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Mit der Bitte um persönliches GesprächKamax-Beschäftigte wenden sich mit offenem Brief an Familie Kellermann

ALSFELD/HOMBERG (OHM) (ol). Das Alsfelder Werk soll geschlossen werden, in Homberg sollen Jobs wegfallen: Mit einem offenen Brief haben sich nun Vertreter der Beschäftigten von Kamax an die Eigentümerfamilie Kellermann gewandt – und für einen besseren Dialog geworben. Wir veröffentlichen das Schreiben im Wortlaut.

„Sehr geehrte Familie Kellermann,

wir, die Vertreter der Beschäftigten an den Kamax Standorten in Alsfeld
 und Homberg, machen uns große Sorgen um unser Unternehmen, unsere individuelle Zukunft und die Zukunft der gesamten Region. Da Sie sehr eng mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Unternehmens Kamax verbunden sind, aber in den Gesprächen und Verhandlungen über diese nicht direkt mit am Tisch sitzen, möchten wir uns in diesem (offenen) Brief an Sie wenden.

Seit vielen Jahrzehnten tragen Sie mit Ihrem Unternehmen zum wirtschaftlichen Erfolg in der Region bei, schaffen und sichern Arbeitsplätze und haben ganzen Generationen eine Perspektive, Zukunft und Entwicklungsmöglichkeiten gegeben. Dafür schätzen wir Ihr Engagement und ihre Verbundenheit mit der Region sehr. Wir sind uns sicher, dass die aktuellen und die Entwicklungen der letzten Jahre auch Ihnen viel Sorge und Kopfzerbrechen bereitet haben und weiterhin bereiten.

Für Ihre Beschäftigten ist der Arbeitsplatz bei Kamax mehr als nur ein Job. Bei Kamax zu arbeiten, bedeutet für viele Kolleginnen und Kollegen Lebensinhalt, für viele Identität und für fast alle Existenzgrundlage. Mit einem Wegfallen des Arbeitsplatzes und der kompletten Schließung des Standortes Alsfeld, fällt für die Betroffenen die Basis und die Stabilität in ihrem Leben weg. Die Beschäftigten sind sich den großen Herausforderungen bewusst, vor denen das Unternehmen stand und steht, und sie waren und sind bereit ihren Beitrag zu leisten. Seit 2017 bringen die Kolleginnen und Kollegen wöchentlich zwei Stunden unbezahlte Mehrarbeit in das Unternehmen ein, zusätzlich haben sie im Ergänzungstarifvertrag von 2017 zugestimmt, dass anstehende Tariferhöhungen um ein Jahr verschoben werden. Insgesamt haben die Beschäftigten seit 2017 ein Volumen von 13,3 Mio.€ in das Unternehmen investiert. Wir wissen, das war notwendig, auch wenn es schmerzhaft war und für viele Einschränkungen und Entbehrungen bedeutet. Genauso wie die Eigentümer, tragen auch wir einen Teil der Verantwortung für das Unternehmen.

Umso schwerer ist, zu akzeptieren, dass trotz der gemeinsamen Kraftanstrengung der letzten Jahre, das Unternehmen jetzt den Standort Alsfeld komplett schließen und in Homberg und Osterode mehr als 100 Arbeitsplätze streichen will.

Wir sind uns bewusst, das Kamax noch längst nicht „aus dem Schneider“ ist und noch weitere gemeinsame Schritte erfolgen müssen, um uns wieder in die Erfolgsspur zu bringen. Mit dem jetzigen Vorgehen wendet sich die Unternehmensleitung aber von einem gemeinsamen Weg ab. Wir fürchten um einen irreparablen Vertrauensverlust gegenüber der Belegschaft. Auch wenn die Mehrheit froh sein wird, ihren Arbeitsplatz zu behalten, wird ein Gefühl bleiben von Hilflosigkeit und Enttäuschung. Hilflosigkeit, weil das Vorgehen der Unternehmensleitung als alternativlos dargestellt wurde und eine Kompromissbereitschaft in den Verhandlungen nicht zu erkennen war und Enttäuschung, weil trotz eines hohen Engagements und der finanziellen Beiträge der Beschäftigten aus deren Perspektive wieder sie die Leidtragenden waren und viele geschätzte Kolleginnen und Freunde das Unternehmen verlassen mussten.

Wir möchten die Zukunft und den Erfolg unseres Unternehmens auch in Zukunft mit möglichst vielen unserer langjährigen und kompetenten Kolleginnen und Kollegen gestalten können. Wir sind der Meinung, dass nicht alle Alternativen ausreichend diskutiert und abgewogen wurden, der Fokus zu stark auf Kostenreduktion und nicht auf zukunftsfähige Investitionen gelegt wurde. Wir brauchen die Investitionen und auch die erfahrenen und gut ausgebildeten Beschäftigten um gemeinsam den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu begegnen.

Wir glauben, dass Sie als Eigentümer ebenfalls ein starkes Interesse an einer guten Entwicklung des Unternehmens und auch zufriedenen und kompetenten Beschäftigten haben. Gerne möchten wir Sie zumindest indirekt in die aktuellen Gespräche und Verhandlungen einbeziehen. Wir würden uns freuen, wenn wir unsere Ängste und Bedenken, aber auch unsere Wünsche und Bedürfnisse mit Ihnen diskutieren könnten. Gerne kommen wir mit einer kleinen Delegation zu Ihnen oder laden Sie ein mit uns im Werk zu diskutieren.“

Unterzeichnet von:

Stefan Sachs
1. Bevollmächtigter der IG Metall Mittelhessen

Manfred Geisel
Betriebsratsvorsitzender Kamax Homberg

Lutz Koch
Betriebsratsvorsitzender Kamax Alsfeld

Wolfgang Müller
Betriebsratsvorsitzender Kamax Osterode

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