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Können und LeidenschaftDie Gewinner des 20. Jugend-Literaturpreises der OVAG trafen sich zum Workshop mit Schriftstellern

BAD KISSINGEN/ALSFELD (ol). Im Rahmen eines viertägigen Workshops trafen sich kürzlich die Gewinner des Jugend-Literaturpreises der OVAG mit namhaften Schriftstellern, um ihre prämierten Texte zu verbessern. Die Veranstaltung bot den Nachwuchsautoren, unter ihnen auch Emilia Bauer, Schülerin der Albert-Schweitzer-Schule Alsfeld, die Möglichkeit, offen über ihre Werke zu diskutieren und fundierte Kritik zu erhalten.

„Besonders beeindruckt hat mich der Respekt, den alle gegenseitig voreinander haben“, sagte Lilli Weiskopf (22) aus Gießen – zum vierten Mal unter den Gewinnern des Jugend-Literaturpreises der OVAG – zum Abschluss des viertätigen Workshops für die 22 Preisträger in Bad Kissingen. „Das ist jedes Mal so toll: Man kann völlig offen über alle Texte sprechen“, pflichtete Emilia Bauer (18) bei, Schülerin der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld. Sie hatte im vergangenen Jahr den ersten und heuer den dritten Platz belegt. Die 18-jährige Luisa Lenser, ein „Neuling“ in diesem Kreis, aus Bad Nauheim: „Hier erfährt man eine viel fundiertere Kritik als aus dem Familien- oder Freundeskreis.“

Feilen, schleifen, bohren, polieren, ersetzen, ausbessern: Vier Tage lang rauchten laut einer Pressemitteilung der OVAG die Köpfe, um die preisgekrönten Texte zu lektorieren, sprich, sie noch besser zu machen. Wie schon in den 19 Jahren zuvor, hatte die OVAG den Nachwuchsautoren profunde Hilfe zur Seite gestellt, heißt es: Die Schriftsteller Feridun Zaimoglu und Franziska Gerstenberg, Dr. Marten Brandt, Lektor des Edel-Verlags in Hamburg, Journalist Jürgen Wagner und Andreas Matlé, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der OVAG. Nicht zu vergessen: Martin Maria Schwarz vom Kulturradio hr2 mit einem kurzen Workshop wie man Texte möglichst gut vor Publikum vorträgt.

Eine Vorstellungsrunde läutete den ersten Abend ein, es folgte der zweite Tag mit einem regelrechten Vorlese-Marathon der Preisträger aus den Landkreisen Wetterau, Vogelsberg und Gießen; das heißt ein Anlesen, um danach eine erste Kritik zu erfahren. Viele Themen seien berührt worden. Was macht eine gute Idee aus? Wie treibt man die Handlung voran? Wie zeichnet man Figuren? Ein erster Blick auf die völlig unterschiedlichen Themen. Ein Familienvater gräbt aus unerfindlichen Gründen ein Loch im Garten. Ein Missbrauchsopfer rächt sich. Eine junge Frau verliert nur scheinbar ihr Gedächtnis. Ein Jugendlicher sucht den Höhenrausch. Ein Sudentendeutscher erinnert sich an die Schrecken der Vertreibung. Eine Veganerin bekommt Roulade serviert. In einer scheinbar heilen Pfarrer-Familie zeigen sich Haarrisse. Ein Autofahrer wird nicht damit fertig, dass er, versehentlich, ein Todesopfer im Verkehr verschuldet hat. Ein Koch als Sisyphos, der nicht kochen kann, es aber unentwegt versucht. Große und kleine Begebenheiten, die das menschliche Leben mit all seinen Alltäglichkeiten und Merkwürdigkeiten durchspielen. Darauf eine erste Kritik, die am dritten und vierten Tag in kleinen Gruppen intensiviert wurde. Wort für Wort, Satz für Satz, Seite für Seite, so die Veranstalter.

Die Lektoren mit all ihrem Können – und ihrer Leidenschaft – stets auf Augenhöhe mit den Preisträgern, bisweilen nachdrücklich, bisweilen die lange Leine in den Händen haltend. Schriftstellerin Franziska Gerstenberg sagte, „beglückend“ sei es, sich nicht zufrieden zu geben, bis ein Satz stimme. Lektoren seien „Sparringspartner“ und die ersten kritischen Leser einer Geschichte, so Dr. Marten Brandt. Feridun Zaimoglu unterstrich noch einmal die Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit des Workshops. „Es gibt nichts Feigeres und Schlimmeres im Kunstbetrieb, wenn man nicht die Wahrheit sagt und sich mit falschem Lob zufriedengeben würde.“ In kernigen Sätzen bekundete er seine Verblüffung über die Qualität des Textes des 15-Jährigen Sean Eckhardt aus Gießen, der in seiner Kurzgeschichte mit wenigen Worten die Gefühlskälte von Menschen gegenüber Benachteiligten zu Papier gebracht hatte: „Mit 15 stand ich vor lauter Blödheit offenmäulig in der Gegend rum.“ Was ein Fortschritt bedeutete, denn es gab auch eine Teilnehmerin im Alter von 14. Und mit 14, so Zaimoglu, „war ich noch hirntot.“

„Es ist Wahnsinn, dass das Schreiben hier mit so viel Liebe im Detail gefördert wird“, sagte Lilli Weiskopf in der Schlussrunde kurz vor der Abfahrt der Teilnehmer. „Ich reise beseelt von diesem Wochenende ab.“ OVAG-Vorstand Joachim Arnold, der sich am Wochenende wie schon in den vergangenen Jahren zur Gruppe gesellte, freute sich, solche Worte zu hören. „Wir von der OVAG stellen gerne den Rahmen, das funktioniert aber nur dank des Herzbluts, das die Macher da reinstecken“, lobte er seine Mitarbeiter und empfahl fürs nächste Jahr, einen Spaziergang einzubauen, um den Kopf freizubekommen. Eine Empfehlung, die die Organisatoren freudig entgegennahmen, hieß es. „Vorschläge – immer gerne, so wie beim Lektorat der Texte.“

Im Februar erscheint das Buch „Gesammelte Werke“ mit den Texten aller Gewinner. Ab sofort, bis 15. Juli 2024, können Texte für den 21. Jugend-Literaturpreis der OVAG eingesendet werden. Weitere Informationen: matle@ovag.de.

Foto: OVAG/Bea Kaiser

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