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Betroffene bangten um ihre ExistenzApril-Geld der Vogelsberger Tagespflegemütter gesichert

VOGELSBERG (ls). Lieber einen Monatslohn weniger oder stattdessen den kompletten bezahlten Jahresurlaub nehmen? Vor diese Entscheidung standen in der vergangenen Woche noch 52 Tagespflegemütter im Vogelsberg. Diese beiden Wahlmöglichkeiten ließ man ihnen in der Zwangspause durch das Coronavirus. Jetzt aber gibt es gute Nachrichten: Das Geld für den kommenden Monat ist gesichert.

„Wir haben es geschafft. Manchmal muss man einfach hartnäckig bleiben und zeigen, dass man zusammenhält“, freut sich Nadine Kölsch. Kölsch ist Tagespflegemutter. Eine von 52 aus dem ganzen Vogelsbergkreis, die sich dem Netzwerk des kreisinternen Fachstelle für Kindertagespflege angeschlossen haben. Dort herrschten in den vergangenen Tagen große Existenzängste, denn ihre Schützlinge durften nicht mehr kommen.

Seit vergangenen Montag haben in ganz Hessen bis zum 19. April die Schulen und Kitas wegen der Coronakrise geschlossen. So will man die Ausbreitung des Virus eindämmen. Davon sind auch Tagespflegemütter – oder Tagespflegepersonen, wie sie offiziell heißen – betroffen. Nadine Kölsch selbst betreut drei Kinder, seit September des vergangenen Jahres ist sie dabei. Fünf Euro Vergütung bekommt die gelernte Krankenschwester dabei pro Kind und Stunde. „Das ist nicht viel, aber die Arbeit mit den Kindern macht mir viel Freude“, sagt sie. Doch selbst diese fünf Euro standen in der vergangenen Woche auf der Kippe, denn mit dem Ausfall der Kitas wollte das Jugendamt des Vogelsbergkreises die Vergütung für den April zunächst nicht zahlen.

„Wir hätten nur unser Geld bekommen, wenn wir Urlaub nehmen. Das kann doch nicht sein. Für manche von uns heißt das, dass wir von jetzt auf gleich keinen Pfennig Geld mehr in der Tasche haben“, ärgerte sich Kölsch noch in der vergangenen Woche. Entweder Urlaub und Honorar, oder kein Geld – und die Notfallbetreuung hätte dennoch weiter laufen müssen.

Und tatsächlich: In einer Mail des Kreises an alle Tagespflegepersonen, die OL vorliegt, hieß es genau das. Dabei verwies der Kreis auf die eigene Satzung, worin lediglich drei Fälle genannt werden, in denen eine Vergütung möglich wäre, ohne dass eine Kinderbetreuung überhaupt stattgefunden hat: im Krankheitsfall, wenn das Kind nicht kommt oder aber während des Urlaubs. 20 Tage stehen Kölsch und ihren Kolleginnen davon im Jahr zur Verfügung.

Außerdem heißt es, dass die Vergütung von März bereits ausgezahlt und unantastbar bleibe, für „April ist eine Weiterzahlung der laufenden Geldleistung unter Anrechnung der in der Tagespflegesatzung geregelten Weitergewährung für bis zu 4 Urlaubswochen möglich“. Blieb also die Wahl: den bezahlten Jahresurlaub nehmen und weiter Geld bekommen oder aber einen Monat lang auf die Vergütung verzichten. „Wir fühlen uns ziemlich allein gelassen. Niemand konnte unsere Fragen beantworten und wir können für den Betreuungsausfall auch nichts – wir dürfen nicht betreuen“, sagte Kölsch in der vergangenen Woche.

Verwunderung beim Kreis

Die Verärgerung und Aufregung der Tagesmütter konnte man im Kreis nicht nachvollziehen. „Die derzeitige Aufregung ist nicht zu verstehen. Den Mitarbeitern des Jugendamtes war daran gelegen, zunächst eine Lösung zu finden, die sich mit der im Vogelsbergkreis geltenden Satzung vereinbaren lässt und die es der Verwaltung überhaupt ermöglicht, den Tagespflegepersonen zunächst weiterhin Geldleistungen zukommen zu lassen“, sagte Erster Kreisbeigeordneter und Jugenddezernent Dr. Jens Mischak auf Anfrage.

Da derzeit nicht abzuschätzen sei, welche Schutzmaßnahmen künftig noch getroffen werden müssten, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, „wurde den Tagespflegepersonen zunächst die Möglichkeit eingeräumt, die Leistungen im April unter Anrechnung von vier Urlaubswochen weiter zu beziehen“. Aber schon da gab man zu bedenken, dass es sich um keine finale Entscheidung handele.

„Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht entschieden, wie wir weiter verfahren werden, ob der Vogelsbergkreis den Personen weiterhin Geldleistungen auszahlt oder nicht“, sagt Mischak. Außerdem seien die Verträge zwischen den Eltern und den Tagespflegepersonen geschlossen worden und einige Eltern hätten angekündigt, „ihren Teil nicht mehr zahlen zu wollen“.

Nach einem anstrengenden Wochenende, vielen Gesprächen, Telefonaten und Recherchen meldete sich Nadine Kölsch erneut. Die Tagespflegemütter bekommen auch für April ihre Vergütung, das habe der Erste Kreisbeigeordnete entschieden, heißt es in der vorliegenden Mail, die an alle Tagesmütter ging. Ein gute Nachricht, die es in dieser Krisenzeit braucht.

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