
Zu Besuch mit Schneidermeisterin Ruth Henkel im FundusDie Meisterin der Kostüme
ALSFELD (akr). Wenn man an das Alsfelder Wintermärchen denkt, dann darf neben den Namen von Johanna Mildner, Jenny Wagner und Inge Zuschlag einer ganz gewiss nicht fehlen – und das ist Ruth Henkel. Sie sorgt nämlich dafür, dass sich die Schauspieler auch optisch in ihre Rollen verwandeln. Mit der Meisterin der Kostüme zu Besuch im Fundus.
Viel Platz ist im Fundus am Klostergarten nicht. Kein Wunder, immerhin verbergen sich hier über 500 Kostüme und ganz nebenbei noch zahlreiche Requisiten. Auf den knapp 70 Quadratmetern einen Überblick zu behalten, mag für manch einen schwierig wirken. Intendantin Johanna Mildner und Schneidermeisterin Ruth Henkel kennen sich im Fundus der Marktspielgruppe aber bestens aus. Die vielen beschrifteten Boxen sind dabei sicherlich eine Hilfe.
„Nasen und Ohren“, „Barette“, „Jäger und Wolf“ oder „Brillen“ sind darauf unter anderem zu lesen. Alles hat hier seine Ordnung. Nur wie viele Kostüme hier tatsächlich zu finden sind, da kommen die beiden Damen ins Grübeln. Denn im Fundus werden nicht nur die ganzen Kostüme aus zehn Jahren Wintermärchen aufbewahrt, sondern beispielsweise auch die, die für Stadt- und Themenführungen gebraucht werden.
Es ist nicht nur ein Paradies für alle, die gerne in andere Rollen schlüpfen, sondern gleichzeitig auch eine Reise durch die Geschichte. Biedermeier, Renaissance, Mittelalter, Barock, die Französische Revolution: im Fundus trifft man auf die verschiedensten Epochen, Ereignisse und historische Persönlichkeiten – und natürlich auch auf allerhand bekannte und unbekanntere Märchenfiguren.
„Hier hängt einiges von mir“, sagt Henkel und lächelt, während die 58-Jährige in dem sehr schmalen Gang zwischen den Kleiderstangen steht. Seit 2012 das erste Wintermärchen „Die Schneekönigin“ Premiere feierte, ist Henkel fester Bestandteil des Teams. Sie ist sozusagen die Herrin über die Kostüme. Hunderte von Kreationen, die sich hier im Fundus verbergen, tragen ihre Handschrift. Ihr Lieblingsstück? „Alle Biedermeiergewänder“, lächelt sie, denn in diesem Kreationen stecke ganz besonders viel Aufwand.

Ein explizites Lieblingskostüm hat Ruth Henkel nicht, doch die Biedermeier-Gewänder gehören zu ihren Favoriten.
Ganz besonders Stolz ist Henkel auf die Kostüme, die für das Wintermärchen „Das tapfere Schneiderlein“ entstanden sind. Fast alle wurden aus weißem Textil-Papier kreiert, das anschließend vom Team bemalt wurde. „Diese Kostüme waren ein ganz besondere Herausforderung“, sagt sie – und genau diese Herausforderungen liebt die 58-Jährige.
Kreativität, handwerkliches Geschick und ganz viel Herzblut stecken aber in jedem einzelnen ihrer Kleidungsstücke. Die 58-Jährige liebt ihren Job. „Es wird einfach nie langweilig“, sagt sie. Henkel besitzt nicht nur ihr eigenes Näh-Atelier, sondern bildet auch die Maßschneiderinnen und Maßschneider an der Max-Eyth-Schule aus – und die unterstützen ihre Ausbilderin schon seit Jahren bei den Kostümen für das Wintermärchen. Beim diesjährigen Stück „Hans im Wald“ zwar nicht mit Nadel und Faden, dafür werden sie aber bei den Aufführungen im Hintergrund beim Kostümwechsel helfen.
Aus alt mach neu: In diesem Jahr werden die Kostüme „recycelt“
Etwa 20 Kreationen werden die Zuschauer in diesem Jahr auf der Bühne in der Stadthalle zu sehen bekommen. „Wir haben elf Darsteller und fast alle in Doppelbesetzung“, erzählt Intendantin Johanna Mildner. Für die Ausstattung von „Hans im Wald“ greift man aber dieses Mal auf schon vorhandene Kleidungsstücke, Accessoires und Co. zurück. Aufgrund des Jubiläumsmarktspiels im Sommer hätte man es nämlich zeitlich gar nicht geschafft, alles neu zu machen. Allein bei der Revue durch acht Jahrhunderte Stadtgeschichte gab es schließlich dank Henkel und ihren Azubis 86 verschiedene Kostüme zu bestaunen.

Ein Problem mit Enge sollte man im Fundus nicht haben – hier verbergen sich schätzungsweise 500 Kostüme – und natürlich auch zahlreiche Accessoires, Requisiten und Co. „Wir sind wirklich gut aufgestellt“, so Henkel.
„Das Pensum war groß, deshalb haben wir uns auch dazu entschieden, dieses Mal mehrere Märchen in einen Topf zu packen. Man muss das Rad schließlich nicht neu erfinden“, sagt Mildner mit einem Lächeln im Gesicht. „Hans im Wald“ wurde also so konzipiert, dass man vorhandene Kostüme, beziehungsweise Kleidungsstücke und Accessoires wiederverwenden kann.
So wird beispielsweise die Hose von einem der „Schuhputz-Kinder“ aus dem Jubiläumsmarktspiel für die Figur des Hans‘ genutzt – ohne zu viel verraten zu wollen. Märchenfiguren wie Rotkäppchen, der böse Wolf oder Schneewittchen werden die Zuschauer auch nicht zum ersten Mal gesehen haben.
Die Nähmaschine der Schneidermeisterin rattert aber trotzdem, denn die Kostüme werden aufbereitet, durch neue Details umgestylt und auf die jeweiligen Schauspieler angepasst. „Johanna unterstützt mich dabei, sie ist ein wahres Multitalent“, lacht sie, während Darstellerin Silvia Völker zur Tür hineinspaziert, denn ein Stockwerk oben drüber wird gleich geprobt. Völker probiert noch schnell eine rote Weste an. „Da muss ich nochmal ran“, sagt Henkel und nur kurze Zeit später ist die Darstellerin auch wieder verschwunden.
Und auch wenn man nicht jedes einzelne Teil auf die Schauspieler abändern kann, bleibt man sich dennoch bei einigen Kleidungsstücken treu. So wird auch bei „Hans im Wald“ der gestiefelte Kater in lässiger Lederjacke auftreten, auch wenn es sich dabei nicht um die selbe handelt, die der Kater 2018 trug. In diesem Jahr wird nämlich ein anderer Darsteller die Rolle des Katers verkörpern – und der hat eine ganze andere Statur.
Welcher Schauspieler, welche Rolle übernimmt, das bleibt noch ein Geheimnis. „Wir wollen schließlich nicht zu viel verraten“, lächelt Mildner, ehe wieder einer der Wintermärchen-Darsteller durch die Tür des Fundus spaziert, um etwas anzuprobieren. Dieses Mal aber keine rote Weste, sondern goldene Pumps in Größe 44.





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