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ENGLAND VON INNEN: Die Deutsche Bahn will Fußballhooligans nicht mehr befördern. In England gibt es schon seit 15 Jahren harte Sanktionen für auffällige FansWer schubst, bekommt ganz schnell Pubverbot

ALSFELD/ENGLAND. Reiseverbot für gewaltbereite Fußballfans: Die Bahn will polizeibekannte Hooligans nicht mehr in ihre Zügen lassen. Gut 300 Krawallmacher sollen von der Regelung betroffen sein. Unser Redakteur Juri Auel ist gerade in England. Er berichtet: In Großbritannien ist so etwas schon seit 15 Jahren möglich. Fans müssen seitdem gut aufpassen. Es herrscht eine Null-Toleranz-Politik. Schon ein wenig Drängeln in der Reihe kann zu empfindlichen Strafen führen.

In den 1960er Jahren fing die Gewalt an, den englischen Fußball zu regieren. Randale und Schlägereien gehörten zu einem ordentlichen Match dazu wie die Torpfosten und die Pfeife des Schiris. Auch bei Auswärtsspielen der Nationalelf sorgten Fans von der Insel häufig für Ärger. Zur Jahrtausendwende reagierten die Politiker im Mutterland des Fußballs schließlich. Für Wales und England wurde eine Gesetzesform verabschiedet, welche den Fußball sicherer machen sollte. Mittlerweile haben Schottland und Nordirland nachgezogen.

Der „Football Offences and Disorder Act“ kennt ziemlich strikte Regeln. Wer in einem Zeitrahmen von 24 Stunden vor und nach dem Spiel auffällig wird, kann mit einem Fußball-Bann, im Englischen “Football Banning Order“, belegt werden. Von was genau der Betroffene verbannt wird, entscheidet ein Gericht individuell. Wichtig ist nur, dass sein Vergehen sich in irgendeiner Weise mit Fußball in Verbindung bringen lässt.

Mindestdauer für den Bann: drei Jahre

Die Strafen reichen vom einfachen Stadionverbot über die Auflage, an Spieltagen nicht mit Bus oder Bahn zu fahren, bis hin zum Verbot zu dieser Zeit bestimmte Pubs aufzusuchen. Einige Fans müssen sogar ihren Pass abgeben und sich bei der Polizei melden, wenn die englische Nationalmannschaft auswärts spielt. Die Mindestdauer des Banns beträgt drei Jahre, nach maximal zehn wird er aufgehoben. Wer sich nicht an die Auflagen hält, kann für bis zu sechs Monate ins Gefängnis kommen.

Die Schwelle der Vergehen, ab der ein Fan mit einem solchen Bann belegt werden kann, ist vergleichsweise gering. Schon leichtes Schubsen in der Warteschlange oder das Beschimpfen eines Ordners kann dazu führen. Ein Grund, weshalb Fanverbände wie die Football Supportes’ Federation sich gegen die harten Regeln wehren. Gewalt im Fußball trete nur gelegentlich auf und sei von einer Minderheit verursacht. Die scharfen Gesetze seinen Mittel um „jeden Fußballfan des Landes zu bestrafen“, sagt Amanda Jacks, die für die Fanvereinigung Betroffene berät. Die Leute würden denken, einen Bann gäbe es nur bei krassen Gewalttaten. „Dabei kann schon verbannt werden, wer betrunkem am Stadion erwischt wird“. Zwar gäbe es rund um den Fußball weniger Festnahmen, es fehle aber an einem „signifikanten, wissenschaftlichen Nachweis“, dass diese Entwicklung mit der Möglichkeit des Banns zusammenhängt.

Hilft Fußballfans, die verbannt wurden: Aktivistin Amanda Jacks. Foto: privat

Hilft Fußballfans, die verbannt wurden: Aktivistin Amanda Jacks. Foto: privat

In der Saison 2009/10 wurden laut Innenministerium für England und Wales 3391 Festnahmen mit Bezug auf Fußball registriert. 3248 Fans wurden mit einem Bann belegt. Fünf Jahre später gibt rund 1000 Festnahmen weniger, auch die Anzahl der verbannten Zuschauer ist um rund 1000 gesunken. Mit 127 Banning Orders in der vergangenen Saison kassierten die Fans des Premiere League-Vereins Newcastle United die meisten Strafen. Die Statistik erfasst alle Ligen, auch ausländische Fans, die sich daneben benehmen, tauchen darin auf. So traf es 2012/13 unter anderem zwei Fans von Zenit St. Petersburg und Schalke 04.

Beleidigende Lieder sind verboten

Rob Stanley ist der Sicherheitschef von Torquay United in Südengland. Er meint: „Ja, die harten Regeln haben dem englischen Fußball gut getan.“ Im Stadion des Nationaligisten Torquay United, welches Platz für 6000 Zuschauer bietet, gibt es keine Stehplätze. Fangesänge mit rassistischem oder homophoben Inhalt sind eigentlich verboten. „Aber wenn eine Gruppe aus mehreren hundert Mann dasselbe Lied singt, sind die schwer zu stoppen.“ Daher greifen Rob Stanley und seine Ordner nur wirklich ein, wenn es zu heftigen Beleidigungen gegen Spieler oder Schiedsrichter kommt. Geht Fußball überhaupt ohne so etwas?

Im Video: Der Tag eines Auswärtsfans in Torquay

Für jeden Polizisten, der am Stadiongelände eingesetzt wird, muss der Verein bezahlen. Die schärferen Vorschriften haben die Atmosphäre im Stadion auf jeden Fall verändert, sagt Rob Stanley. Nicht jeder Fan ist darüber glücklich. „Familien fühlen sich so aber sicherer“.

Unterstützung bekommt die Bann-Kritikerin Amanda Jacks vom Psychologen Dr. Clifford Stott. Er ist der Ansicht, die Psychologie habe inzwischen einiges über Gruppendynamiken hinzu gelernt. Mit diesen Erkenntnissen ließen sich Fußballfans von Seiten der Polizei besser lenken und verstehen, Konflikte könnten besser vermieden werden. Es sehe also nur auf den ersten Blick so aus, als würde die Möglichkeit des Banns den Fußball friedlicher machen.

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