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Campus – das Zentrum für berufliche Bildung – sorgt für Inklusion am ArbeitsmarktSeinen Berufsweg finden und leben

LAUTERBACH (ol). Am 5. Mai war der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Grund genug, einen Blick darauf zu werfen, was im Vogelsberg für Menschen mit Behinderung getan wird. Kompass Leben e.V. möchte im Zuge dessen den Campus – das Zentrum für berufliche Bildung von Menschen mit verschiedensten Einschränkungen – und sein facettenreiches Angebot vorstellen.

Seit mehr als dreißig Jahren schon wird er von Verbänden und Gruppen in ganz Europa begangen: Der 5. Mai ist der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung – ein Datum, das auch in der Arbeit von Kompass Leben Relevanz hat. So aus der Pressemitteilung von Kompass Leben.

Gleichstellung, das bedeutet für Menschen, die aufgrund einer psychosozialen Erkrankung oder einer Behinderung Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben, auch, dass sie dort (wieder) Fuß fassen können. Entweder direkt nach der Schule oder nach einer Reha-Phase. Um Menschen genau die Berufschancen zu geben, die sie brauchen und die sie vor ihrem persönlichen Hintergrund auch nutzen können, stellt Kompass Leben, der soziale Träger im Vogelsberg, seit einigen Jahren ein besonderes Angebot zur Verfügung: Am „Campus“ in Lauterbach lernen Menschen mit Einschränkungeng für ihren Beruf, fürs Leben und für sich selbst.

„Unser Angebot umfasst viele verschiedene Facetten, die sich nach den Voraussetzungen unserer Klienten richten“, erläutert Anne Wenzl, Leiterin der Einrichtung. Ihre Klienten, das können Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen sein, mit psychosozialen Erkrankungen oder mit einer geistigen Behinderung und kognitiven Einschränkungen.

Benedikt Schlitt ist einer der Schülerinnen und Schüler am Campus. Der 21-Jährige hat von Geburt an eine geistige Behinderung und absolvierte die Brüder-Grimm-Schule in Alsfeld. Nach dem Ende der Schulzeit stellte sich die Frage nach einem Arbeitsplatz, der ihm gefällt. Zugewandt, kommunikativ, höflich, ordentlich und fleißig ist Benedikt, allerdings hat er Probleme mit dem Lesen und Schreiben aber auch alles, was mit Zahlen zu tun hat, sei für ihn schwierig. Sein Wunsch war es, in dem inklusiven RegionalLaden zu arbeiten, den Kompass Leben e.V. in Alsfeld betreibt. Nach einem Praktikum noch während der Schulzeit verfestigte sich dieser Plan.

Durch Unterstützung berufliche Ziele erreichen

„Wir sind sehr froh, dass wir Benedikt einen Berufsbildungsbereichsplatz im RegionalLaden anbieten konnten“, freut sich Bildungsbegleiter Johannes Bonnard. Er ist der persönliche Betreuer von Benedikt und anderen Klienten, die er mit der Zeit immer besser kennenlernt und denen er helfen möchte, ihre Ziele in beruflicher Hinsicht zu erreichen. Dies tut er idealerweise schon in der Schule mit der Unterstützung von Praktika.

Spätestens mit Beginn der Maßnahme im Berufsbildungsbereich (BBB) werde geschaut, was die Menschen können, welche Potenziale sie mitbringen, welche Fertigkeiten sie haben und welche Interessen. Darüber hinaus werde geschaut, was davon ausbaufähig sei, um möglichst viele von diesen im Berufsleben einsetzen zu können. Ziel hierbei sei es idealerweise, Ausbildungsmodule zu absolvieren, mit denen man später auch in Firmen außerhalb der Werkstätten sozialer Träger punkten könne.

„Im Eingangsverfahren gestalten wir hier zunächst eine dreimonatige Eingangsphase“, erläutert Wenzl. Hier gehe es insbesondere um eine Diagnostik, die nach neuesten pädagogischen Erkenntnissen sowohl praktisch wie theoretisch durchgeführt werde und für die dem geschulten Personal im Campus ein eigens eingerichteter Raum zur Verfügung stehe. „Viele Menschen haben am Anfang ihres Berufslebens oder nach einem krankheitsbedingten Einschnitt noch keine genaue Idee von ihrer zukünftigen Arbeit“, so Bonnard.

