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Preisträger des Jugend forscht Wettbewerbs zu Gast in AlsfeldWas Windräder, Druckluft und Rehkitze gemeinsam haben

ALSFELD (akr). Sie wollen Rehkitze vor dem qualvollen Mähtod retten, haben sich mit Druckluft und Leckagen auseinandergesetzt und eine Methode zur Verbesserung der Ausrichtung von Windrädern entwickelt – und dafür wurden neun Jungforscher mit dem Sonderpreis des Jugend forscht Wettbewerbs ausgezeichnet. Am Freitag stellten sie ihre Ideen im  Alsfelder Rathaus vor. 

Seit 1992 ist die Heinz und Gisela Friedrichs Stiftung Förderer und Preisstifter von Deutschland bekanntestem Nachwuchswettbewerb „Jugend forscht“. Beim Bundesfinale vergibt die Stiftung drei Sonderpreise für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Technik – und die Preisträger waren am Freitag zu Gast im Alsfelder Rathaus, um ihre Erfindungen vorzustellen. „Ich habe mich im Vorfeld schon über eure Forschungsprojekte informiert. Ich muss sagen, ich bin beeindruckt“, freute sich Bürgermeister Stephan Paule über den Besuch der jungen Forscher.

Steffen Heinecke, Stephan Paule und Bert Rauscher. Fotos: akr

Doch die kamen nicht allein. Mit dabei war auch wieder der Vorstandvorsitzende der Heinz und Gisela Friedrichs Stiftung, Bert Rausch sowie Elisabeth Weisbach von Hartmann Spezialkarosserien und der Geschäftsführer Steffen Heinecke. Die Stiftung ist nämlich nicht nur Förderer von Jugend forscht, sondern ihr gehört auch 60 Prozent der Firma Hartmann. „Ihr habt wirklich tolle, interessante und praxisnahe Projekte entwickelt, um Lösungen für alltägliche Probleme zu schaffen“, sagte Heinecke – und das Wort wurde an die Jungforscher übergeben.

Rehkitzen das Leben retten

Den Anfang machten auch gleich die jüngsten der Gruppe: Florian Kämpchen und Patrick Dormanns. Zwei 15-jährige aus Bergisch Gladbach, die gemeinsam mit Gustav Becker, der am Freitag nicht anwesend war, mit dem „automatischen Kitzretter“ den ersten Platz abräumten. Mit ihrer Erfindung wollen sie Rehkitze vor dem qualvollen Mähtod bewahren, denn schätzungsweise fallen pro Jahr rund 100.000 Rehkitze Mähdreschern zum Opfer. „Rehkitze laufen bei Gefahr nicht weg, sie ducken sich“, machte Patrick das Problem deutlich.

Und was für eine Lösung haben die Forscher parat? Den Rehkitzretter. Am Mähdrescher werden eine Kamera und ein Infrarotsensor in einer kleinen Box befestigt. Der Infratotsensor nimmt warme Stellen im Feld auf, mit der Kamera wird ein Foto gemacht. Die Daten werden dann von einer intelligenten Bildererkennungssoftware analysiert. Wenn ein Rehkitz im Feld liegt, erkennt ihre Erfindung das und sendet eine Warnung auf das Smartphone oder Tablet des Fahrers. Erste Tests mit einer Rehkitzattrappe liefen bereits vielversprechend.

Energie und Geld sparen, Risiken vorbeugen

Von den Jüngsten ging es dann zu den ältesten – beziehungsweise chronologisch zu den Zweitplatzierten, die sich in ihrem Projekt mit einem beliebten und vielseitig einsetzbaren Energieträger, der Druckluft, auseinandersetzten. In der Industrie geht viel Energie durch Lecks an den Anlagen verloren. Das kostet nicht nur viel Energie und Geld, sondern birgt auch Risiken für die Mitarbeiter. Deswegen haben der 20-jährige Niklas Knöfel aus Nordhausen, die 18-jährige Lea Schade aus Ballenstedt und der 19-jährige Robert Kather aus Harzgerode einen Schulungs-und Prüfstand mit Kompressor und Druckleitungen gebaut, womit unterschiedliche Leckagen simuliert werden können.

Niklas Knöfel (Mitte) stellt das Projekt vor.

Über ein Touchpad wird der Teststand gesteuert und die jeweilige Höhe des Drucks- und des Energieverlustes sowie die dadurch entstehenden Kosten visualisiert. Auch das Ausmaß des Lärms durch die entweichende Luft wird gemessen. Bert Rausch freute sich besonders über diese Platzierung, denn Niklas und Robert sind Auszubildende und „es gibt nicht viele Lehrlinge die bei Jugend forscht mitmachen, deswegen bin ich besonders froh über diese Auszeichnung“.

