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Interview: Der Geschäftsführer der Bell Equipment (Deutschland) GmbH sprach mit uns über den Neubau in Alsfeld und über das südafrikanische Unternehmen„Die Mitarbeiter machen ein Unternehmen aus“

ALSFELD (cdl). Das südafrikanische Unternehmen Bell Equipment baut gerade sein neues europäisches Zentrallager im Gewerbegebiet Oberste Elpersweide in Alsfeld. Noch hat das Unternehmen seinen Sitz am ehemaligen BGS-Gelände.

Der Geschäftsführer Andreas Heinrich sprach heute mit uns vor dem Richtfest in der kommenden Woche über die Beweggründe des Neubaus, den Standort Alsfeld und stellte das Unternehmen vor.

Oberhessen-live: Herr Heinrich, können Sie uns bitte kurz ein bisschen was über die Geschichte des Unternehmens erzählen?

Bell ist 1954 von Irvine Bell in Südafrika gegründet worden. Mit land- und forstwirtschaftlichen Maschinen ging es damals los. Im Jahr 1964 hat er das erste Patent angemeldet für einen Zuckerrohrlader. Anfang bis Mitte der achtziger Jahre war Südafrika durch die Apartheid ziemlich isoliert. Daher hat man damals angefangen eigene Baumaschinen zu entwickeln, um dem Wirtschaftsembargo vorzubeugen, damit weiterhin Bodenschätze abgebaut werden konnten. Im Jahr 1984 hat man daher den ersten eigenen Knickgelenk-Muldenkipper auf den Markt gebracht. Das Unternehmen wuchs in dieser Zeit und hat nach und nach den kompletten afrikanischen Markt bedient.

Oberhessen-live: Wie ging es weiter, seit wann ist die Firma Bell in Alsfeld ansässig?

Mit dem Ende der Apartheid Mitte der neunziger Jahre hat man die weltweiten Märkte in Angriff genommen. Gerade in Europa gab es einen großen Markt für die Knickgelenk-Muldenkipper. 1998 wurde Bell Frankreich und in 1999 Bell England gegründet. Im Jahr 2000 wurde die Bell Equipment (Deutschland) GmbH hier in Alsfeld gegründet. Schnell wurde dem Unternehmen klar, dass man für die nördliche Hemisphäre eine eigene Produktion benötigt. Viele Zulieferer wie für Reifen, Getriebe, Motoren sitzen alle in Europa oder Nordamerika. Da hat es keinen Sinn gemacht, die Maschinen in Südafrika weit weg vom Kunden zu produzieren.

Durch die zentrale Lage in Europa entschied man sich für den Standort Deutschland. Man hat sich dann tatsächlich in Alsfeld umgeschaut. Leider ist man sich nicht mit der damaligen Stadtverwaltung einig geworden. Damals spielte Wirtschaftsförderung noch keine sonderlich große Rolle. Deshalb ist unser Montagewerk in Eisenach knapp hundert Kilometer von Alsfeld entfernt entstanden.

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Mit großen Spezialmaschinen ist das Unternehmen in Europa in einer Nische tätig.

Wir sind damals rasant in Europa gewachsen und haben in 2002 noch bevor das Montagewerk in Eisenach entstanden ist die Ersatzteilversorgung für den europäischen Markt in Alsfeld forciert. Man musste einfach näher am Markt sein und konnte die Kunden nicht auf Ersatzteile aus Südafrika warten lassen. Durch unsere zentrale Lage wurden wir zum Zentrallager und betreuen von hier die Auslandsniederlassungen in Frankreich, England und Russland sowie die Kunden der Vertriebsniederlassung Deutschland, die mit uns in einem Gebäude sitzen. Das sind 20 Länder rund um Deutschland. Im Wesentlichen im Osten und im Süden sowie Norden Europas. Hinzu kommt, dass wir einen großen Distributor aus Nordamerika betreuen und Hitachi in Südostasien sowie Australien mit in Europa hergestellten Ersatzteilen versorgen.

Durch stetiges Wachstum und neuen Maschinen am Markt wurde unser Ersatzteillager im größer. Deshalb haben wir in 2008 und in 2010 hier auf dem BGS-Gelände weitere Hallen hinzugenommen. Das ist natürlich nicht optimal von den Wegen. Mittlerweile sind wir erneut platzmäßig am Limit.

Oberhessen-Live: Also kam dann der Entschluss eines Neubaus zustande?

