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Ein Einblick in die Hunde-AG der Gebrüder-Grimm Schule in AlsfeldFörderbedürftigen Kindern den richtigen Umgang mit Hunden zeigen

ALSFELD (akr). In der Gebrüder-Grimm Schule in Alsfeld spielt die tiergestützte Pädagogik schon lange eine wichtige Rolle. Seit etwa drei Jahren gibt es zudem auch eine Hunde-AG. Hier lernen Kinder mit erhöhtem Förderbedarf den richtigen Umgang mit den Vierbeinern. Wie sieht ein Nachmittag der AG aus? Ein Einblick.

Es ist 13:45 Uhr. Gespannt warten sechs Schüler der Hunde-AG der Gebrüder-Grimm Schule in Alsfeld auf die zwei Stargäste. Allerdings müssen sie sich noch ein wenig gedulden, die Schülerin Valentina fehlt noch und Schulleiterin Claudia Janich hat ihr versprochen, Toni und Tilda erst dann holen zu lassen, wenn sie wieder da ist. Dann klopft sich der Schüler Marco zwei Mal gegen die Hüfte und fasst sich an sein Kinn. Wieder klopft er zwei Mal auf seine Hüfte und reibt sich seinen Bauch. Marco kann nicht sprechen.

Das Klopfen gegen die Hüfte bedeutet in der Gebärdensprache „Hund“. An sein Kinn hat er sich gefasst, weil er damit Toni meint. Toni sieht nämlich aus, als hätte sie einen Bart. Den Bauch hat er sich gerieben, weil es das Zeichen für Tilda ist. „Bevor Tilda zu uns kam, brauchten wir nur die Gebärde für Hund, doch dann mussten wir ja Toni und Tilda irgendwie voneinander unterscheiden“, erklärt Janich mit einem Lächeln im Gesicht.

Ein Einblick in die AG. Fotos: akr

Seit 2013 ist die Podenco-Mix-Hündin Tonina, kurz genannt Toni, ein fester Bestandteil der Gebrüder Grimm Schule. Im Februar 2014 begann die Hündin mit der Therapiehundausbildung, die sie innerhalb von zwei Jahren in Kassel absolvierte. Im September 2017 kam dann noch die Pudel-Mix-Hündin Tilda dazu, die im Juni dieses Jahres mit der Therapiehundausbildung begann. Beide Hündinnen leben bei der Schulleiterin Claudia Janich und unterstützen in der Schule pädagogische Prozesse.

Die Lernatmosphäre, die individuelle Leistungsfähigkeit und auch das Sozialverhalten der Schüler werde durch die Hunde verbessert. Der Umfang und der Inhalt des hundgestützten Unterrichts variiere dabei von der reinen Anwesenheit der Hunde in der Schule bis hin zur aktiven Teilnahme im Unterricht – so wie zum Beispiel in der Hunde-AG.

Den richtigen Umgang mit den Vierbeinern kennenlernen

In der Hunde-AG lernen die Schüler den richtigen Umgang mit dem Hund kennen, seien es alltägliche Dinge wie das Streicheln, Gassi gehen oder die Versorgung eines Hundes. Aber auch Kenntnisse über die Körpersprache lernen die Schüler kennen, beispielweise wann ein Hund Angst hat, er gestresst ist oder nur spielen möchte. Körpererfahrungen mit dem Hund, beispielsweise Kontaktliegen oder Leckerlis vom Körper stibitzen lassen sowie Kommando-Training, werden ebenfalls von den Schülern geübt.

Dann kommt Valentina in den Klassenraum. Gemeinsam mit Lukas macht sie sich aber wieder direkt auf den Weg in Frau Janichs Büro, um die zwei Schulhunde für die AG abzuholen. Die Tür geht auf, Toni und Tilda werden an der Leine hineingeführt und die Augen der Schüler fangen an zu strahlen. Die Leine abgemacht, geht es für die Vierbeiner erstmal auf eine kleine Erkundungstour durch das Klassenzimmer. „Heute habe ich ein Kartenspiel vorbereitet“, sagt Janich und bittet Lukas, die erste Karte zu ziehen. „Fülle den Wassernapf auf“ ist seine Aufgabe. Lukas und die anderen müssen lachen, denn wenn die AG im Klassenraum stattfindet, ist das immer die erste Aufgabe.

Valentina freut sich, dass sie wieder mit Tilda schmusen darf.

Nach und nach werden Karten gezogen und Fragen rund um das Thema Hund beantwortet, beispielsweise wie man die Babys oder die Füße eines Hundes nennt. Doch die Schüler müssen nicht nur Fragen beantworten, sondern auch Aufgaben erfüllen. So wie die erste an diesem Montag: „Welche Kommandos kann ein Hund“ – das wird natürlich mit der Unterstützung eines Vierbeiners gezeigt. Toni ist an der Reihe und setzt sich gekonnt auf den orangenen Kreis aus Filz. „Das ist ihr Platz. Sie weiß genau, dass sie sich da hinsetzten soll“, erklärt Janich.

