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Dr. Martin Böhm eröffnet Ärztehaus im ehemaligen Brauerschwender BürgerhausMit einem Ärztehaus gegen den drohenden Ärztemangel

BRAUERSCHWEND (ls). Wer im Vogelsberg einen Hausarzt sucht hat es schwer, denn die sind auf dem Land mittlerweile eher selten geworden. Und Prognosen zufolge wird das nicht besser, sondern schlechter werden. Die Gesellschaft sucht nach Lösungen. Eine davon ist ein Ärztehaus – und ein solches wurde am Mittwoch in Brauerschwend eröffnet.

Ende des vergangenen Jahres sah sich die Gemeinde Schwalmtal vor ein Problem gestellt: Der Allgemeinmediziner Dr. Wolfgang Löschner, der zusammen mit seinem Medizinerkollegen Dr. Martin Böhm „Am Wieshof“ in Brauerschwend eine Gemeinschaftspraxis führte, ging in den Ruhestand. Ein Nachfolger war nicht in Sicht. Ärzte, besonders in den ländlichen Räumen, sind mittlerweile eine Seltenheit. Das gibt auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zu bedenken und führt unter anderem auf, dass immer weniger junge Ärzte bereit seien, sich als Vertragsarzt im ländlichen Raum niederzulassen.

Die Gründe dafür seien vielfältig: Schwache Infrastruktur auf dem Land gehören genauso dazu wie hohe bürokratische Hürden in der Finanzplanung für eine Praxis. Die Folge: In den Ballungszentren gibt es ein Überangebot an Ärzten und die ländlichen Gegenden gehen leer aus. Bis 2030 erwartet die KBV einen erheblich sinkendes Angebot, besonders bei den Hausärzten.

Der Hausärztliche Versorgungsgrad in %, Mittelbereiche, 2017. Quelle: WIGeoGIS, Geodaten: MB Research/OpenStreetMap; BPL-Umfrage der KVen, 31.12.2017, KBV unter folgendem Link. Screenshot: ol

In den vergangenen Jahren wurden vermehrt neue Regelungen eingeführt, die den Arztberuf wieder attraktiv machen und eine Unterversorgung frühzeitig verhindern sollen. Auch finanzielle Anreize gibt es – auch vom Vogelsbergkreis, der Stipendien an angehende Mediziner vergibt, die sich nach dem Studium dazu verpflichten, sich im Kreis niederzulassen. Allzu schlecht geht es dem Vogelsbergkreis dabei allerdings noch nicht. Wie die KBV in einer Statistik vom 31. Dezember 2017 zeigt, ist sowohl der Altkreis Alsfeld mit einem Versorgungsgrad von 111,4 Prozent, als auch der Altkreis Lauterbach mit einem Prozentsatz von 111,1 Prozent derzeit noch sehr gut versorgt – im Bereich der Hausärzte.

Die Entscheidung: Etwas Neues oder aufhören?

Dennoch: Einem drohenden Ärztemangel muss man vorbeugen. Deshalb entstehen in vielen kleineren Gemeinden Ärztehäuser, wie im ehemaligen Brauerschwender Bürgerhaus in der Kirchstraße, das an diesem Mittwoch offiziell eröffnet wurde. Durch den Ruhestand seines Medizinerpartners stand Böhm vor einer Entscheidung: Etwas Neues machen oder aufhören? Mit dieser Frage ist er allerdings erst zur Gemeinde selbst gegangen.

Dr. Martin Böhm bei der Eröffnung des Ärztehauses. Fotos: tsz

„Die Gemeinde ist natürlich nicht dafür zuständig, sich um Ärzte zu kümmern. Das macht normalerweise die Kassenärztliche Vereinigung, die bedarfsgerecht verteilt. Das ist aber schon lange nicht mehr Realität“, sagt Schwalmtals Bürgermeister Timo Georg. Damit nicht auch noch Böhm gehe, habe man sich in der Gemeinde zusammengesetzt und sich Gedanken gemacht. Gekommen ist man auf das ehemalige Bürgerhaus, das als neues Praxisgebäude vermietet werden sollte. Einstimmig wurde das Vorhaben von der Gemeindevertretung im November beschlossen.

„Es ist natürlich mit eine Idee gewesen, jungen Leuten hier auf dem Land eine Perspektive zu schaffen, diese in die Region zu locken. Da geht es in erster Linie mit darum, dass die ärztliche Versorgung langfristig gesichert wird“, ergänzt Dr. Martin Böhm. Böhm ist als Arzt ein Allrounder. Er ist nicht nur als Allgemeinmediziner tätig, sondern auch als Internist, Palliativmediziner, Arzt für Geriatrie, Sportmedizin und Ernährungsmedizin. Aber auch EKGs und Ultraschalle führe er durch und beschäftige sich mit Schlafapnoe.

Noch Platz für weitere Mediziner

In dem Haus ist noch genug Platz – für abgeschlossene und gemeinsame Praxen. Modern sollten sie sein. Für den Umbau wurden 275.000 Euro investiert. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis – vor allem weil es innerhalb so kurzer Zeit umgesetzt wurde. Das Ganze kann sich definitiv sehen lassen“, freut sich Bürgermeister Georg. Erst Mitte Februar gingen die Bauarbeiten im ehemaligen Bürgerhaus los.

Das neue Wartezimmer im Ärztehaus in Brauerschwend.

Momentan gebe es zwar noch keinen zweiten Arzt, Platz sei allerdings da. „Ich würde mich freuen, wenn sich jemand entschließt, mit hier rein zu kommen“, sagt Dr. Böhm über die Zukunft des Schwalmtaler Ärztehauses. Damit rückt man vor dem befürchteten Ärztemangel wieder ein Stück zurück.

Weitere Eindrücke von dem neuen Ärztehaus:

2 Gedanken zu “Mit einem Ärztehaus gegen den drohenden Ärztemangel

  1. @ Kröti & Pleti
    Vielleicht liegt es daran, dass hier ein niedergelassener Mediziner Hand in Hand mit einer engagierten Gemeindeverwaltung gehandelt hat und nicht irgendwelche windigen Beratungsbüros oder Spezialkanzleien eingesetzt wurden, die oft viele Jahre planen, informieren und beraten und am Ende doch nichts zuwege bringen. Kunststück: Die Beratungshonorare sind zumeist nicht erfolgsabhängig und summieren sich schön auf, je länger das „Projekt Ärztehaus in …“ läuft. Je dämlicher die Gemeinde, desto größer der Profit der „Berater“.

  2. Warum schafft man das in Brauerschwend, in Ulrichstein aber seit fast zehn Jahren nicht? Grübel, grübel.

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