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Kein Abschlussball, strenge Sicherheitsregeln, keine große ReiseSo ist es, in Corona-Zeiten sein Abi zu machen

VOGELSBERG (jal). Die Zeit nach dem Abi: In wohl kaum einer anderen Phase seines Lebens kann man sich so dermaßen frei fühlen. Die Schule ist aus, das Erwachsenenleben beginnt – aber erst nach der großen Party und dem Auslandsjahr in Australien. In Corona-Zeiten ist das alles anders. Vier Betroffene erzählen von ihren Erlebnissen – und warum das ganze Chaos auch seine Vorteile haben kann.

Wir haben Schülerinnen und Schüler der Albert-Schweitzer-Schule, der Max-Eyth-Schule und des Alexander-von-Humboldt Gymnasiums gebeten, uns ihre Erlebnisse in eigenen Worten zu schildern. Dies sind ihre Antworten.

Carla (19) und Sonja (18), Albert-Schweitzer-Schule

„Alle, die bis zu einem gewissen Zeitpunkt noch Politik und Wirtschaft belegt hatten, wären eigentlich in diesen Tagen nach Berlin gefahren, eine Fahrt, auf die einige hin gefiebert haben – das fällt jetzt natürlich aus. Genauso sieht es mit dem Russland-Austausch aus, der Jahrgangsübergreifend stattfindet und bei dem einige aus unserem Jahrgang mitfahren wollten.

Wir hatten eigentlich für Mitte März die vorletzte Abiparty im Calypso angesetzt, die fiel aber genau auf den Freitag, als wir nicht mehr in die Schule durften und der Vogelsbergkreis die 100-Personen-Grenze festgelegt hat, also mussten wir die ganz kurzfristig absagen. Nach den schriftlichen Prüfungen wollten einige gemeinsam feiern, und vom Jahrgang aus organisiert wollten wir eigentlich nach dem Mathe-Abi in der Grillhütte in Altenburg Party machen. Das hat ja die letzten Jahre gute Tradition an unserer Schule gehabt. Doch daraus wurde nichts, genau wie aus dem Abiball. Natürlich hätten wir auch die Tradition des Abi-Hombergs fortgeführt. Carla hatte auch bereits schon den Bauern angefragt und wir hatten seine Zusage. Doch auch daraus wird nun leider nichts.

Was die Schulzeit unter Corona angeht, war es schon ein bisschen Chaos. Es fing schon damit an, dass am Donnerstag, 12. März, vom Kultusministerium bekannt wurde, dass wir ab dem darauffolgenden Montag nicht mehr in die Schule kommen sollen. Da war dann schon eine gewisse Anspannung im Jahrgang zu spüren, viele hatten Fragen. Am selben Abend kam dann noch eine Mail von unserer Schulleitung, dass wir schon ab Freitag, 13. März, nicht mehr den Unterricht besuchen sollen. Das kam ziemlich abrupt und hätten wir gedacht, dass dies unser letzter Schultag sein würde, wäre die Stimmung im Jahrgang vermutlich noch stärker hochgekocht. Wir wissen aber erst seit dem 16. April, dass der 12. März unser letzter Schultag war. Das ist schon etwas schade, weil wir einfach nicht geahnt hatten, dass so unser letzter Schultag unserer ganzen Schullaufbahn war – wir hatten an dem Tag eben ganz normal Unterricht. Später hat uns unsere Schulleitung aber gut über alles auf dem Laufenden gehalten.

Sicher ist aber leider schon, dass wir keinen Abiball haben werdenCarla und Sonja von der ASS

Bei den schriftlichen Prüfungen selbst waren die Regeln ziemlich streng: Wir durften uns weder vor noch nach den Prüfungen in einer Gruppe auf dem Gelände versammeln, das wurde auch von den Lehrkräften kontrolliert. Jeder musste einzeln eintreten, wurde persönlich gefragt, ob er oder sie gesund ist und hat Desinfektionsmittel für die Hände bekommen. Die Tische standen wirklich weiträumig in der Aula und der Pausenhalle verteilt, sodass auch im Sitzen der Mindestabstand gewahrt werden konnte. Die Lehrer und Lehrerinnen haben sich einen Schal vor den Mund gehalten, wenn sie zum Fragen beantworten an unsere Tische kamen und auf ein Abibuffet, was der jüngere Jahrgang eigentlich sonst vorbereitet, gab es nicht für uns.

Wie wir die Schule verlassen werden, wissen wir noch nicht genau, da nicht bekannt ist, wie viele Personen sich Mitte Juni, wo Abizeugnisvergabe und Abiball eigentlich stattfinden sollen, versammeln dürfen und unter welchen Bedingungen. Sicher ist aber leider schon, dass wir keinen Abiball haben werden, so wie die letzten Jahrgänge ihn hatten. Unser Ziel ist aber, dass wir mit dem ganzen Jahrgang und unseren Tutorinnen und Tutoren zumindest die Abizeugnisse in Empfang nehmen dürfen. Wir warten quasi täglich auf neue Informationen.

Wir haben zu Beginn unserer Qualifikationsphase, im Herbst 2018, bereits unser Abimotto gewählt und da lag ‚Abicalypse 2020 – Der Weltuntergang wäre einfacher gewesen‘ vorne. Einige haben das damals noch belächelt oder für nicht so geeignet empfunden, aber seit Corona findet jeder, dass wir uns kein passenderes Motto hätten geben können.“

Alexander (19), Max-Eyth-Schule

„Am 13. März war unser nicht geplanter letzter Schultag. Zwar war jedem klar, dass man sich irgendwann in diesem Jahr nochmal wiedersehen wird, dass wir aber überhaupt keinen Unterricht mehr haben werden, war damals noch nicht hundertprozentig absehbar. Die gesamte Situation war einfach schwer einschätzbar, auch für unsere Lehrer.