Hier greifen eine individuelle Kompetenzanalyse und ein Fertigkeitsprofil, die im Campus erstellt werden. Besonders wichtig jedoch seien Praktika, die bei Unternehmen vor Ort durchgeführt werden und Einblicke in Berufsfelder ermöglichen. Die Berufsbildungsmaßnahme dauere nach der Eingangsphase noch zwei Jahre. Hier werde es den Menschen am Campus ermöglicht, in verschiedenen Berufsfeldern an Qualifizierungsmodulen teilzunehmen, in denen Wissen aus den jeweiligen Bereichen vertieft wird: Büro/IT/Handel, Garten- und Landschaftspflege, Metall und Mechatronik, Hauswirtschaft, Fachlageristik, Holzverarbeitung und Alltagsbegleitung stehen derzeit zur Auswahl.

Modularisiertes Ausbildungsangebot

Zum einen lernen die Menschen hier theoretische Grundlagen des Arbeitslebens kennen und können ihre Persönlichkeit bilden: Arbeitssicherheit, Brandschutz, politische Bildung, Umgangsformen, aber auch Tarifrecht und gesunde Ernährung stehen auf dem Plan. Aber auch Themen wie Leben mit der Erkrankung, persönliche Ziele finden und benennen oder Soziales Kompetenztraining werden angeboten. Differenziert nach Inhalten und stets auch angepasst an die individuellen Voraussetzungen der Menschen, finde dann die Berufsbildung statt.

Für jeden einzelnen Bereich stehen im Campus versierte Dozenten zur Verfügung, mit viel Erfahrung sowohl im jeweiligen Berufsbild als auch im Umgang mit Menschen mit Unterstützungsbedarf. „Die Idealvorstellung ist natürlich, dass Menschen mit Hilfe unseres modularisierten Ausbildungsangebots möglichst viele Kenntnisse für ihr Berufsbild erlangen“, so Wenzl, „doch es gehört auch dazu, Grenzen zu erkennen, mit ihnen zu leben und dennoch einen erfüllten Alltag zu haben.“

Benedikt Schlitt ist den Bereichen Handel und Lageristik zugeordnet. Er lernt sowohl in der Praxis als auch in der Theorie und nimmt eifrig an den Modulen und am Grundlagenunterricht teil. Stets mit ihm und seiner Kollegin im RegionalLaden im Gespräch ist Johannes Bonnard. „Für uns ist es wichtig zu sehen, dass unsere Klienten mit ihrer Wahl auch zufrieden sind, dass sie gerne zur Arbeit gehen, sich weiterentwickeln können, ohne über- oder unterfordert zu sein.“

Gerade im Berufsbildungsbereich sei dies ein wichtiger Aspekt, der jedoch auch im weiteren Berufsleben nicht an Bedeutung verliere. Ein Augenmerk der Berufsbildung liege auch darauf, Menschen mit Einschränkung auch außerhalb der Werkstätten und der Inklusivbetriebe Arbeitsplätze zu vermitteln und sie dort weiter zu begleiten. Ein weiterer wichtiger Punkt der Arbeit im Campus sei die berufliche Rehabilitation von Menschen mit erworbenen psychosozialen Problemen oder Behinderungen.

„Unsere Klienten sind von 16 bis 60 Jahre alt“, so Wenzl. Das Angebot im Campus halte auch für die Älteren viele Möglichkeiten bereit, die ihre besonderen Anliegen im Blick haben. „Gerade hier zeigt sich, dass im digitalen Bereich viel Potenzial liegt. Wir haben deshalb schon heute ein großes Angebot und sind sehr gut mit Computerarbeitsplätzen ausgestattet.“

Vernetzung mit Schulen

Besonders gut sei die Vernetzung mit den Berufsschulen, die die Klienten aus dem Berufsbildungsbereich auch besuchen. „Hier ist es ebenfalls von großer Bedeutung, dass ihren individuellen Anforderungen Rechnung getragen wird. Wir arbeiten sowohl mit den Schulen in Alsfeld als auch in Lauterbach vertrauensvoll zusammen“, betont die Leiterin.

„Was kann ich schaffen? Wo sind meine Grenzen? Welche Unterstützung brauche ich wozu?“ Diese Fragen stellt sich auch Benedikt Schlitt. Er hat schon viel gelernt, seit er im vergangenen Herbst im Alsfelder RegionalLaden angefangen hat. Der Laden sei „genau sein Ding“, sagt er, und traue sich mit Hilfe seiner Kollegin Susanne Klemer auch immer häufiger an die Kasse. Wohin sein beruflicher Weg ihn noch führt, ist genauso offen wie bei anderen jungen Menschen, klar ist: Mit der Begleitung durch die Mitarbeiter am Campus habe er die besten Startchancen und das zählt.

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