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Pfarrer Daniel Meyer im InterviewDie Taufe ist die Feier des Lebens

VOGELSBERG (ol). Die Evangelische Kirche in Deutschland feiert in diesem Jahr die Taufe. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau feiert mit, mittendrin: das Evangelische Dekanat Vogelsberg. Ein Interview mit Pfarrer Daniel Meyer, der sich erst im Alter von 25 Jahren Taufen lassen hat.

Auch im Vogelsberg werden dieses Jahr Tauffeste angeboten: Im Schwimmbad, am Bach, am See und in der Kirche. Menschen sind eingeladen, sich taufen und ihre Kinder taufen zu lassen oder sich an ihre eigene Taufe erinnern zu lassen. Doch was ist die Taufe überhaupt? Was bedeutet sie?

Pfarrer Daniel Meyer aus Herbstein gibt Antworten. Er muss es wissen, nicht nur als Theologe, sondern auch als Spätgetaufter: Er empfing das Sakrament, das in der Regel Babys und Kleinkindern zuteilwird, im Alter von 25 Jahren während seines Studiums der Theologie. Das Interview des Evangelischen Dekanat und Pfarrer Daniel Meyer im Wortlaut:

Herr Pfarrer Meyer, was bedeutet die Taufe eigentlich aus theologischer Sicht?

Daniel Meyer: Aus theologischer Sicht hat die Taufe drei Dimensionen: die christliche, die persönliche und die anthropologische. Die persönliche Dimension bezieht sich darauf, dass wir als Menschen alles kontrollieren und planen wollen. Alles soll perfekt sein – eine Last, unter der wir einbrechen. Die Taufe nimmt uns diese Last: Wir müssen nicht perfekt sein, wir gehören bedingungslos dazu.

Das führt zur anthropologischen Sicht: Über allen Menschen ist eine höhere Gewalt, die uns von dem Perfektionismus befreit. Das Bekenntnis zu Gott ist auch ein Bekenntnis zu Fehlern und Misserfolgen – eine wirklich große Befreiung! Und dann auch die christliche Dimension: Mit der Taufe beginnt unsere Existenz als Christen. Sie ist ein Initiationsritual und manifestiert: Ich gehöre dazu!

In der Regel werden ja Babys und Kleinkinder getauft – was ist der Grund?

Daniel Meyer: In der Bibel gibt es keine expliziten Taufen von Säuglingen, dort werden tatsächlich eher Erwachsene getauft. Die Idee hinter der frühen Taufe ist, dass die kleinen Menschen möglichst früh am Heil teilhaben sollen und dass sie möglichst früh die Gewissheit spüren: Wir sind sofort Kinder Gottes, mit Geburt, ohne jede Leistung.

In der Zeit der Religionsunmündigkeit, also bis vierzehn Jahre, treten die Patinnen und Paten für die jungen Leute ein und helfen ihnen, ihre Glaubensgewissheit zu festigen und auch ihren Platz in der Gemeinschaft zu finden. Mit der Konfirmation bestätigen diese dann selbst, dass sie getauft sind und weiter der Gemeinschaft der Christen angehören wollen. Ich taufe sehr gerne Säuglinge und weise in den vorbereitenden Gesprächen mit Eltern und Paten auf die Wichtigkeit ihrer Aufgabe hin.

Sie wurden ja erst als Erwachsener getauft. Wie kam das und was hat der Tag Ihnen bedeutet?

Daniel Meyer: Das war am 4. Dezember 2011. Die Taufe fand im Rahmen eines akademischen Gottesdienstes statt und getauft wurde ich von meinem damals bereits emeritierten Professor Doktor Michael Trowitzsch. In der DDR, in der ich geboren wurde, konnte das Getauftsein ja eher hinderlich sein und war daher auch nicht mehr so stark ausgeprägt.

Ich habe mich zwar in der Schule schon für religiöse Themen interessiert, aber als ich mich mit 25 Jahren zur Taufe entschlossen habe, war das wirklich eine ganz bewusste Entscheidung, zu Gott Ja zu sagen. Meinen Taufspruch habe ich sehr bewusst ausgewählt und ihn mir später als Lebensbegleiter in den Talar sticken lassen: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“

Heute lassen sich Menschen öfter auch als Erwachsene taufen oder kurz vor der Konfirmation. Wie kommt es dazu?

Daniel Meyer: Vielen Eltern ist es heute wichtig, dass die Kinder sich selbst entscheiden können, ob sie getauft werden möchten oder nicht. Im Konfirmationsunterricht begeben sich die Jugendlichen auf Entdeckungsreise des Glaubens; sie sammeln Kenntnisse und können zu ihrem Glauben finden. Mitunter entscheiden sie dann, sich kurz vor der Konfirmation noch taufen zu lassen. Bei Erwachsenen sind es oft einschneidende Erlebnisse, die sie zu Gott führen.

Wenn jemand überlegt, sich taufen zu lassen, und sich – wie es oft üblich ist – fragt ‚Was bringt mir das?‘, was antworten Sie diesem Menschen?

Wie eingangs erwähnt, hat die Taufe viele Dimensionen und bedeutet jedem Einzelnen Unterschiedliches. Ich würde antworten ‚Mit der Taufe begibst du dich in die Gemeinschaft der Christen.‘ Oder ‚Du bekennst dich zum Guten.‘ Letztendlich ist es aber eine persönliche Entscheidung, und hinter der Frage ‚Was hat das mit mir zu tun?‘ stehen oft auch Zweifel.

Und da kann ich sagen: Die haben Platz im Glauben. Das Suchen und Fragen hat mit der Taufe kein Ende, aber die Antworten sind bei Gott zu finden. Gerade für Zweifelnde ist die Taufe gut. Ich finde, solange jemand fragt, hat er einen wachen Geist. So jemanden kann man taufen!

Sie sind seit Anfang des Jahres Pfarrer in Herbstein. Durften Sie hier schon viele Menschen taufen?

Daniel Meyer: Bislang hatte ich drei Taufen in Herbstein. Acht stehen (bislang) dieses Jahr noch an. Und auch in Grebenau durfte ich während meines Vikariats mehrfach taufen. Es sind immer schöne, unvergessliche Erfahrungen. Keine Taufe ist nämlich wie die andere. Jede ist aufregend. Jede ist schön.

Auch die Idee, dass Taufen in der Regel am Sonntag in dem Gottesdienst stattfinden sollten, finde ich gut: Direkt in die Gemeinde hinein taufen wir. Ich möchte beim Taufen meinen Beitrag dazu leisten, dass die Taufe ein schönes Fest wird. Das finde ich wichtig. Denn in der Taufe fließt alles zusammen, warum wir Christen taufen und auch warum ich Pfarrer geworden bin. Die Taufe ist die Feier des Lebens.

Überblick Tauffeste in der Region

11. Juni, 10 Uhr, Patenstärkungs-Gottesdienst, Evangelische Kirche Haarhausen

24. Juni, 11 Uhr, Tauffest, Freibad Kestrich

25. Juni, 11 Uhr, Tauffest, am Eisenbach

Sein Traufspruch ziert seinen Talar: Pfarrer Daniel Meyer denkt gerne an seine eigene Taufe zurück. Foto: Traudi Schlitt

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