Für die Abiturvorbereitung im Speziellen war dieser Unterrichtsausfall jedoch eigentlich kein großes Problem. Der abiturrelevante Stoff der Q1 – Q3 wurde bereits im Unterricht komplett vermittelt und nun war selbstständiges Lernen und Wiederholen angesagt. Die Lehrer haben sich ab und an per Mail gemeldet und standen jederzeit für unsere Fragen zur Verfügung. Mit unserem Lehrer des Chemie LKs zum Beispiel haben wir auch oft per Kopfhörer und Mikrofon über einen Gruppenanruf geredet und Fragen gestellt. Das war sehr hilfreich. Neues Wissen, welches in der Q4 in normalen Zeiten eigentlich noch vermittelt werden soll, wurde jedoch größtenteils gestrichen. Das war auch sinnvoll, denn wir Schüler hätten uns ohnehin mehr auf die schriftlichen Prüfungen vorbereitet und dafür ist die Q4 schlicht nicht relevant.

Einen ‚Vorteil‘ hat das Virus uns allerdings doch beschert: Uns blieb uns nun mehr Zeit für die Vorbereitung, da man nicht mehr sechs bis acht Stunden am Tag in der Schule sitzen musste. Ob diese nun vorhandene Zeit dann auch zum Lernen genutzt wurde, ist eine andere Frage.

Die große Mehrheit war und ist dafür, dass ein Abiball irgendwann später noch stattfinden sollAlexander von der MES

Die schriftlichen Prüfungen liefen soweit reibungslos ab. Die Abstände wurden eingehalten und zumindest ich hatte kein komisches Gefühl während den Prüfungen. Die Stimmung war eigentlich sehr gut und man hat gemerkt, dass manchen der fehlende soziale Kontakt der letzten Wochen gefehlt hat. Es war die komplett richtige Entscheidung des Hessischen Kultusministeriums, die Abiturprüfungen ohne Verschiebungen durchzuführen. Was jedoch sehr schade war ist, dass man sich nach der Abgabe der Prüfungen nicht mit seinen Mitschülern unterhalten durfte und möglichst schnell nach Hause gehen sollte.

Auch die jährliche Parkplatzparty entfiel, unser Abiball kann ebenfalls nicht wie geplant am 19. Juni stattfinden. Wir hatten bereits den Alsfelder Güterbahnhof an diesem Wochenende gemietet, der Caterer war engagiert, die Angebote vom Getränkehändler waren eingeholt und es wurde schon über die Eintrittskarten, Versicherungen, GEMA, Fotografen und die nötigen Helfer in vielen Stunden zuvor nachgedacht und beraten. Das alles ist jetzt erstmal hinfällig, da auch wir nicht wissen, wie es weitergehen wird. Wir haben im Jahrgang jedoch eine Umfrage gestartet und die große Mehrheit war und ist dafür, dass ein Abiball irgendwann später noch stattfinden soll.

Bleibt zu hoffen, dass man den Kontakt durch das nun leider ein wenig fehlende Abschlussgefühl nach dem Abitur nicht noch mehr verliert, als es normal der Fall ist. Unser Jahrgang war, und das werden mir sehr viele bestätigen können, ein echt guter mit vielen coolen, netten und lustigen Leuten. Wir haben immer zusammengehalten und solch ein Ende haben wir, wie viele andere Schüler in Deutschland auch, eigentlich nicht verdient.“

Ekko (18), Alexander-von-Humboldt-Gymnasium

„Die Schulschließung an sich sah ich zu Beginn als wenig problematisch an. Für mich bedeutete das nur, dass ich mehr Zeit zum Lernen haben würde und weniger Ablenkung durch nicht prüfungsrelevante Kurse. Was aber durch Corona ins Wasser fiel, war mein eigentlicher Plan zum Kopf-frei-kriegen. Normalerweise würde ich fünf- bis sechsmal die Woche auf dem Sportplatz stehen um Fußball zu spielen und zu trainieren, worauf ich mich im Hinblick auf das viele Lernen schon sehr gefreut hatte.

Die dadurch gewonnene Zeit nutzte ich stattdessen vor allem zum Mountainbiken mit meiner Freundin oder meiner Mutter. Außerdem fingen wir zuhause an, täglich abends Serien auf Netflix zu gucken, was ohne Corona zeitlich wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre. Ich gestaltete meine Tage also so, dass ich vormittags und nachmittags einige Zeit lernen und die restlichen Tage mich anderweitig ablenken würde.

Als die schriftlichen Prüfungen dann vorüber waren, holten mich die Corona-Maßnahmen aber erst richtig ein. Wir konnten unsere Prüfungen ja nicht so feiern wie wir es bei den Jahrgängen vor uns mitbekommen hatten. Auch waren einige Geburtstage für die Zeit nach den Prüfungen geplant, welche leider ebenfalls nicht stattfinden konnten. Weitere Feiern wie der Abiball oder der Abischerz werden ebenfalls nicht stattfinden können. Was natürlich auch gerade deshalb sehr schade ist, da man viele Leute vor ein paar Wochen vielleicht unbewusst zum letzten Mal gesehen hat.

Ein richtiger gemeinsamer Abschluss wird uns also fehlen. Dazu kommt noch, dass der von uns geplante Abiurlaub nicht so stattfinden wird, wie wir uns das ursprünglich vorgestellt hatten. Mich hat Corona während des Abiturs im Hinblick auf mein Ergebnis also nicht wirklich beeinträchtigt. Es war eher blöd, was Corona mit der Zeit danach gemacht hat.“

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