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Unterricht im Zeitalter der DigitalisierungTabletunterricht: iPads statt Schulbücher und Hefte

ALSFELD (akr). Digitalisierung ist zum neuen Lieblingswort der Politik geworden. Auch im Klassenzimmer soll sich durch mehr Computer, mehr Internet und mehr Technik vieles zum Besseren wandeln. In einigen Klassen haben Ipads deshalb längst die Schulbücher abgelöst. Doch wie sieht so eine moderne Schulstunde aus – und vor allem: Was bringt die neue Technik wirklich an Verbesserungen? Ein Schulbesuch. 

Vergeblich sucht man auf den Tischen des Klassenzimmers nach Büchern oder Heften. An die Stühle lehnen zum Teil kleine Handtaschen, anstatt großer, schwerer Rucksäcke. Die 28 Schüler der 7R der Geschwister-Scholl-Schule in Alsfeld müssen für den Unterricht nicht viel mitbringen – eigentlich nur ihr iPad. Und das muss mindestens auf 50 Prozent aufgeladen sein.

Es ist 9 Uhr, die zweite Deutschstunde hat gerade angefangen. Heutiges Thema: Attribute. Die Tische sind nicht in U-Form gestellt, sondern in Gruppentischen, an denen vier bis sechs Schüler sitzen. Im Klassenzimmer hängen zwei Tafeln. Im Rücken der Schüler die gewohnte, grüne Kreidetafel und vorne ein großes, digitales Activeboard, das die Kreidetafel ersetzt. Doch da schaut gerade niemand hin. Auch zur Lehrerin nicht. Alle blicken konzentriert vor sich auf den Tisch. Genauer gesagt auf ihre iPads.

Unterstützung der Lehrkräfte durch die Classroom-App

Für das heutige Thema sollen die Schüler einen Infokasten erstellen und ein Arbeitsblatt bearbeiten, selbstverständlich auf dem Tablett. Anne Christ, Konrektorin der GSS und Deutschlehrerin der Klasse, hat vor ab das digitales Arbeitsblatt versendet, das die Schüler jetzt alle auf ihrem iPad sehen können.

Das digitale Arbeitsblatt kann direkt mit dem iPad ausgefüllt werden. Foto: akr

Mit der sogenannten „Classroom-App“ hat sie einen genauen Überblick, wer gerade das Arbeitsblatt geöffnet hat oder sich auf einer anderen Internetseite oder App rumtreibt. Und mit ein paar mal wischen kann sie selbst die Kontrolle über die Geräte der Schüler übernehmen, sie sogar sperren. Auch in der Deutschstunde sieht sie gerade, dass ein Schüler nicht das Arbeitsblatt geöffnet hat.

Viele Kritiker sehen in der Nutzung von Tablets im Unterricht eine hohe Ablenkungsgefahr. Sie würden nicht nur zum Lernen genutzt werden, sondern auch zum Chatten oder Spielen. Die Deutschlehrerin verweist allerdings auf die Tatsache, dass sich ja bestimmte Anwendungen auch sperren lassen würden – dafür müsste man aber auch alle Seiten kennen, auf denen sich die Schüler rumtreiben.

Während die Jugendlichen die Aufgaben bearbeiten, spricht die Lehrerin mit der Reporterin über die Vorteile der neuen Technik. Die Ipads seien quasi digitale Schulhefte, in denen alle Inhalte chronologisch gespeichert würden. „Es kommt ja durchaus mal vor, dass man ein Schulheft nicht mehr findet“, lacht Christ. Das würde mit den iPads allerdings nicht passieren. Auch schwere Schulbücher müssten die Schüler nicht mehr mit sich rumtragen. Und weniger Bücher und Zettel hieße schließlich weniger Kosten für Arbeitsmaterialien. Hohe Kopiergebühren gehören der Vergangenheit an.

