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Pro und Contra zur Abschaffung der Schulnoten in HessenNoten in der Schule: Ja oder doch lieber nein?

MeinungALSFELD (ls/akr). In Zukunft sollen bis zu 150 Schulen in Hessen selbst entscheiden können, ob sie ihren Schülern Noten oder eine schriftliche Bewertung ausstellen. In der Redaktion von Oberhessen-live gibt es geteilte Meinungen dazu. Ein Pro und Contra.

Noten spornen zu Höchstleistungen an

Redakteurin Luisa Stock ist weiterhin für Schulnoten.

Ja, die Noten in der Schule sind lästig. Und ja, sie können inneren Druck verursachen und Verzweiflung hervorrufen. Sie gelten als ungerecht und machen Angst. Es gibt wohl fast kaum einen Schüler, der sich nicht mindestens ein Mal gewünscht hätte, dass es keine Noten gibt. Doch bei all den negativen Aspekten gibt es genügend positive Aspekte, die Noten mit sich bringen. Die wichtigsten hier vorab: Sie können einen stolz machen und spornen zu Höchstleistungen an – und deshalb sollten die Schulnoten nicht abgeschafft werden.

Zugegeben, die ein oder anderen Tränen dürften wegen schlechter Schulnoten schon geflossen sein. Dagegen steht das ein oder andere Glücksgefühl, das gute Noten auslösen können. Nun, dieses Spiel könnte man ewig so weiterführen. In allen Argumenten steckt ein Fünkchen Wahrheit. Fakt ist aber: Noten sind ein eindeutiges, klares und wichtiges Bewertungsinstrument, um einen Wissensstand auf den Punkt zu bringen.

Sie zeigen den Eltern, den Lehrern und auch den Schülern selbst, auf welchem Level sie stehen und ob sie sich vielleicht doch nochmal hinsetzen und die Nase etwas tiefer in das Mathebuch stecken sollten.

Schriftliche Bewertungen können interpretiert und missverstanden werden. Noten wirken härter, sind dadurch aber auch klarer und können den Schülern so helfen, im rechten Moment die Reißleine zu ziehen. Ein verklausulierter Satz wie „deine Lateinkenntnisse sind gerade noch ausreichend“ hat weniger Kraft wachzurütteln, als eine Vier. Die ist die eindeutige Botschaft: Achtung, wenn du dich jetzt nicht hinsetzt und noch schlechter wirst, dann war es das.

Ja, Noten bringen Druck mit sich. Ein gewisser Leistungsdruck muss auch Schülern zugemutet werden können, denn in der Berufswelt ist es ja nicht anders. Und Ja, es bleibt auch die Gefahr einer vermeintlichen Ungerechtigkeit bei der Notenvergabe. Aber auch das motiviert dazu, sich noch mehr anzustrengen, um ein für das eigene Verständnis gerechtere Note zu bekommen.

Noten sind am Ende allerdings trotzdem nur eins: Eine Zahl auf einem Stück Papier – über die man sich mal mehr, mal weniger Gedanken macht. Diese Gedanken aber komplett abzuschaffen, wäre ein Fünkchen zu viel.

Noten haben keinerlei Aussagekraft über Leistung und Potential

Volontärin Alina Roth ist für die Abschaffung von Schulnoten.

Jeder kennt die Frage  aus seiner Schulzeit: „Und, was hast du für eine Note bekommen?“ Schließlich will man ja wissen, wie seine Mitschüler abgeschnitten haben, sich mit ihnen vergleichen. Und das ist auch das einzige, wozu Noten dienen: Zum Vergleichen. Klar ist es sicherlich auch ein Ansporn, im Noten-Ranking ganz vorne zu sein, doch eine wirkliche Aussage über die Leistung und das Potenzial eines Schülers können sie definitiv nicht treffen.

Denn was genau bedeutet, dass eine Leistung „befriedigend“ oder „ausreichend“ ist? Die inhaltliche Aussagekraft ist gleich Null. Der Schüler erfährt nichts darüber, was er gut und was er schlecht gemacht beziehungsweise hätte besser machen können. Stattdessen hat er lediglich ein Adjektiv oder eine Zahl vor sich. Nehmen wir mal an, Marius hat für seine Englischarbeit die Note Vier, also ausreichend, bekommen. Eine ausreichende Leistung, mehr erfährt Marius nicht. Der Schüler bleibt also im Ungewissen, wie die Leistungsbeurteilung zustande kommt. Er erfährt nicht, dass er beispielsweise sehr viele Vokabeln kennt, die Note aber nicht besser ausfiel, weil es an der Grammatik haperte.

