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Außergewöhnlicher Einsatz für Tätowierer vom Alsfelder Tattoostudio Größenwahn TattooEine Liebe, die unter die Haut geht

ALSFELD/NEUKIRCHEN (ls). Ab wann ist man eigentlich zu alt für Tattoos? Wenn es nach Heiderose Hoffmann und Uwe Fieron geht, dann ist man nie zu alt dafür. Die zwei Senioren verbindet eine ganz besondere Liebe, die buchstäblich unter die Haut geht. Zu ihrer Verlobung haben sich die zwei vom Tattoostudio Größenwahn-Tattoo den Verlobungsring und die Anfangsbuchstaben ihrer Namen tätowieren lassen – und das alles im Aufenthaltsraum ihres Seniorenheims.

„Ich bin ganz aufgeregt und freue mich total“, sagt die 67-jährige Heiderose Hoffmann – die im Seniorenheim Munck in Neukirchen nur Heidi genannt wird –  und beißt ein letztes Mal in ihren Donut. Als sie fertig ist, fährt sie mit ihrem Rollstuhl an den Tisch, wo zuvor noch ihr frisch Verlobter Uwe Fieron saß und legt ihre Hand, die vor Aufregung leicht zittert, in die richtige Position. „Dann legen wir mal los“, sagt Tätowierer Pascal Jost vom Alsfelder Tattoostudio Größenwahn-Tattoos in die kleine Runde, die sich im Aufenthaltsraum des Neukirchener Seniorenzentrum Munk versammelt hat. Das leise, vertraute Summen der Tätowiermaschine erfüllt den Raum.

Erst wurde die Zeichnung auf die Hand übertragen, dann wurde der Ring gestochen. Fotos: ls

Bevor es losgeht, kommen zwei große, stämmige Männer mit schwarzen Rocker T-shirts und vielen Tattoos zur Tür des Seniorenheims rein. Unter den Armen eine Kiste voller Nadeln, Desinfektionsmittel und Farbe. Pascal Jost und Stephan Campo Dell’Orto sind Tätowierer. Konzentriert gehen sie die Treppe rauf und betreten den Aufenthaltsraum. Es ist ein dunkles Zimmer, also stellen sie eine Lampe auf und bereiten ihren Arbeitsplatz sorgfältig vor. Alles wird desinfiziert und griffbereit platziert.

„Normalerweise sieht unser Arbeitsplatz ein bisschen anders aus“, sagt der 46-jährige Stephan Campo Dell’Orto. Das hier sei der erste Hausbesuch, den sie machen. Sonst kommen die Kunden zu ihnen ins Studio in der Alsfelder Obergasse.

Heiderose Hoffmann: „Warum in unserem Alter warten?“

Doch dieses Mal musste die Nadel zu den Kunden kommen. Heiderose Hoffmann und Uwe Fieron sitzen im Rollstuhl. Seit einem Jahr ist die 67-Jährige nun schon im Seniorenheim, ihr 61-jähriger Partner schon seit 2012. Erst vor gut drei Monaten haben sie sich im Haus kennen und lieben gelernt. „Wieso in unserem Alter noch warten? Wir sollten die Zeit, die wir haben, nutzen und jeden Augenblick genießen“, sagt Heidi. Gesagt, getan: Es folgte die Verlobung – und für die haben sich die zwei etwas ganz besonderes ausgedacht. Echte Ringe sind ihnen nämlich schlichtweg zu langweilig.

Deshalb haben sie sich kurzerhand dazu entschieden, sich Ringe tätowieren zu lassen. „Ringe kann man abnehmen oder verlieren. Wir wollten etwas dauerhaftes – etwas, das nicht jeder hat“, sagt Fieron und betrachtet die vorbereiteten Zeichnungen der beiden Tätowierer.

Voll konzentriert: Tätowierer Pascal Jost bei der Arbeit.

Damals rief Heiderose im Alsfelder Tattoostudio an und machte einen Termin, heute geht er den ersten Schritt und bringt seinen Rollstuhl in Position. „Ich habe erst gedacht, das sei ein Scherz, als Frau Hoffmann bei uns anrief und einen Termin im Seniorenheim ausmachen wollte“, erinnert sich Campo Dell’Orto während er die restlichen Utensilien platziert. Also rief er bei der Heimleitung an und sicherte sich ab. „Es stimmte wirklich“, erinnert sich auch Jost, „da haben wir nicht schlecht gestaunt“.