Die Schüler blicken konzentriert auf ihre iPads. Foto: akr

Vergangenes Jahr um die Osterzeit besuchten sie und einige Kollegen eine Fortbildung über die Anwendungsmöglichkeiten von iPads in der Schule. Kurze Zeit später folgte ein Informationsabend. Viele Eltern waren begeistert und insgesamt 26 Schüler sollten an dem Projekt teilnehmen. Die Kosten für die Geräte, an denen Lehrer und Schüler auch gemeinsam von einem Apple-Mitarbeiter geschult worden, haben übrigens die Eltern übernommen.

Doch wie sieht es mit Kindern aus, die aus sozialschwächeren Familien kommen, die sich nicht mal eben ein teures iPad für etwa 400 Euro kaufen können? Gibt es für solche Familien finanzielle Unterstützung? „Für die Familien, die beispielsweise Harz IV bekommen, wird auch vom Amt für die Tablets eine finanzielle Unterstützung gestellt“, erklärt Christ. Familien, die keine Unterstützung vom Staat erhalten, sollen die Möglichkeit haben, das Gerät über einen Förderverein zu finanzieren.

Und wieso muss es ausgerechnet ein teures iPad sein, obwohl doch viel günstigere Tablets auf dem Markt sind? Christ erklärt, dass Apple ein besseres App-Angebot habe, viele der Anwendungen stünden kostenlos zur Verfügung.

Stefan Aufenanger, Professor für Medienpädagogik an der Johannes Gutenberg- Universität in Mainz, geht in seinem Beitrag „Tablets an Schulen“ auch auf die verschiedenen Betriebssysteme der Tablets ein. Der Vorteil des iPads mit dem Betriebssystem iOS bestehe darin, dass es eine sehr gute Verbindung zwischen der Hardware und der Software gebe. Dadurch, dass Aufenanger zufolge alles sehr ausgereift und aufeinander abgestimmt sei, würden keine aufwendigen Lernprozesse zur Bedienung der Geräte oder der möglichen Anwendungen nötig sein. Die Anwendungen bieten vielfältige Möglichkeiten für den Einsatz im Unterricht.

„Man muss jedoch sehen, dass die Entscheidung für ein iPad zugleich bedeutet, an die Konzepte und das Ökosystem von Apple gebunden zu sein“, sagt Aufenanger. Der Nachteil dabei sei, dass sich Eigenentwicklungen und Modifikationen schwer umsetzen lassen. Das sei bei Googles System Android anders.

Schulung für Lehrer und Schüler

Jeden Donnerstag in der sechsten Stunde treffen sich die Lehrer, um sich miteinander auszutauschen. Nur in Französisch wird das Tablett nicht eingesetzt, weil der Unterricht dort mit einer anderen Klasse zusammen stattfindet. Aber ansonsten ist der digitale Helfer überall mit dabei – selbst im Sportunterricht. Die Lehrer nutzen es zum Beispiel, um Sprungtechniken beim Bockspringen zu analysieren. So könne man sehen, ob der Schüler zu früh abgesprungen ist oder wie die Idealkurve des Sprunges hätte aussehen können.

Selbst bei Klassenarbeiten dient das Tablett als Arbeitsheft. Doch was passiert, wenn während der Klassenarbeit das iPad abstürzt oder der Schüler den Akku vergessen hat zu laden? „Das ist noch nie passiert, aber falls es der Fall sein sollte, dann liegt die Klassenarbeit auch ausgedruckt in Papierform vor“, sagt Christ. „Wenn das Gerät kurz abstürzt, dann sind die Daten ja trotzdem noch gespeichert“, fügt sie noch hinzu.

Die Gruppenarbeit neigt sich dem Ende entgegen, denn in wenigen Minuten läuten die Glocken zur Pause. Einige Schüler sollen ihre Ergebnisse der Klasse vorstellen. Mit nur einem „Klick“ von Frau Christ, können alle Schüler den jeweiligen Infokasten am großen Activeboard sehen – das dauert allerdings ein wenig. „Normalerweise geht das schneller, das ist bestimmt der Vorführeffekt“, sagt Christ. Die Schule habe zwar schnelles Internet, aber es könnte noch schneller sein.