Noten sagen also nichts über die tatsächliche Leistung oder das Potential eines Schülers aus. Es gibt Schüler, die sich zwar seltener melden, dafür aber gute Beiträge liefern. Andersrum gibt es solche, die sich mündlich oft beteiligen, dafür aber selten eine richtige Antwort parat haben. Auch die individuelle Leistung bleibt auf der Strecke. Ein und dieselbe Note kann für jeden Schüler etwas anderes bedeuten. Bekommt Isabell beispielsweise eine drei, kann das heißen: „Du bist auf dem richtigen Weg, du hast dich verbessert“. Die gleiche Note kann bei Tim zum Beispiel bedeuten: „Du warst schon besser“.

Natürlich darf man auch nicht außer Acht lassen, dass gute Noten zwar motivieren und glücklich machen können, schlechte hingegen aber auch das genaue Gegenteil erzeugen. Wer schlechte Noten bekommt, der leidet oft darunter, ist unmotiviert und schlecht gelaunt. Es ist eine einfache Zahl, die einem den Tag den Tag vermiesen kann und unnötigen Druck ausübt.

Es ist aber auch so, dass Lehrer gleiche Leistungen mit unterschiedlichen Zensuren bewerten, das haben schon viele Tests bewiesen. Und natürlich dürfen wir auch nicht die Lehrer vergessen, die eigentlich immer gute Noten geben oder die, die bei der Bewertung eher zu der strengeren Sorte gehören – man kennt sie alle. Hier stellt sich dann ebenfalls die Frage, wie gerecht und wie aussagekräftig solch eine Vergabe ist. Deswegen gehören Noten abgeschafft. Individuelle, schriftliche Bewertungen helfen den Schülern besser zu verstehen, woran sie arbeiten müssen – und sind damit im Endeffekt gerechter.

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10 Gedanken zu “Noten in der Schule: Ja oder doch lieber nein?

  1. Warum schreibt man keine Beurteilungen wie in den Unternehmen auch. Außerdem sollte man den Kindern Halbglatzen rasieren und die Pullover mit Kissen ausstopfen (nur bei den Dünnen, die Dicken haben ja schon gute Voraussetzungen). Dann täglich einen Stapel abzuarbeitende Steueranträge hinlegen und Gedichtinterpretationen in 3 Sprachen abschaffen. So lernen die Kinder was es bedeuetet langweilige Arbeit zu machen und durch wenig Bewegung scheiße auszusehen. Zack, zwei Fliegen mit einer Klappe: Fettleibigkeit und Erziehung.

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    1. Sehr ironisch! Aber irgendwann schlagen die Fliegen zurück. Immer zwei auf die große Klappe.

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      1. Nein Frau Brummer, das haben sie falsch verstanden: Ich hasse Ironie, das war mein voller Ernst. Denken sie doch nur mal wie lustig eine Klasse voller kleiner 6-jähriger Steuerbearbeiter aussehen würde. Das sie mir wegen dieser These direkt Gewalt androhen, finde ich mehr als fragwürdig. Sie sind bestimmt tätowiert.

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  2. Liebe Frau Klein,
    ich finde den Beitrag von Frau Roth sehr richtig. Hier werden deutlich Punkte angesprochen, die jeder bei sich selbst noch oder seinen Kindern beobachten kann und konnte. Es ist und bleibt doch unbestritten, dass ab der Hochschule oder Uni Leistungsnachweise entsprechend anonym verfasst werden, damit der Dozent die Leistung neutral beurteilt. Dieses System fehlt in Schulen ganz. Hier wird die Klausur des Schülers entsprechend dem Vorwissen über den Schüler automatisch subjektiv mitzensiert. Auch gibt es keinen festen Standard, wie korrigierte Klausuren auszusehen haben. Manchmal gibt es nur Striche, manchmal steht ein Hinweis neben dem Fehler und gelegentlich werden Klausuren am Ende mit „gut so“, „weiter so“ oder „war schon besser“ kommentiert.
    Tatsache ist, dass man vieles umsetzen kann, wenn man dies nur möchte. So gibt es in den Klassen 1 und 2 keine Noten, sondern schriftliche Einschätzungen. Die berühmten Kopfnoten wurden abgeschafft, wieder eingeführt oder einfache in modernes Deutsch gekleidet bspw Sozialverhalten!
    Auch konnte man über Jahre Schüler im Klassenverband bis zur 6. Klasse zusammen unterrichten, bevor man 10 und 11jährige dem Psychostress der Aufteilung des dreigliedrigen Schulsystems nach der 4. Klasse aussetzte – man nannte das Förderstufe. In Finnland ist dieses lange gemeinsame Lernen gang und gebe.
    Was ich gar nicht verstehe, es ist möglich Kindern die DEUTSCHE RECHTSCHREIBUNG, wie ich finde eine der Schwierigsten, nach dem Hören statt der Fibel beizubringen, es ist aber nicht möglich das Benotungssystem zu ändern? Wobei ich mich besonders frage, was schlimmer ist: Nicht richtig schreiben zu können oder keine Noten zu haben?

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    1. …und habe mindestens 70 verschiedene Systeme erlebt, Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen, dazu mindestens 70 Generaldebatten über Sinn oder Unsinn von Ziffern-Noten. Die Schule wächst mit ihren Aufgaben, löst sie aber nicht. Und bekäme sie Noten, würde sie sitzen bleiben.

