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Das letzte Überbleibsel der früheren Alsfelder StadtbefestigungZerstörung, Wiederaufbau und Abriss der historischen Stadtmauer

ALSFELD (akr). Im Mai haben die Arbeiten zur grundhaften Sanierung der Alsfelder Stadtmauer zwischen der Volkmarstraße und dem Mainzer Tor begonnen. Bei dem Mauerabschnitt handelt es sich um das letzte Überbleibsel der früheren Alsfelder Stadtbefestigung, die im 19. Jahrhundert nach und nach abgerissen wurde. Einer, der sich mit dieser Thematik intensiv auseinandergesetzt hat, war der Lokalhistoriker Herbert Jäkel, der im November 1986 einen Aufsatz über die mittelalterlichen Befestigungsanlagen der Stadt Alsfeld schrieb. Ein Einblick in die Geschichte der Stadtmauer.

Die Alsfelder Stadtmauer war nicht nur zur Verteidigung da, sie diente auch als Grenze zwischen der unfreien leibeigenen Landbevölkerung und den freien Stadtbürgern. Die Stadtmauer mit Zinnen, Wachttürmen, Toren, Zugbrücken und Wachthäuschen machte die Stadt erst zur Stadt, die sich im inneren der geschützten Mauern erst entwickeln konnte.

Die aus Steinen aufgebaute Mauer war insgesamt 1.220 Meter lang, ihre Breite schwankte zwischen 2,20 und 2,45 Metern. Stellenweise war sie auch bis zu 3,40 Meter breit. Sie war fast sieben Meter hoch, mit einer Brustwehr, ein brusthoher Schutzwall, und wahrscheinlich auch mit einem überdachten Wehrgang versehen. Sie ersetzte eine erste Stadtmauer, die entlang der Straßen Kaplaneigasse, Enge Gasse, Untergasse, Am Kreuz, Rossmarkt, Vietorgasse, Am Forsthof und Schaufußgasse verlief.

Vier Stadttore gewährten Besuchern und Händlern Eintritt, nachts waren die Tore verschlossen. Von den vier Stadttoren waren drei als Tortürme ausgebaut, das vierte Tor wurde durch den Leonhardtsturm gesichert. Wie hoch die Türme waren ist nicht bekannt, man könne sie von der Höhe mit dem 27 Meter hohen Leonhardsturm vergleichen.

Vom Obertor zum Mainzer Tor waren es 320 Meter, vom Mainzer zum Fulder Tor 355 Meter – hier ist noch ein Mauerstück vom Mainzer Tor bis zur Volkmarstraße von 110 Metern Länge vorhanden – vom Fulder Tor bis zum Hersfelder Tor lag die Entfernung bei 230 Metern und vom Hersfelder Tor bis zum Obertor 290. Urkundlich erstmals erwähnt wurde das Hersfelder Tor 1358, das Mainzer 1364 und das Ober- sowie Fuldertor 1365.

Der Dreißigjährige Krieg wütete in Alsfeld

Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war Alsfeld die mit am meisten zerstörte Stadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. 1648 lebten nur noch 1120 Menschen in der Stadt, die Hälfte der Wohnhäuser waren vernichtet und auch die Mauern und Stadttore waren zerstört. Doch die Mittel, um die Schäden zu beseitigen, fehlten, erschöpft und völlig verarmt war die Stadt. In ihrer Not wandten sich die Alsfelder an den Landesherren, der ihnen noch am 5. Oktober 1646, der Tag, an dem die Stadt vernichtet wurde, seine Gnade versprochen hatte, weil ihn an der „Erhaltung Unserer Statt Alßfeldt hoch und viel gelegen“ sei.

Die Alsfelder stellten in bewegten Worten ihre Nöte und Sorgen dem Landesfürsten dar. Aufgrund der umfangreichen Darstellung des katastrophalen Zustandes der Stadt Alsfeld, darunter auch ein Verzeichnis der 306 zerstörten Gebäude, hatte Landgraf Georg II am 31. Januar 1650 der Stadt zur Wiederherstellung der fast ruinierten Stadtmauern und Gebäude Gnaden erwiesen. So durfte die Stadt für den Wiederaufbau der Mauer und anderer zerstörter Häuser von den vier Pfennigen, die für jedes Maß Wein fällig waren, zehn Jahre lang zwei Pfennige behalten.

Die Finanzierung der Reparatur zu sichern und die zerstörten Befestigungsanlagen und Gebäude wieder in Ordnung zu bringen, waren mühevolle Anstrengungen für die Alsfelder. Bereits unmittelbar nach der Eroberung der Stadt im Jahre 1646 versuchte man mit einfachsten Mitteln, die Lücken in der Mauer zu schließen. Diese Lücke, auch Bresche genannt, wurde repariert, zum Teil ausgemauert. Das Mainzer Tor hingegen wurde vorerst zugemauert.

Reparaturmaßnahmen und Abriss

1648 hatte Johannes Strauch „300 Pfalasatennegel für gemeine Stadt“ geliefert. Aber erst acht Jahre nach der Zerstörung sollte 1654 die „ufrichtung der demollirten Mainzern pfort“ erfolgen. 1662 wurde das Mainzer Tor dann fertiggestellt. 1677 wurde beispielsweise noch die Mauer hinter der Scheune des Forstschreibers Pfaff wieder hergestellt, ein Jahr später der Hersfelder Torturm renoviert und 1679 ein rundes Türmchen mit kupfernem Knopf auf das Mainzer Tor gesetzt. Lange hat es jedoch nicht gedauert, da war die Stadtmauer am Mainzer Tor wieder eingefallen, wieder folgten Reparaturmaßnahmen.

Zu Beginn des 19. Jahrhundert behinderte die Stadtmauer und die engen Tore zunehmend den Handels- und Landwirtschaftsverkehr. Verständnis für die Baudenkmäler zeigte man wenig. Zwischen 1809 und 1823 wurden die Stadttore nach und nach abgerissen und auch die Stadtmauer wurde Stück für Stück abgerissen. Lediglich der Teilabschnitt am Klostermauerweg blieb erhalten – und genau dieses Überbleibsel wird seit Mitte Mai saniert, zwei Jahre lang sollen die Arbeiten andauern.

Die Arbeiten seien aus denkmalschutzrechtlichen Gründen zwingend erforderlich und würden durch das Landesamt für Denkmalpflege Hessen und durch das Denkmalschutz Sonderprogramm VIII des Bundes gefördert.

Ein Gedanke zu “Zerstörung, Wiederaufbau und Abriss der historischen Stadtmauer

  1. Im hessischen Landesarchiv finden sich mehrere Stadtansichten von Alsfeld, die älteste von 1591, auf denen die Stadtmauer und die Türme zu sehen sind.

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