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SERIE: Sagen Sie mal! – Schulleiterin Elisabeth Hillebrand über Schüler und Politik„Ja, ich genieße diese Schule“

ALSFELD. Es gibt Menschen in der Region, die man irgendwie kennt, Menschen, die für Ansichten und Einsichten stehen – Menschen, die man schon immer mal was fragen wollte. Oberhessen-live tut das in einer neuen Serie: “Sagen Sie mal…” Als Dritte in der Reihe gibt Elisabeth Hillebrand Einblicke: Die 61-Jährige leitet seit 1998 die Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld, ist aber auch bekannt als SPD-Politikerin im Kreistag und versuchte sich zuletzt als Bürgermeister-Kandidatin in ihrem Wohnort Schlitz. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne.

Sagen Sie mal, Frau Hillebrand…!

Wenn Sie so durch die Albert-Schweitzer-Schule gehen. Genießen Sie es, Herrscherin über ein eigenes Reich mit über 1000 Untertanen zu sein?

„Herrscherin, Reich und Untertanen“, das sind Begriffe, die nicht in die heutige Zeit passen. Mit „Leiterin, Schulgemeinde und Mitglieder der Schulgemeinde“ kann ich etwas anfangen, und ja, ich genieße diese Schule. Es ist ein Genuss, mit so vielen netten Menschen unterschiedlichsten Alters und unterschiedlichsten Blickwinkeln auf die gleiche Sache täglich zusammen zu arbeiten und mit ihnen gemeinsam Schule gestalten zu können. Eine Position wie die meine macht es allerdings deutlich leichter, die Gestaltungsvorschläge der Mitglieder der Schulgemeinde zu bündeln, zu diskutieren und wenn tauglich auch umzusetzen. Und da ist uns schon vieles gelungen, auf das nicht nur ich stolz bin.

Sie sind jetzt so viele Jahre Leiterin der Schule. Ab wann tritt bei so einer Aufgabe die Routine ein?

Wenig Routine! Die intensive Reformtätigkeit – nicht nur der Wechsel von G9 zu G8 und wieder zurück- der jeweils regierenden Koalitionen lässt kaum Routine aufkommen. Ein Beispiel für Routine, die ich erlebe möchte ich aber anführen:

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In dieser Reihe äußerten sich bereits Henner Eurich und Michael Riese

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Routiniertes Vorgehen tritt zum Beispiel dann ein, wenn ich die in immer kürzeren Zeitabständen in der Schule eintreffenden Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Verfügungen lesen, anwenden und archivieren muss. Diese Arbeit nimmt zunehmend mehr Zeit in Anspruch und gehört zu meinen Aufgaben. Als Schulleiterin habe ich die Gesamtverantwortung für die Albert-Schweitzer-Schule und bin Dienstvorgesetzte/Vorgesetzte. Die Rechtssicherheit ist dabei unbedingt erforderlich.

Was halten Sie eigentlich von dem Lästerspruch über Lehrer: „vormittags recht, nachmittags frei“?

Hört sich gut an, da würde ich doch auch Lehrer beziehungsweise Lehrerin, wenn ich es nicht schon wäre. Übrigens: Lehrer haben nach Ärzten die geringste Lebenserwartung! Vermutlich vom recht und frei haben. Da stört nur die 42-Stunden-Woche!

Mit Ihrer ganzen Erfahrung: Haben Sie eine Erklärung, warum Schüler aus skandinavischen Ländern bei Pisa immer so viel besser abschneiden als deutsche? Oder anders gefragt: Ist das deutsche, dreigliedrige Schulsystem noch zeitgemäß? Müsste es durchlässiger angelegt werden, dass Kinder unterschiedlicher Schulrichtungen länger gemeinsam unterrichtet werden, um dem Anspruch auf bessere Breitenbildung gerecht zu werden?

Dazu einige Fakten vorweg: Es sind ja nicht nur die skandinavischen, sondern auch zahlreiche asiatische Länder, die prima abschneiden. Die einen investieren deutlich mehr in Bildung und die anderen treiben ihre Schülerinnen und Schüler deutlich mehr an. Alle haben einen Ganztagsschulbetrieb mit einer sinnvollen Verteilung des Regelunterrichts über den ganzen Tag hinweg. Sie sprechen unser dreigliedriges Schulsystem an. Es gibt nur 18 Länder mit einem dreigliedrigen Schulsystem, 16 davon in Deutschland. Zudem differenzieren wir meist bereits nach der Grundschule. In den meisten anderen Ländern lässt man die Schülerinnen und Schüler länger gemeinsam lernen. Was jetzt wirklich ursächlich an unserem Abschneiden ist, wird von vielen Instituten untersucht. Vielleicht sollten Sie da mal fragen.
Übrigens: Pisa ist so angelegt, dass viel Denken zur Lösung der Aufgaben notwendig ist und weniger das Wiedergeben von bereits Gedachtem. Zukunftsweisend eben!

Wenn man eine Aufgabe in einem Haus lange genug ausübt, neigt man zur Betriebsblindheit. War da Ihre zwischenzeitliche Kandidatur für das Bürgermeisteramt in Schlitz eine Auffrischung Ihrer Erfahrungen im Umgang mit Menschen?

Solange ich denken kann, mache ich Politik- ich versuche also, durch mein Engagement Gesellschaft mitzugestalten- in unterschiedlichsten Funktionen. Es würde für mich aufgrund meiner Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten nicht schwierig werden, ein solches Amt zu führen. Und dann bin ich natürlich Demokratin. Was ist das für eine Wahl, wenn es nur einen Kandidaten gibt.
Der jetzige Bürgermeister war seinerzeit bereits 18 Jahre im Amt und hatte keine Gegenkandidatur. Meine Kandidatur erfolgte zum letzten möglichen Termin u.a. auf Drängen vieler Mitbürger.

Wie haben Sie eigentlich der Schülerschaft erklärt, dass Sie die Schule verlassen wollen?

Unsere Schülerinnen und Schüler wissen, dass es kaum möglich ist, einen Amtsinhaber zu besiegen. Aber über mein Wahlergebnis – cirka 40 Prozent der Stimmen- war ich schon stolz. Gegen einen Amtsinhaber ist so ein Ergebnis schon sensationell. Ich kann nur hoffen, dass die Schülerinnen und Schüler sich nicht über meinen Sieg gefreut hätten!

Angenommen, Sie hätten die Mittel. Was würden Sie als Erstes verändern/verbessern?

Die Energetik am gesamten Schulstandort Krebsbach (Albert-Schweitzer-Schule und Max-Eyth-Schule). Aber die wichtigsten Dinge in unserer zivilisierten Gesellschaft kann man mit finanziellen Mitteln nicht kaufen, falls Sie mit Mitteln finanzielle Mittel meinten. Da müssen wir andere Mittel anwenden.

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