Wir haben uns vor drei Jahren mit Südafrika in Verbindung gesetzt und verschiedene Erweiterungspläne erarbeitet. Unser Mutterkonzern ist eine Aktiengesellschaft, die an der Börse gelistet ist. Deshalb muss dort entschieden werden. Zunächst wollten wir hier auf dem Gelände erweitern. Das haben wir aber schnell wieder verworfen und uns für einen Neubau auf der „Grünen Wiese“ entschieden, weil wir so deutlich flexibler sind. Bereits im Jahr 2013 haben wir das Grundstück an der „Obersten Elpersweide“ erworben. Der ganze Prozess hat sich dann aber bis ins Jahr 2015 hingezogen, bis partout etwas passieren musste. Der Neubau kostet und 4,5 Millionen Euro plus 500.000 Euro an Lagereinrichtung. Um uns zusätzlich langfristig abzusichern, haben wir gleich noch ein weiteres Grundstück direkt neben dem Neubau erworben. Das gibt uns die Möglichkeit jederzeit zu erweitern.

Die Mitarbeiter machen ein Unternehmen aus.

Oberhessen-live: Gab es vor dem Neubau Überlegungen den Standort Alsfeld ganz aufzugeben?

Die gab es tatsächlich. Bereits während der Wirtschaftskrise 2008/09 gab es Überlegungen die Standorte zu bündeln und komplett nach Eisenach umzusiedeln. Aber damals wie heute hat man früh erkannt, dass die Mitarbeiter ein Unternehmen ausmachen. Hier in Alsfeld sind viele fast seit Anfang an mit dabei und wir haben eine ganz geringe Fluktuation. Selbstverständlich findet man überall neue Arbeitskräfte, aber es ist ein unschätzbarer Vorteil mit Menschen zusammenarbeiten, die das System Bell kennen und seit vielen Jahren mit der interkulturellen Zusammenarbeit mit Südafrika vertraut sind.

Jahrelang intensiv gepflegte Beziehungen mit Ansprechpartnern und Kunden sind nicht einfach zu ersetzen. Das hätte einen Einbruch beim Service zur Folge gehabt und man hätte teilweise bei null anfangen müssen. Der Mitarbeiter ist das Wichtigste im Unternehmen. Außerdem kommt unsere Nähe zum Flughafen als weiterer Standortvorteil hinzu. In Südafrika haben unsere Argumente schnell Anklang gefunden. Für den Kunden müssen die Ersatzteilverfügbarkeit und der Service hervorragend sein und das ist bei uns gegeben.

Die Stadt hat uns die Entscheidung leicht gemacht.

Oberhessen-live: Welche Rolle hat die Stadt Alsfeld beim Neubau gespielt?

In der damaligen Situation im Jahr 2003 war die Stadt Alsfeld der Grund dafür, dass wir in Eisenach gebaut haben. In der jetzigen Situation war die Stadt Alsfeld sowohl vonseiten des Bürgermeisters als auch des Wirtschaftsförderers Uwe Eifert eine riesen Hilfe. Herr Eifert hat uns kompetent beraten und verschiedene Grundstücke zur Verfügung gestellt. Im Rahmen dessen, was im europäischen Recht machbar ist, hat die Stadt uns zu hervorragenden Preisen die Grundstücke verkauft. Die Stadt hat uns die Entscheidung leicht gemacht.

Oberhessen-live: Gab es Unterstützung für den Standort Alsfeld aus Südafrika?

Unser CEO Gary Bell, der Sohn des Firmengründers, ist halber Vogelsberger. Er hat sogar gemeinsam mit seiner Frau ein Haus in Romrod. In einer AG kann er natürlich nicht alleine entscheiden, aber er hat uns maßgeblich unterstützt. An dieser Stelle muss ich auch einmal ein Wort über unsere Firmenkultur verlieren. Gary Bell kennt den Namen eines jeden Mitarbeiters in Alsfeld und erkundigt sich bei seinen Besuchen bei jedem Einzelnen, wie es ihm und seiner Familie geht. Diese Art der Wertschätzung kommt bei unseren Mitarbeitern sehr gut an. Das ist in AGs nicht gerade üblich. Wenn man in Südafrika zu Gast ist, wird man zu ihm nach Hause zum Grillen eingeladen. Im Prinzip hat die Firma den Charakter eines Familienunternehmens beibehalten.

Oberhessen-live: Wie viele neue Arbeitsplätze werden durch den Neubau entstehen?

