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Ein alter Schultadel an der ASS zieht Kreise in Web-Nachrichten – Die ganze GeschichteDas Schulpraktikum mit Porno-Dreh wirkt nach

ALSFELD. Dass der Brief solche Kreise ziehen würde, hatte er gar nicht gedacht. Aber nur wenige Tage, nachdem Atze einen sieben Jahre alten Schultadel von der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hatte, war der Brief auf mehreren Nachrichten-Seiten zu lesen: ein Schülerpraktikant bei einer Porno-Produktion! Wenn das kein Skandal ist. Die Beteiligten aber sind von dem Interesse überrascht.

Als das „wohl ungewöhnlichste Schüler-Praktikum aller Zeiten“ bezeichnet die Huffington Post die Geschichte, die der von Atze veröffentlichte Brief aus dem Jahr 2008 beinhaltet. „Schülerpraktikum in der Pornoindustrie“ titelt auch Yahoo auf der Nachrichtenseite. Radiosender interessieren sich dafür. Den Brief hatte die Leiterin der Albert-Schweitzer-Schule dem damals 18-Jährigen geschrieben, nachdem sie erfahren hatte, dass dessen Schulpraktikum bei dem Berliner Hip-Hop-Label „I Luv Money Records“ auch die Teilnahme an einer Porno-Produktion beinhaltete. Sie tadelt den Schüler, bei der Angabe des Praktikumsplatzes nicht angegeben zu haben, dass die Firma auch Porno-Streifen produziert.

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Das Corpus delicti: Dieser Brief zieht weite Kreise im Netz. Anklicken vergrößert die Ansicht.

Denn dann hätte sie die Teilnahme nicht erlaubt, erklärt Elisabeth Hillebrand gegenüber Oberhessen-live: „Den Erziehungsauftrag nehme ich sehr ernst! Dazu bin ich verpflichtet.“ So ganz genau könne sie sich an den Vorgang nicht erinnern, aber doch schon, dass sie den Brief geschrieben hatte, nachdem sie erfahren hatte, was in Berlin vor sich gegangen war. Es habe aber vorher keiner geahnt, was sich hinter der Musik- und Video-Produktionsfirma versteckt. Sie schließt:  „Ich würde wieder so handeln!“

Dabei hielt Atze, der seinen vollen Namen nicht nennt, damit gar nicht hinter dem Berg, erzählt er nun: Seine Rolle am Porno-Set beschrieb er exakt im Praktikumsbericht, den jeder Schüler erstellen muss. Am Telefon gluckst ein fröhlicher junger Mann von 26 Jahren bei der Frage, wie die Geschichte von diesem dreiwöchigen Praktikum denn zustande gekommen sei. Eigentlich, so sagt er, wollte er sich bloß einen Traum erfüllen: einmal bei einer echten Musikproduktion dabei sein.

„Ich war halt noch ein junger Bursche, voller Power!“, erzählt er. Er hatte Kumpels in Berlin und war totaler Fan: von Rap-Musik sowieso und von dem Untergrund-Rapper King Orgasmus One speziell. Da wollte er hin – und wundert sich heute, dass niemand sich damals wunderte. „King Orgasmus One“ oder „Orgie 69“: Bei den Namen hätte man das doch wissen können, meint Atze.

In der dritten Woche die Einladung ins Hotel

Harmlos fing das Praktikum an: Die erste Woche verbrachte er mit Merchandise-Aufgaben, erzählt er. In der zweiten ging’s endlich ins Musikstudio. „Das war super spannend!“ Da wollte er doch hin: „So etwas muss jeder Musikfan mal erlebt haben!“ In der dritten Woche dann die merkwürdige Einladung in ein Hotel. Dort erfuhr er: Es wird eine „Erwachsenen-Filmszene“ gedreht. „Heute wollen wir dein Praktikum vertiefen“, habe einer zu ihm gesagt. Es geht in der Szene um ein Groupie, das sich nach einem Konzert zum Star verirrt. Und er war zuständig für das „Intro“ im Badezimmer, ehe der Star – ein bekannter Porno-Darsteller – die Handlung übernimmt. Was „Intro“ genau heißt, erzählt Atze nicht.

Atze BierBong in Action

Aber er dachte sich dabei nicht viel – insbesondere nicht, dass das irgendwie anstößig sein könnte. Getreu berichtet er davon in seinem Praktikumsheft. Zwei Wochen nach der Abgabe bittet die Schulleiterin ihn dann zum Gespräch: „Frau Hillebrand war nicht positiv überrascht.“ Am Ende gab’s den Brief, den Atze nun nach sieben Jahren – in leicht zerknitterter Form – noch veröffentlichte. „Ich wollte ihr einen auswischen“, sagt er. Denn damals habe er nach dem Vorfall und als Konsequenz weiterer Erfahrungen lieber freiwillig aufs Abitur verzichtet, habe die Schule verlassen und sei mit Fachabitur nach Berlin gezogen.

Das Ganze hat für den jungen Mann aber noch eine Art Happy End. Denn heute hat er in Berlin einen Job in seinem kreativen Beruf – und ist nebenbei auch noch an leitender Stelle für das Hip-Hop-Label „I Luv Money Records“ als „Atze BierBong“ aktiv. Er sei weniger ein Musiker, sagt Atze, mehr so ein Entertainer für Musiker. Das habe damals gleich nach dem ominösen Praktikum angefangen.

Und, ja, so räumt Atze ein, der Rapper, für den er arbeitet, habe schon grenzwertige Texte. Aber der sei meist woanders aktiv. „Den Part, den ich übernehme, der ist gesellschaftstauglich!“

von Axel Pries

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