Mit dem iPad kann das Ergebnis einfach auf das Activeboard übertragen werden, damit alle Schüler dran teilhaben können. Foto: akr

Während die Schülerin ihren Infokasten vorstellt, erkundigt sich Frau Christ, woher sie ihre Informationen bekommen hat. „Ich habe gegoogelt und es dann kopiert“, sagt die Schülerin. Copy und Paste als Lernkonzept? Ob das wirklich so gut ist, wird von einigen Kritikern bezweifelt.

Einer von Ihnen ist Klaus Wenzel, Vorsitzender des bayrischen Lehrerverbandes. Er ist der Ansicht, dass „die Handschrift als Kulturgut und Ausdruck der Persönlichkeit in Gefahr ist“. Auch zahlreiche Hirnforscher betonen, dass durch das Schreiben per Hand Informationen besser eingeprägt werden können. Man kann natürlich auch mit einem Stift auf dem iPad schreiben, doch sicherlich nutzen viele Schüler die integrierte, virtuelle Tastatur.

Insgesamt kann man sagen, dass der Einsatz von Tablets im Unterricht sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich bringt. Zwar gibt es bislang noch keine aussagekräftige Studie, ob man mit iPads wirklich einen besseren Lernerfolg erzielt, als mit klassischen Unterrichtsmaterialien. Allerdings konnte die University of London in einer Studie belegen, dass die Motivation und Lernbereitschaft der Schüler durch den Umgang mit Tablets im Unterricht erhöht wurde. Und auch in der iPad-Klasse der Geschwister-Scholl-Schule scheint sich der Tablet-Unterricht positiv auf die Motivation und Lernbereitschaft auszuwirken. Beispielsweise als Klassenlehrer Jörg Kuhn und Deutschlehrerin Anne Christ stolz ein Video präsentieren, dass die Schüler zum Thema Sagen und Märchen erstellt haben, was den Lehrkräften zufolge für eine 7. Klasse erstaunlich ist.

3 Gedanken zu “Tabletunterricht: iPads statt Schulbücher und Hefte

  1. Bei „neuen“ Unterrichtsmedien (gibt’s mindestens seit zehn Jahren!) melden sich immer zuerst die Bedenkenträger, die Tafel, Kreide, Tafelschwamm, Tafellappen (riecht immer lecker), das 2 m lange Lineal, den 3 m langen Zeigestock und eine Auswahl von Monster-Dreiecken, mit denen man einen Dachstuhl aufrichten könnte, für das einzig legitime Handwerkszeug des modernen Pädagogen halten. Und zwar immerdar. Ich habe Kollegen erlebt, die gegen den Video-Recorder opponierten, weil man da ja „nur ein Knöpfchen drücken“ würde. Dagegen priesen sie ihre am Nachmittag in stundenlangem Sondereinsatz erstellten Tafelbilder. Allerdings dachten die auch noch, Deutschland sei in Gaue aufgeteilt und es gab kein Internet, um sie eines Besseren zu belehren.
    Der heutigen Informationsflut kann Unterricht nur noch gerecht werden, wenn diese Informationen effektiv ermittelt, übertragen und zu Lerneinheiten verarbeitet werden können. Alle „Nachteile“ des hier vorgestellten digitalen Unterrichts, die ein menschliches Hirn ersinnen könnte, werden durch die unendlichen Vorteile aufgewogen. Wenn man’s richtig macht. Falscher Tafel-und-Kreide-Unterricht führte aber auch schon zu schlechten Ergebnissen, vom Missbrauch des Zeigestocks als Motivationshilfe mal ganz abgesehen.

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  2. sieht super aus….., jeder starrt auf seinen Bildschirm, Kommunikation, Ausdruck der Stimmungs- und Gefühlszustände, Sprache und Gestaltung kann man sicher durch Emoticons virtuell ausdrücken, wenn nicht auch lernbar machen.
    Wie wird denn durch den Lehrer benotet? Kopieren von Informationen von Wikipedia, Google stellt doch kein Leistungskriterium dar.

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