auf andere Akteure in der Zivilgesellschaft offensiv zugehen. Mit Blick auf die Digitalisierung und eine zunehmende soziale Ungleichheit, so Lilie, müssten Diakonie und Kirche ihrerseits Netzwerke bilden. Wegweisend hierfür stehe das Projekt „DRIN“ (= Dabeisein, Räume entdecken, Initiativ werden, Nachbarschaft leben) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), für das die Synode im Mai 2014 drei Millionen Euro zur Verfügung gestellt hatte. Dessen Aufgabe sei es, seitens Kirchengemeinden und Diakonie gemeinsam mit anderen Akteuren vor Ort konkrete Hilfsmaßnahmen zu entwickeln, um etwa Arbeitslosen mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Hierbei gehe es darum, so ergänzte der für sozial- und gesellschaftspolitische Fragen zuständige Oberkirchenrat der EKD, Ralph Charbonnier, für Kirche und Diakonie, die oftmals noch in Strukturen des 19. Jahrhunderts steckten, eine neue Sprache zu finden und so dialogfähig zu bleiben.
    Ausdruck der beschriebenen Vernetzungs-Initiative sind z.B. Aktivitäten zur Entwicklung von nachbarschaftlichen Strukturen. Es sei wichtig, den Menschen Begegnungsräume zu schaffen und ihnen gemeinsame Aufgaben zu geben, etwa durch Veranstaltung von Straßen- und Quartiersfesten.

  2. Ich habe in über zehn Jahren einer massiven Behinderung nach Pfusch-Op bisher weder von denen, die Geld dafür bekommen, anderen zu helfen, noch noch irgendeinem Ehrenamtlichen wirksame Hilfe bekommen, nur überall den Spruch: Dafür bin ich nicht zuständig. Manche Menschen, die dringend Hilfe brauchen wie ich, scheinen von allem ausgeschlossen zu werden trotz ständiger Sonntagsreden und vollmundiger Bekundungen. Überall geht es nur nach dem Motto: Was kann ich dafür abkassieren? Das Thema, wer ist der Kostenträger, war meist die einzige Frage, danach war das Gespräch zu Ende.

  3. Wer hätte nicht schon einmal am Bildschirm mitverfolgt, zu welch erstaunlichen Leistungen Menschen mit schweren Behinderungen dank modernsten Trainingsmethoden und technischen Hilfen fähig sind. Hier werden Höchstleistungen geboten von Menschen, die sich und anderen nach einem schweren Schicksalsschlag oder trotz gravierender Einschränkungen von Geburt an beweisen wollen, dass sie trotz allem ein Maximum aus sich heraus holen können.
    Die „Mühseligen und Beladenen“, denen die Diakonie eine Anlaufstelle und konkrete Hilfen in „schwierigen multiplen Lebenssituationen“ bieten will, sind von dieser glanzvollen und gesellschaftlich hoch anerkannten Parallelwelt weit entfernt, die sich dem Leitbild einer Hochleistungsgesellschaft längst in einem beängstigenden Ausmaß angenähert hat. Leistung um nahezu jeden Preis, auch den einer dauerhaften körperlichen und seelischen Schädigung, ist im Zuge einer verhängnisvollen Eigendynamik auch zum Leitbild im Behindertensport geworden.
    Solchen systemkonformen (kapitalistischen) Leitbildern eine realistischere Lebensphilosophie entgegen zu setzen, die der Tatsache Rechnung trägt, dass Lebenserfolg in hohem Maß davon abhängt, dass eigene Anstrengung durch günstige Lebensumstände begleitet wird, ist Aufgabe und Leistung der diakonischen Arbeit. Sonntagskinder gibt es nur wenige. Bei uns „Normalmenschen“ halten sich im günstigsten Fall Höhen und Tiefen die Waage. Lebensweisheit, ob christlich und konfessionell geprägt oder nicht, lehrt zweierlei zu akzeptieren: Dass man in bestimmten Lebensphasen Hilfe in Anspruch nimmt oder Hilfe spendet, und zwar unabhängig davon, ob man diese „verdient“ oder ein gesetzliches Anrecht darauf habe.
    Das hier beschriebene neue Projekt „AGIL – aktiv geht’s immer leichter“ ist ein gutes Modell für die diakonische Arbeit im Allgemeinen. Das Ziel, ein Netzwerk aus Nachbarschaftshilfen, Kirchengemeinden, Besuchsdiensten und Interessierten im Vogelsberg aufzubauen, um Vereinsamung und Vereinzelung vorzubeugen, käme allen Menschen mit den verschiedensten Lebensproblemen zugute, nicht nur Senioren, die sich durch ein wohnumfeldnahes sportliches Trainingsprogramm fit für ein selbständiges Leben im Alter halten wollen.
    Auf vielen Aufgabenfeldern der Diakonie sind bereits funktionierende Netzwerke entstanden. Viele andere warten auf aktive und kreative Ehrenamtliche, die sich dezidiert auf mitmenschlicher Basis engagieren wollen und den Streit der Parteien scheuen.

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