Glück hatte das Paar nicht nur bei den Tätowierern, sondern auch mit der Tattoo-Leidenschaft von Nadine Franz-Munk, der examinierten Altenpflegerin und Heimleiterin des Seniorenheims in Neukirchen. Die hatte hatte das Paar nämlich erst auf das Alsfelder Tattoostudio gebracht. „Frau Hoffmann hat immer die Tattoos bestaunt und dann habe ich ihr gesagt, dass ich meine in Alsfeld stechen lasse und sie griff zum Hörer und rief an“, sagt Franz-Munk.

Eine kleine, aber feine Verlobungsfeier

Das traf sich gut, denn Hoffmann selbst stammt gebürtig ebenfalls aus Alsfeld. „Ich fand die Verbindung sehr schön“, sagt sie und freut sich, dass alle im Seniorenheim sie dabei unterstützen. Eigentlich hätte das ganze Szenario erst um Weihnachten herum stattfinden sollen, doch Größenwahn Tattoo aus Alsfeld half dabei, den Wunsch schneller zu verwirklichen. „Je schneller, desto besser“, ist sich das Paar einig. Auf den Wunsch der beiden fertigten die Alsfelder Tätowierer zwei Ring-Motive an, dazu filigran gezeichnet die Anfangsbuchstaben der Namen der beiden, die mit der Nadel auf die Ringfinger gemalt werden sollen.

„Es ist keine Herausforderung ältere Menschen zu tätowieren, es ist einfach etwas Besonderes – gerade dieser Termin. Das bekommt man nicht oft zu sehen“, sagt Jost, während er die Maschine bereit macht. Angenehm überrascht sei er über der Akzeptanz für Tattoos, die mehr und mehr zunehme – auch im Alter. Für Heiderose und Uwe sind das nicht die ersten Tattoos, beide haben bereits Farbe unter der Haut. „Und das wird auch nicht unser letztes Tattoo sein“, versichert sie.

Heiderose wartet gespannt und aufgeregt auf ihren Ring.

Erst kommt Uwe Fieron unter die Nadel und lässt sich den feinen Ring tätowieren. Aufgeregt ist er nicht. Gelassen setzt er sich auf den Stuhl und verzieht keine Mine, als Tätowierer Pascal Jost die Nadel ansetzt. Langsam arbeitet er sich am rechten Mittelfinger voran. Zwischendurch taucht er die Nadel immer wieder in die schwarze Farbe und tupft den Finger ab. Schnell sind die ersten Konturen des Rings zu erkennen, dessen Schnörkel in der Mitte ein kleines Herz bilden. Aufgeregt rollte Heiderose näher ran. „Zeig mal“, will sie den Fortschritt sehen und beugt sich lächelnd über seine Hand, während Tätowierer Pascal die Nadel am anderen Ringfinger ansetzt.

„Das sieht so toll aus“, sagt Heiderose und streicht ihrem Verlobten liebevoll über die Hand. Gut 20 Minuten später ist das Werk vollbracht und Fieron betrachtet stolz seine Finger. In feinen Linien zeichnet sich auf dem rechten Ringfinger ein Ring mit einem kleinen roten Herz und auf dem linken ein H ab. „Ich hab kaum was gemerkt“, lacht er und rollt beiseite, um Platz für Heiderose zu machen. „Jetzt gibt es kein zurück mehr“, sagt er noch.

Heiderose Hoffmann betrachtete das Tattoo ihres Verlobten.

Und wieder beginnt das typische Summen der Tätowiermaschine, während Heiderose unentwegt aufgeregt auf die eigenen Finger schaut und ihr Verlobter ihr unterstützend den Arm streichelt. Eine Liebe, die – der Kalauer sei an dieser Stelle erlaubt – buchstäblich unter die Haut geht.

Weitere Eindrücke:

Ein Gedanke zu “Eine Liebe, die unter die Haut geht

  1. Außergewöhnlich und einfach nur schön ist diese anrührende Geschichte der beiden Senioren. Ich wünsche den beiden von Herzen eine lange & schöne gemeinsame Zeit.
    Die Einstellung der Leiterin des Seniorenheimes ist m.E. vorbildlich und zeugt davon, daß man sich dort tatsächlich Gedanken um die Bewohner macht und ihre Wünsche & Bedürfnisse ernst nimmt.

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