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Alsfelder Kneipenlandschaft im Umbruch - „Zum Brünnchen“ und „Irish Pub“ schließenKlare Worte: Brünnchen geht, Kännche bleibt

ALSFELD. Die Gerüchteküche brodelt mal wieder eifrig: Kneipensterben in Alsfeld!? Dem ist nicht so, sagen zumindest die Verantwortlichen der Stadt – auch wenn der Weinkeller „Zum Brünnchen“ am Wochenende schließt, ebenso das Irish Pub nach dem Stadtfest. OL hat nachgefragt, Fakt ist: Die einen gehen, dafür kommen andere – und das beliebte „Kännche“, das bleibt. Definitiv!

„Der momentane Kneipenabgesang ist nicht richtig. Aber es stimmt schon, dass es einige Veränderungen gibt“, bestätigt Alsfelds Wirtschaftsförderer Uwe Eifert. Besagte zwei Gastwirtschaften würden tatsächlich schließen. „Dafür haben aber im vergangen Jahr zwei neue aufgemacht – das Laternchen und Plan B.“

Gleichzeitig gäbe es in den letzten Wochen vermehrt Anfragen von jungen Leuten, die selbst etwas auf die Beine stellen möchte und das Gespräch und Unterstützung bei Uwe Eifert suchen. Und: Sogar das „Brauhaus“ am Bahnhof, das schon länger leer steht, sei jetzt an einen Investor verkauft worden – es finde einfach ein Umbruch in der Kneipenkultur Alsfelds statt.

Gemütliche Atmosphäre: Der Blick ins Publikum an einem gut besuchten Abend im Brünnchen. Damit ist es jetzt vorbei. Archivfoto: aep

Gemütliche Atmosphäre: Der Blick ins Publikum an einem gut besuchten Abend im Brünnchen. Damit ist es jetzt vorbei. Archivfoto: aep

„Es gibt mehr Kneipen in Alsfeld, als man auf den ersten Blick denkt“, stellt Bürgermeister Stephan Paule fest. Die Nachfrage sei groß, viele forderten mehr Kneipen. Gleichzeitig sei allerdings sonntags ab 21 Uhr überall kaum noch was los.

Auf den zweiten Blick: Es gibt mehr Kneipen und Gastwirtschaften als gedacht

„Es gibt noch ein klassisches Bierkneipen-Klientel hier, aber es werden immer weniger“, weiß das Stadtoberhaupt. „Die Frage ist, was versteht man darunter? Eine richtig urige Kneipe, wo man sagt „schieb mal ein ordentliches Bier rüber“, Gastwirtschaften bei denen man auch Kleinigkeiten essen kann oder auch Speiselokale, in die man auch gehen kann, wenn man nur etwas trinken möchte?“

In Alsfeld gibt es das alles – von klassischen Kneipen wie „Der Treffpunkt“, „Das Turmstübchen“ oder das „Hessestibbche“ über Motto-Lokale wie „Ramspecks Weinkeller“, „Rockkeller Arglarond“ oder die „Cocktailbar Carribean 13“ bis hin zu Gaststätten, die sowohl Kneipe als auch Restaurant sind beziehungsweise kleine Speisekarten führen – beispielsweise das „Mainzer Tor“ oder die „Gemütlichkeit“. Und dann sind da noch die vielen bürgerlichen, modernen oder internationalen Restaurants, Cafés und Eisdielen – überall kann man seinen Durst löschen und Hunger stillen.

Übernimmt die Stadt Alsfeld den Weinkeller „Zum Brünnchen“?

Doch zurück zu den zwei Lokalen, die jetzt tatsächlich schließen. „Zu 90 Prozent bleibt der Weinkeller für immer geschlossen“, bestätigt Lucie Waschkewitsch, die 79-jährige Besitzerin des Lokals, auf Anfrage. „Meine Hoffnung ist, dass die Stadt den Weinkeller übernimmt, wir sind gerade im Gespräch – dann könnte ich mir eine weitere Vermietung vorstellen.“

Haben lange gemeinsam den Weinkeller "Zum Brünnchen" betrieben: Die Eheleute Hans und Heike Braun aus Alsfeld. Archivfoto: aep

Haben lange gemeinsam den Weinkeller „Zum Brünnchen“ betrieben: Die Eheleute Hans und Heike Braun aus Alsfeld. Archivfoto: aep

Die Stadt Alsfeld hat tatsächlich Interesse daran, dass das Brünnchen weiterbetrieben wird, bestätigen Bürgermeister und Wirtschaftsförderer. „Für unsere Stadtrundgänge und Spezialitätenführungen ist das Brünnchen eine bedeutende Anlaufstelle“, begründen die Beiden ihre Überlegungen.

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Das Brünnchen hat bereits seit zwei Monaten geschlossen. Der Wirt, Hans Braun, sei laut der Eigentümerin schon länger krank. Nun sei auch seine Frau Heike angeschlagen, so dass sie den Weinkeller nicht mehr betreiben könne. Daher hätte das Ehepaar den Pachtvertrag offiziell zum Ende des Monats aufgelöst.

