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Bundesverfassungsgericht erklärt Grundsteuerberechnung für verfassungswidrigGrundsteuer-Urteil: Was Sie nun wissen sollten

VOGELSBERG (ls). Die Berechnungsart der Grundsteuer ist verfassungswidrig und muss bis Ende 2019 neu geregelt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an diesem Dienstag geurteilt. Die Steuer kommt Kommunen zugute und betrifft auch sehr viele Menschen im Vogelsberg – quasi jeden, der ein Dach über dem Kopf oder ein Grundstück hat. Wir erklären, für wen es jetzt teurer werden könnte.

Der Grund für das Urteil der Richter: Die Einheitswerte für Grundstücke und Häuser, die eigentlich alle sechs Jahre angepasst werden müssten, wurden seit mittlerweile über 50 Jahren nicht verändert. Bei der Berechnungsgrundlandlage der Steuer ist also etwas in Schieflage geraten. „Dadurch ist es teilweise möglich, dass Besitzer neuer, größerer Häuser, das gleiche zahlen wie Besitzer älterer und kleinerer Häuser“, erklärt die Verbandsdirektorin Eva-Maria Winckelmann vom Deutschen Mieterbund Landesverband Hessen. Das verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, urteilten die Richter in Karlsruhe.

Auch gibt es enorme Unterschiede von Region zu Region. Beispielsweise kann es sein, dass Eigentümer von Grundstücken in bevorzugter Lage das gleiche zahlen wie Häuser in weniger bevorzugter Lage. Diese Ungerechtigkeit soll sich durch eine neue Berechnung ändern. Zwar ist die Bemessungsgrundlage bundesweit einheitlich geregelt, allerdings kann jede Kommune mit dem so genannten Hebesatz die tatsächliche Höhe der Steuer bestimmen.Vermieter können die Steuer auf Mieter umlegen. In Alsfeld gilt für beide Grundsteuerarten ein Hebesatz von 485 Prozent. Die Grundsteuer A wird für land- und forstwirtschaftliches Vermögen erhoben, die Grundsteuer B für bebaute oder bebaubare Grundstücke.

Paule: Das Urteil war zu erwarten

Damit bewegt sich die Stadt Alsfeld im hessischen Mittelfeld, wie Bürgermeister Stephan Paule erklärt. Im Jahr 2018 erwarte die Stadt dabei Einnahmen von knapp 3,5 Millionen Euro. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer war erwartbar, weil an vielen Stellen die auf Einheitswerten basierte Grundsteuer zu Ungleichbehandlung geführt hat“, sagt Paule. So könne es vorkommen, dass vergleichbare Gebäude unterschiedlich besteuert werden. Er erwarte, dass bestehende Gerechtigkeitslücken geschlossen werden, denn im aktuellen System der Gemeindefinanzierung sei die Grundsteuer für Kommunen unverzichtbar. „Eine Reform darf aber nicht zu Lasten der Menschen im ländlichen Raum gehen“, erklärt er.

Aktuell berechnet sich die Grundsteuer aus drei Schritten. Für jedes Grundstück gibt es einen Einheitswert, der vom Finanzamt ermittelt wird. Diese Einheitswerte sind veraltet und sorgen nun für die vom Gericht angeprangerte Ungerechtigkeit. Eigentlich war angedacht, den Einheitswert alle sechs Jahre neu zu ermitteln. Doch bei gut 35 Millionen Grundstücken in Deutschland ist das ein enormer Aufwand. Deswegen ist es dazu nicht gekommen.

Der Einheitswert wird mit der Grundsteuermesszahl – die je nach Art des Grundstückes oder Gebäudes variiert – multipliziert. Zum Schluss wird der dadurch errechnete Wert mit dem Hebesatz multipliziert.

Zwei verschiedene Modelle zur Neuregelung

Genaue Vorgaben, wie die Neuregelung auszusehen hat, gab es seitens des Verfassungsgerichts nicht. Das zu entscheiden ist nun Sache der Politik. „Um die Berechnung der Grundsteuer neu zu regeln gibt es aktuell zwei verschiedene Modelle. Einmal – und das bevorzugen wir vom Mieterbund – soll dabei nur der Bodenwert berücksichtig werden, also nur der Wert des Grundstückes“, sagt Wickelmann. Das andere Modell sehe vor, nicht nur die Grundstücks-, sondern auch die Gebäudegröße zu berücksichtigen. Dabei könne es gut sein, dass auf Mieter und Eigentümer deutlich höhere Kosten zukämen, heißt es von Mietervertretern. Die Mehrzahl der Bundesländer – darunter Hessen – macht sich für diese Art der Neuregelung stark. Ein entsprechender Gesetzesentwurf des Bundesrates liegt bereits schon länger beim Bundestag, wurde aber noch nicht beraten.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz erklärte im Fernsehen, er wolle die Grundsteuer ohne Steuererhöhungen umsetzen. Ein neues Konzept sehe vor, dass es nicht zu Steuererhöhungen für Grundeigentümer und Mietern komme. Mit „konstruktiven Geist wird uns das gelingen und natürlich mit der notwendigen Geschwindigkeit, die jetzt angesagt ist“, erklärte der SPD-Politiker. Dennoch könnte es Vertretern von Städten und Gemeinden zufolge sein, dass wer bislang wenig bezahlt, durch die Neuregelung stärker zur Kasse gebeten werde – und umgekehrt. Der genaue Ausgang: bislang noch unbekannt.

Erst ab 2019 Auswirkungen auf Bürger und Gemeinden

Bürgermeister Paule sieht das Urteil ähnlich wie Scholz  zunächst gelassen: „Da das Bundesverfassungsgericht dem Bund eine Frist bis 2019 gesetzt hat, wird erst die Änderung des entsprechenden Bundesgesetzes Auswirkungen auf Bürger und Gemeinden haben. Bis dahin bleibt es in ganz Deutschland beim bisherigen System“. Die Pflicht einer etwaigen Teilrückerstattung der Steuer aus Gerechtigkeitsgründen ist Paule zufolge in dem Urteil nicht vorgesehen.

Sicher ist allerdings, gibt es keine Einigung bei der Neuregelung, dann ist die Grundsteuer erst einmal weg. Für die Stadt Alsfeld wäre das ein Verlust von rund 3,5 Millionen Euro pro Jahr. Sollte es allerdings zu einer neuen Regelung der Berechnungen kommen, so bleibt den Finanzämtern noch bis 2024 Zeit, bebaute und unbebaute Grundstücke neu zu bewerten – ein zeitraubendes Verfahren, wie Mietervertreterin Wickelmann betont.

Ein Gedanke zu “Grundsteuer-Urteil: Was Sie nun wissen sollten

  1. Was nicht geschrieben wird ist ,dass man gegen die jetzige Grundsteuer Widerspruch einlegen kann und bis zur Neuordnung diese nicht bezahlen muss , jedoch diese dann rückwirkende nach bem neuen Gesetz.

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