Unverfälschte Messdaten

Den dritten Platz holten sich drei Rostocker: Der 18-jährige Tizian Holzhausen, der 16-jährige Lennart Köhnke und der 17-jährige Niklas Dehne entwickelten eine Methode zur Verbesserung der Ausrichtung von Windrädern. „Viele Windräder produzieren nicht so viel Energie wie sie eigentlich könnten“, schilderte Tizian das Problem. Damit ein Windrad möglichst viel Strom liefern kann, sollte sein Rotor, der sich in jede Himmelsrichtung drehen lässt, optimal im Wind stehen. Um diese Drehungen zu steuern, ist das Windrad mit einem Windmessgerät ausgerüstet. Das Problem dabei: Der Sensor des Windmessgerätes ist hinter den Rotorblättern platziert, die Messdaten werden dadurch zum Teil verfälscht.

Mit diesem Effekt haben sich die Jungforscher auseinandergesetzt, versucht eine Lösung zu finden, damit man genauere Daten erhält. Ihre Methode: Sie befestigen ein Windmessgerät an einem speziellen Kastendrachen und ließen den neben einem Windrad steigen – und die Ergebnisse wichen tatsächlich von denen des Sensors ab, wie die Daten auf dem Smartphone zeigten. Die Software-App und die Auswertungs-App haben sie übrigens auch selbst entwickelt.

An diesem Projekt zeigte sich besonders Paule interessiert und fragte nach, wie es mit dem Drachen und starken beziehungsweise schwachen Wind aussieht. Die Erfinder hatten sofort eine Antwort parat: Bei schwachem Wind gebe es ja die Abweichung nicht, das Problem bei schwachem Wind sei einfach, dass der Drachen schwieriger in der Luft bleibt. Doch auch dafür haben sie bereits eine Lösung im Kopf: „Mit Helium kann man dafür sorgen, dass er auch bei schwachen Luftströmen oben bleibt“, lächelte Tizian – und das faszinierte den Rathauschef: „Ich bin beeindruckt, auf was man alles kommen kann“. Die drei Jungs durften sich übrigens nicht nur über den dritten Platz freuen, sondern auch über eine Einladung vom Verein der deutschen Ingenieure zur iENA, Internationale Fachmesse Ideen, Erfindungen, Neuheiten.

Bürgermeister Stephan Paule gratulierte den Preisträgern und übergab ein kleines Präsent.

Und was haben die jungen Erfinder bei ihrer Arbeit so gelernt? Das man auch mit selbstständigen Arbeiten weit kommt, aber auch gute Teamarbeit wichtig ist und, dass es auch manchmal wirklich anstrengend seien kann: „Ich habe manchmal nachts nur zwei Stunden geschlafen, weil ich mich mit der Dokumentation des Projektes auseinandergesetzt habe“, lachte Lea.

3 Gedanken zu “Was Windräder, Druckluft und Rehkitze gemeinsam haben

  1. Es ist doch faszinierend, wie es Oberhessen live immer wieder gelingt, auch den fachlich speziell interessierten Leser, der ganz in der Welt der konkreten Dinge lebt, für anspruchsvolle Themen zu begeistern. Nicht nur Fabrikat und Typ des zur Leckage-Simulation eingesetzten Kompressors hätte dringend der Erwähnung bedurft. So würde mich auch die Bezugsquelle des Heliums interessieren, mit dem der oben beschriebene Kastendrachen (bitte beim nächsten Mal Bastelanleitung hinzu fügen!) mit dem Messgerät (Hersteller? Vertrieb? Artikel-Nummer?) auch bei schwachem Wind in Position gebracht werden kann. Und welches sind die häufigsten Fabrikate der Mähdrescher, denen pro Jahr rund 100.000 Rehkitze (haben die vielleicht Namen, ich meine außer „Bambi“) zum Opfer fallen? Also ein paar Details mehr, werte OL-Redakteure, könnte man schon erwarten. Oder?

  2. Ist der Braindrain – das Abwandern von Sachverstand und Expertenwissen bzw. der überdurchschnittlich Intelligenten und gut Ausgebildeten – auch ein allgemeines Problem der Region Mittelhessen, so wirkt sich dieser im Vogelsberg besonders stark aus. Dies wurde erst jüngst wieder durch die Reklameseite https://www.vogelsberg.de unter Beweis gestellt. So wird man wohl kaum einen Braingain, also die Zuwanderung von Intelligenz, bewirken. Da ist es doch schön, wenn der Braingain wenigstens mal besuchsweise vorbei kommt, wie jetzt im Alsfelder Rathaus.

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