Das lässt sich momentan schwer sagen. Im Businessplan sind fünf bis zehn neue Mitarbeiter vorgesehen. Aber einige Dienstleister aus der Nähe profitieren von uns. Da hängt ein bisschen hinten mehr dran, als man zunächst vermuten würde. Wenn es die Unterstützung der Stadt schon im Jahr 2003 gegeben hätte, dann hätten wir hier heute über 70 Mitarbeiter in Alsfeld mit zig Zulieferbetrieben. Das muss ich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, ganz egal wie traurig das klingt.

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Im Gewerbegebiet Oberste Elpersweide gehen die Bauarbeiten zügig voran.

Oberhessen-live: Wie geht der Neubau voran?

Wir sind sogar zwei Wochen vor Plan. Ich hätte nicht gedacht, dass alles bisher so reibungslos läuft. Die Zusammenarbeit mit der Firma Goldbeck ist hervorragend. Unser Plan ist im zweiten Quartal 2017 umzuziehen, und wenn es weiterhin so gut läuft, werden wird das locker schaffen. Unser feierlicher Baubeginn in der kommenden Woche wird ein Richtfest werden. Wir wollten bewusst keinen Spatenstich machen, weil sonst nur ein Haufen Erde zu sehen gewesen wäre. Außerdem freuen wir uns, dass unser CEO aus Südafrika dann anwesend sein wird und alle bereits sehen können, was dort passiert. Dann kann man zumindest bereits erahnen, wie es einmal aussehen wird.

Der Standort muss langfristig Sinn machen.

Oberhessen-live: Als Ersatzteillager gehen bei Ihnen aber keine Schwertransporte vom Hof?

Das geschieht nur im Ausnahmefall. Wir haben durchaus die Möglichkeit eine Maschine vor Ort zu reparieren. Beim Neubau wollten wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, sodass wir gerüstet sind. Vielleicht wird das in fünfzehn Jahren die Regel und wir könnten sofort den Service umfassend anbieten. Der Standort muss langfristig Sinn machen.

Oberhessen-live: Welche Produkte bietet Bell eigentlich genau an?

In Südafrika sind wir ein Vollsortiment-Hersteller von Baumaschinen. In Europa und in der gesamten nördlichen Hemisphäre sind wir in einem Nischenmarkt tätig und bieten ausschließlich Knickgelenk-Muldenkipper an. Der Wettbewerb auf dem Baumaschinenmarkt ist hier einfach viel zu groß, um unsere Produktion und Service dermaßen aufzublähen. Bei den Knickgelenk-Muldenkipper haben wir einen Marktanteil von etwa 20 bis 30 Prozent und sind damit weltweit die Nummer Zwei.

Oberhessen-live: Das war jetzt viel über das Unternehmen. Erzählen Sie doch einmal etwas über sich und ihren Werdegang im Unternehmen.

Ich bin 41 Jahre alt und seit 2003 im Unternehmen. Als ich hier angefangen habe, waren wir zehn Leute in Alsfeld. Jetzt sind es 28 Mitarbeiter und in Eisenach um die 60 bis 70 Angestellte. In Deutschland haben wir rund 100 Mitarbeiter. Ich selbst habe Industriekaufmann bei Fulda Reifen gelernt. Im Anschluss habe ich nebenher meinen staatlich geprüften Betriebswirt gemacht und in Fulda im „Industrial Engineering“ sowie in der Buchhaltung gearbeitet. Dann habe ich bei Bell Equipment in der Buchhaltung angefangen und bin hier im Jahr 2007 Abteilungsleiter geworden

In 2009 ist der damalige Abteilungsleiter des europäischen Zentrallagers nach Australien ausgewandert. Ich habe mich auf die Stelle beworben und das Amt übernommen. Im Jahr 2010 bin ich Geschäftsführer für diesen Bereich geworden. Damals gab es noch zwei Geschäftsführer für die beiden Abteilungen. Zum einen das europäische Zentrallager und die Deutsche Vertriebsniederlassung. Mittlerweile fallen beide Geschäftszweige in meinen Zuständigkeitsbereich.

Oberhessen-live: Sind Sie beruflich oft in der Welt unterwegs? Wie oft sind Sie in Südafrika?

In Südafrika bin ich nur einmal im Jahr. Ich bin sehr oft innerhalb Europas unterwegs, zumeist in den europäischen Niederlassungen. Darüber hinaus bin ich einmal jährlich bei allen zwanzig europäischen Händlern zu Gast und informiere mich vor Ort.

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