„Brauns haben aus dem Weinkeller eigentlich ein Nachtlokal gemacht, so etwas möchte ich nicht mehr“, stellt die rüstige Rentnerin klar. „Da muss ein neues Konzept her, eines, was auf Dauer funktioniert und wovon auch eine ganze Familie leben kann. Wenn sich kein Konzept und kein Pächter findet, lass ich es eben unverpachtet“, kündigt Lucie Waschkewitz an, die in den letzten Wochen laut eigenen Angaben bereits sehr viele Anrufe erhalten habe, wie bedauerlich es sei, dass der Weinkeller offensichtlich keine Zukunft habe. „Warten wir ab, was bei den Gesprächen mit der Stadt herauskommt.“

 

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Livemusik im Irish Pub: Ray Binder – auch die Zeiten sind vorbei. Foto: Archiv/privat

Nicht wirtschaftlich: Nach elf Jahren gehen dem Irish Pub die Gäste aus

Der Irish Pub hat in den letzten Monaten das erlebt, was auch dem Wirtschaftsförderer aufgefallen ist: „Unter der Woche geht kaum noch jemand aus.“ Nach über elf Jahren schließen Pächterin Daniela Geißel und ihr Lebensgefährte Uwe Küster die irische Gastronomie, da es die Wirtschaftlichkeit nicht mehr hergebe, den Pub weiter zu betreiben.

„Die Gäste bleiben aus, die Kosten können nicht mehr gedeckt werden“, mussten die beiden 50-Jährigen feststellen, die trotz vieler Live-Musikabenden und außergewöhnlichen Getränken im Sortiment nicht mehr Gäste akquirieren konnten. „Anfangs hatten wir täglich auf, dann nur noch ab Donnerstag. Und seit einem Jahr lohnt sich selbst das nicht mehr.“ Am Stadtfest – mit dem Rock am Kreuz – wird nun Schluss sein.

Kännche: Neues Konzept muss her – erste Ideen gibt es bereits

Definitiv nicht schließen – entgegen aller Gerüchte – wird das Kännche in der Alsfelder Obergasse. „Mein Pachtvertrag läuft noch länger als ein Jahr und diesen werde ich auch erfüllen“, stellt Werner Bettray, ebenfalls Pächter der „Gemütlichkeit“, klar. „Allerdings kann es sein, dass sich im Laufe des Jahres eine vernünftige Nachfolge ergibt, dann würde ich frühzeitig übergeben.“ Gespräche und Überlegungen dazu gäbe es tatsächlich – „da ist aber noch nichts spruchreif“.

Er selbst hätte sogar die Möglichkeit – das gebe der Vertrag her – das Kännche auch über das noch bestehende Jahr hinaus weiter zu betreiben. „Das muss ich mir allerdings überlegen, denn das Kännche war auf drei Angestellte konzipiert, die mir nach und nach abgebröckelt sind.“, so der Gastwirt, das sei jetzt die Schwierigkeit, mit der er zu kämpfen habe.

Hier können die Partys weiter gehen. Das Kännche bleibt bestehen. Archivfoto: jal

Hier können die Partys weiter gehen. Das Kännche bleibt bestehen. Archivfoto: jal

Die Personalsituation werde immer schwieriger und es sei ein Unterschied, ob man im Angestellten- oder Wirtsmodell arbeite. „Das Team in der Gemütlichkeit ist super, aber auch hier muss ich Anfang des Monats fragen‚ was könnt ihr mir diesen Monat anbieten‘ – ich richte mich nach den Terminen der Mädchen.“

Seit über zehn Jahren betreibt Bettray bereits erfolgreich die Gemütlichkeit. „In dem Gewerbe hat man einen 13 bis 14-Stunden Tag. So einfach, wie sich das viele vorstellen ist es nicht – es gehört weit mehr dazu, als die paar Stunden zu bedienen“, erläutert der 62-Jährige, warum es auch so schwierig sei, gutes Personal zu finden.

Ist die Eventgastronomie die Lösung für Erfolg?

In den letzten Wochen hatte das Kännche an wenigen Abendenden geschlossen – dadurch entstand wohl auch das Gerücht. „Ja, da hatte ich einfach niemanden – und ich kann ja nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.“ Allerdings hätten ihm ab und an mal Stammgäste ausgeholfen – beispielsweise an dem Abend, wo zwei von ihnen einen Eventabend unter dem Namen „Bömme-Party“ gefeiert hätten.

„Der Abend war gut. Für August habe ich bereits eine ähnliche Anfrage. Vielleicht könnte das ein neues Geschäftsmodell sein, dass ich an bestimmten Tagen in der Woche die Möglichkeit schaffe, dass andere die Gastwirtschaft betreiben – allerdings dann auch als offene Gesellschaft…. Das Kännche ist und bleibt für alle Alsfelder bestehen.“

In der Eventgastronomie sehen auch Stephan Paule und Uwe Eifert eine Zukunft. „Bisher gibt es noch keinen, der so etwas professionell betreibt. Da fehlt das gastronomische Unternehmertum. Was aber noch nicht ist, kann ja noch werden!“, blicken die Zwei positiv in die Zukunft. „Wir sind offen für neue Ideen, neue Gastronome und stehen gerne beratend und unterstützend zur Seite.“

von Anja Kierblewski

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