Marco macht den Anfang. Er klettert von seinem Stuhl runter und stellt sich mit einem breiten Grinsen vor Toni. Seine Hand richtet er ausgestreckt in Richtung Boden, Toni legt sich hin. Es ist das bekannte Zeichen für Platz. „Das geht eben auch nonverbal“, erklärt Münster. Der Therapiehund kann aber nicht nur Platz, sondern auch Pfötchen geben, wie Katrin zeigt. Gekonnt legt Toni ihre Pfote in die Hand des Mädchens.

Gekonnt gibt Toni Pfötchen.

Drei der sieben Schüler – Hannah, Paul und Johannes – sind schwerstbehindert, sowohl körperlich als auch geistig. Sie können weder laufen noch sprechen, sind in ihrem ganzen Leben auf Hilfe angewiesen. Begleitet werden sie in der AG als auch im normalen Unterricht von ihrer Schulbegleitung. Dann ist auch Paul an der Reihe, eine Karte zu ziehen. Frau Janich geht vor seinem Rollstuhl in die Hocke und hält ihm die Karten gefächert hin.

Frau Schöne, seine Schulbegleitung, nimmt sanft Pauls Hand und zieht gemeinsam mit ihm eine Karte. „Zeige fünf Körperteile eines Hundes“, liest seine Begleitung vor. Da das allerdings aufgrund seiner Behinderung nicht an Toni oder Tilda direkt gezeigt werden kann, kommt Bruno zum Einsatz, ein großer, hellbrauner Plüschhund. Gemeinsam mit Frau Schöne zeigt Paul die fünf Körperteile. Dafür bekommt natürlich auch er ein großes Lob der ganzen Gruppe.

Plüschhund Bruno kommt zum Einsatz.

Die nächste ist Hanna – und auf sie wartet eine ganz besondere Mutprobe: Sie soll sich ein Leckerli vom Bein essen lassen. Herr Münster, der neben ihr sitzt, legt eins parat. In freudiger Erwartung sitzt Tilda Hannahs Rollstuhl und wartet geduldig auf das Zeichen der Schulleiterin. Dann schnappt sie sich vorsichtig das Leckerli. Lachen bricht in der Klasse aus – besonders Marco bekommt sich kaum noch ein. Auch sie dürfen sich der Mutprobe stellen.

Und weil Marco seine Freude kaum noch verbergen kann, ist er der nächste. Er geht gemeinsam mit Frau Janich nach vorne und legt sich auf den orangenen Kreis aus Filz. Marco ist nämlich besonders mutig: Toni wird gleich das Leckerli aus seiner Kapuze stibitzen. Die anderen Kinder schauen gespannt zu. Toni kommt näher, schnuppert an Marco und schnappt sich das Leckerli aus der Kapuze. Marco lacht. Am liebsten würde er gar nicht mehr aufstehen.

Toni stibitzt das Leckerli aus der Kapuze.

Dann ist auch Johannes an der Reihe. Seine Schulbegleitung Frau Pressler öffnet die Schnallen am Rollstuhl, hebt ihn vorsichtig raus und legt ihn sanft auf den Boden. Frau Janich versteckt das Leckerli in seinem Schal, Toni nähert sich ihm vorsichtig, schnuppert und findet es. „Johannes liebt das“, erklärt seine Begleitung.

Eine Art Ritual

Die AG neigt sich langsam dem Ende zu. Zweimal sechzig Minuten, die scheinbar wie im Flug vergingen. Frau Janich und Herr Münster holen eine große blaue Matte und legen sie auf den Boden. Es folgt das Abschlussritual, gemeinsames Kuscheln und die Hunde bürsten. Zuerst wird Hannah aus ihrem speziellen Rollstuhl geholt und auf die Matte zu Tilda und Toni gelegt. Hannah wird sofort ruhiger, zappelt nicht mehr hin und her. „Sie entspannt dabei total“, erklärt Münster. Die anderen Schüler gesellen sich dazu und fangen an, die Hunde zu Bürsten und zu Streicheln. Auch die Hunde entspannen dabei, legen sich hin, genießen es.

Anschließend wird gemeinsam aufgeräumt. Frau Janich zieht Tilda und Toni wieder das Geschirr an. „Wer bringt die Hunde wieder in ihr Körbchen?“ , fragt die Schulleiterin und die Hände schießen nach oben. Die Auserwählten: Katrin und Marco. Ein letzter strahlender Blick auf die vierbeinigen Stargäste und Tilda und Toni verlassen den Raum.

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