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„Aktuelle Runde“ an der Albert-Schweitzer-Schule beleuchtete den Syrien-Konflikt mit Hilfe des Konfliktforschers Dr. Johannes BeckerIn Verhandlungen die Rolle des Gegenübers bedenken

ALSFELD (ol). Die „Aktuelle Runde“ an der Albert-Schweitzer-Schule richtet sich an Schüler der gymnasialen Oberstufe. Sie ist ein Angebot des gesellschaftswissenschaftlichen Fachbereichs und soll Aufmerksamkeit und Kompetenzen für aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen schärfen.

Das Thema „Syrienkonflikt“ stand vor wenigen Tagen auf der Tagesordnung der „Aktuellen Runde“ in der Aula des Oberstufenstandortes an der Krebsbach. Vorbereitet hatten die Veranstaltung die beiden Fachlehrer Michael Baumarth und Dr. Peter Philipp gemeinsam mit dem PoWi-LK der Q4, berichtete die Albert-Schweitzer-Schule in einer Pressemeldung.

Fachbereichsleiter Holger Palm habe die „Aktuelle Runde“ mit dem Hinweis auf die anhaltende Brisanz des Themas und dessen Bedeutung für die deutsche Politik und Gesellschaft eröffnet. Als Einstieg hätten die Schüler des Leistungskurses verschiedene Materialien über die Grundlagen des Syrienkonfliktes erarbeitet, die sie den Gästen in der Aula vorstellten. Hierbei sei die Situation in Syrien vor Ausbruch des Bürgerkrieges beleuchtet worden. Sie stellten die Geographie des Landes vor, das seine teils wie mit dem Lineal gezogene Grenzen als Folge der Aufteilung des Osmanischen Reiches an England und Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg erhielt. Die Abiturienten seien auch auf die Folgen des seit nunmehr sechs Jahren anhaltenden Bürgerkriegs eingegangen; sie hätten das Leid der Menschen ebenso wie die Zerstörungen im Land gezeigt.

Als Experten zu diesem Thema hatte die Schule mit dem Konfliktforscher Dr. Johannes Becker von der Philipps-Universität Marburg einen Partner gewonnen, der den Konflikt aus Sicht der Friedens- und Konfliktforschung beleuchtete: Wie kann ein solcher Konflikt entstehen? Woher bezieht er seine Dynamik und vor allen Dingen: Wie kann man ihn lösen?

Für Verhandlungen im Syrienkonflikt plädierte der Friedens- und Konfliktforscher Dr. Johannes Becker in der Aktuellen Runde in Alsfeld.

Dr. Becker habe dafür plädiert, in den Betrachtungen des Konflikts keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen, weil man selbst auf einer bestimmten Seite stehe: Welche Motivation haben Russen oder Amerikaner, sich in den Konflikt einzumischen, so eine der vielen Fragen. Auch die Vorwürfe beispielsweise, wer wann gegen wen Giftgas eingesetzt habe, könnten nicht kurzfristig und umfassend geklärt werden, woraus sich wiederum die Frage nach der Richtigkeit eines militärischen Gegenschlags stelle. Der Konfliktforscher, selbst Major der Reserve und kein erklärter Pazifist, habe daran erinnert, was militärische Intervention von Großmächten in Krisengebieten bisher für Folgen gehabt hätten: Soziale Infrastrukturen seien beispielsweise im Irak, in Libyen oder auch in Afghanistan erst dadurch völlig zerstört worden. Der Intervention sei nach einem vermeintlichen Sieg – der Vertreibung der Diktatoren – kein Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung gefolgt, die Bevölkerung leide hier mehr denn je.

Aus diesem Grund habe sich Dr. Becker überzeugt davon gezeigt, dass militärische Intervention in Syrien nicht zum Erfolg führen werde. „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen“, zitierte der Redner Helmut Schmidt und plädierte dafür, dazu auch einmal die Rolle des Gegenübers einzunehmen, um dessen Sichtweise zu verstehen – das sei auch in anderen Konflikten durchaus angebracht, etwa ganz aktuell dem zwischen den USA und Nordkorea.

Hochinteressant auch für das Podium waren sowohl die Ausführungen des Redners als auch die Darstellung der Konfliktparteien in Syrien.

Mit dem sogenannten IS zu verhandeln, sei schwierig bis unmöglich, räumte der Experte mit Blick auf den Nahen und Mittleren Osten ein. Hier habe er empfohlen, die Strukturen der Terrororganisation auszutrocknen: Konten einfrieren, Waffenlieferungen besser kontrollieren, Öl-Käufe vermeiden. „Kann man aber bis dahin zuschauen, was in Syrien passiert?“, war eine Frage aus dem Podium. Manchmal müsse man Leid aushalten, so die Antwort Dr. Beckers. Als Utopie präsentierte der Politologe eine Idee des norwegischen Friedensforschers Johann Galtung, der sich eine Vereinigung im Nahen und Mittleren Osten analog der EU vorstellen konnte.

Viel Stoff zu diskutieren hatten die jungen Erwachsenen nach diesem interessanten und ungewöhnlichen Input. Sie hätten die Gelegenheit genutzt, den Perspektivenwechsel im Anschluss zu üben, und erörterten die aufgeworfenen Fragen engagiert und intensiv. Als Vertreter der Konfliktparteien Türkei, Deutschland, USA, Saudi-Arabien auf der einen Seite und Iran, Assad und Russland auf der anderen Seite versuchten sie dem Konflikt neue Facetten zu geben und wie von Dr. Becker initiiert, einmal eine andere Sichtweise für die Auseinandersetzung mit dem Thema in Betracht zu ziehen. Eine aufschlussreiche und interessante Annährung an den Syrienkonflikt – da waren sich am Ende der Aktuellen Runde alle Beteiligten der ASS einig.

Der Perspektivenwechsel im Syrienkonflikt war eine Aufgabe der Gruppenarbeit, die Dr. Becker unterstützte.

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