    2. Sofern Sie mich mit Namen ansprechen, sollten Sie Ihren eigenen auch angeben.

      Da Ihr Kommentar auch sonst keinerlei inhaltlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Inhalt offenbart, erspare ich mir eine Stellungnahme.

      Nur so viel: Ich sagte nicht, dass es nicht möglich ist, die Noten zu entfernen bzw. zu ersetzen. Ich sagte hingegen klar, dass dies nicht sinnvoll ist.

      1. Liebe Frau Klein,

        und da fragen Sie sich nicht, warum so viele Menschen Vorurteile gegen Ihre Berufsgruppe hegen, wie bspw.: „Vormittags haben sie recht und nachmittags frei!“

        Wie schreiben Sie so schön,“….keinerlei inhaltlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Inhalt…“. Hier fehlt doch nur noch „setzen, 6“. Ich habe mich sehr wohl inhaltlich fundiert mit dem >>Inhalt<< auseinandergesetzt. Ich habe versucht auch Ihnen, aus dem Studium hoffentlich noch bekannt, in Erinnerung zu rufen, warum es Gründe gibt anonym Leistungsnachweise zu schreiben – gerade im Hinblick auf subjektive Faktoren in der Notengebung. Aber für Sie scheint das nur ein Federstrich wert:"Ohne Namensnennung = Argumentation durchgefallen!" Das beweißt mir, ich sollte mein Umfeld durch Nennung meines Klarnamens lieber nicht in die Gefahr bringen genauso behandelt zu werden.

        Und zu Ihrem "Nur so viel" darf ich Ihnen erwidern, dass die Zeugnisse der 1. und 2. Klasse also nicht sinnvoll sind?!? Bravo, sage ich dazu! Sie machen dem o.g. Vorurteil in meinen Augen alle Ehre!

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  3. Liebe Alina Roth,

    es herrscht natürlich Meinungsfreiheit und ich respektiere Ihre öffentlich bezogene Stellung. Dennoch macht es mir Sorgen, wenn eine derart weltfremde Sichtweise als Journalistin zu Bildungsthemen auftritt.

    Nur zwei Argumente, um hier nicht ausufernd zu schreiben:

    1. Natürlich erfährt der Schüler, was er verkehrt gemacht hat. Wenn er eine 5 in Mathe schreibt sieht er sogleich, welche Aufgaben falsch gelöst waren. In einem Diktat sieht er die falsch geschriebenen Worte und im Vokabeltest auch welche Vokabeln er nicht wusste. Zum anderen erhalten Sie in stark inhaltlich lingualen Fächern wie Deutsch, Geschichte und Co. doch zu jeder Note auch eine kurze Erläuterung. Und ganz verwegene Schüler haben sogar schon mal mit ihrem Lehrer über eine Note gesprochen oder gar gestritten. Was sie also behaupten ist klar widerlegbar und objektiv eine Unwahrheit.

    Wenn jemand nach einer schlechten Note nicht nachschaut bzw. lernt selbst nachzuschauen, was er hätte besser machen müssen, hat der Schüler eine fundamentale Qualifikation für das Leben (welche übrigens in der Regel durch das Elternhaus und soziale Umfeld kommen muss) verpasst. Haben Sie also wirklich Ihre schlechte Note einfach weggelegt und gedacht „unfair, dass es Noten gibt“?

    2. Wie stellen Sie sich denn den gesamten Bildungs- und Arbeitsmarkt vor? Soll jeder erst mit 28 sehen, was ihm Spaß macht und was nicht? Wo er gut ist und wo nicht? Sollen unternehmen zukünftig würfeln, wen sie einstellen? Das wäre in Ihren Augen dann besser?

    Ich freue mich über eine Antwort.

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    1. „Sollen [U]nternehmen zukünftig würfeln, wen sie einstellen? Das wäre in Ihren Augen dann besser?“
      Wenn auch die Lehrer beim Benoten würfeln würden, entsprächen die Augen auf den sechs Seiten des Würfels der Anzahl der möglichen Ziffern-Noten. Jetzt müssten nur noch der liebe Gott beim Auswürfeln der Arschkarten einen Schicksalswürfel mit denselben sechs Seiten benutzen sowie die Unternehmen sich bei der Personalauswahl ebenfalls anschließen, und man hätte ein durch und durch synchrones System. Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung hätte das sogar die höchste Trefferquote. Kurz: Die Weltformel für Wachstum, Wohlstand, Erfolg und Zufriedenheit.

    2. Oh Frau Klein, ich kenne da so einige Lehrer, welche die Kopfnoten nach Sympathie (also nach Gutdünken!) verteilen. Ein Messen nach Ihrem Ansinnen ist nämlich bei den Kopfnoten gar nicht möglich. An einer Waldorfschule wären Sie mit Ihrer Sichtweise schon mal fehl am Platze.

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