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Stephanie Binder sprach über ihre Arbeit bei der deutschen Hilfsorganisation Welthungerhilfe„Jeder Geflüchtete hat seine eigene Geschichte“

GEMÜNDEN (ol). Stephanie Binder berichtete im Rahmen einer Veranstaltung der Flüchtlingsinitiative Gemünden über ihre Arbeit als Kommunikations-und Medienmitarbeiterin der deutschen Hilfsorganisation Welthungerhilfe in der Türkei, Syrien, dem Libanon und Irak. Statt über Flüchtlingszahlen und Politik zu reden, erzählte die ausgebildete Journalistin die Geschichten der Menschen, denen sie während ihrer zweijährigen Tätigkeit in der Region begegnete.

Zwei Dinge habe sie laut Pressemitteilung der Flüchtlingsinitiative durch ihre Arbeit gelernt: „Erstens: Als Menschen gibt es immer mehr, was uns verbindet, als uns trennt. Zweitens: Jeder Geflüchtete hat seine eigene Geschichte, denn jeder Mensch, ob in Europa oder in Syrien, ist einzigartig.“ Eine Geschichte erzählte zum Beispiel von syrischen Eltern, die mit ihrem Sohn und dutzend anderen Familien tagelang in einem Keller Zuflucht vor den Luftangriffen des syrischen Regimes suchten. Zwei Kinder einer schutzsuchenden Familie, die beim Spielen auf der Straße von einem der Angriffe überrascht wurden, kamen dabei ums Leben. Wenige Monate später und nur zehn Tage nach der Geburt ihres zweiten Kindes entschloss sich das Ehepaar zur Flucht in die Türkei.

Vor allem die Stärke der Frauen, die der Krieg oft zu Witwen und alleinerziehenden Müttern gemacht hat, beeindruckte Binder. Syrische, aber auch irakische Frauen sollen es besonders schwer haben. Häusliche und sexuelle Gewalt, aber auch die steigende Zahl von Kinderehen, seien die traurigen Folgen der Kriege in beiden Ländern. „Eine Geschichte, die ich nie vergessen werde, ist die von Mariam aus dem Nordirak,“ erzählte Binder. Mariam wurde von ihrem ersten Ehemann verlassen, nachdem er ihre zwei Töchter mit elf und 13 Jahren gegen ihren Willen verheiratet hatte. Die resolute Irakerin schloss Jahre später mit ihrer, in zweiter Ehe geborenen Tochter einen Pakt: Sie darf nicht heiraten bevor sie ihren Hochschulabschluss hat. Das sind mutige Worte einer irakischen Frau aus einer konservativen Stadt, wo Mädchen oft mit unter 16 Jahren verheiratet werden.

Auch Kinder leiden besonders unter den Folgen von gewaltsamen Konflikten. In Syrien ist laut den Vereinten Nationen eines von drei Kindern im Krieg aufgewachsen. Mädchen und Jungen können oft jahrelang nicht zur Schule gehen und sind traumatisiert. Trotz allem Leid gibt es aber auch immer Hoffnung. „Auch im Krieg werden Kinder geboren, Hochzeiten gefeiert und Witze gemacht,“ sagte Binder. Der Humor und die Stärke ihrer syrischen und irakischen Kollegen und Freunde habe sie besonders beeindruckt. Mit ihren mitgebrachten Geschichten, schaffte Binder es, den Zuhörern die vielfältigen Schicksale der Menschen auf eine emotionale und menschliche Weise nahe zu bringen. Dem Einen oder Anderen wurde an diesem Abend vielleicht bewusst, wie glücklich man sich schätzen kann, in einem friedlichen Teil der Erde zu leben ohne Hunger, Durst und Angst vor Bomben.

LINKTIPP: Stephanie Binder im OL-Interview:

„Die Situation ist wirklich tragisch für die Menschen dort“

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