NIEDER-OHMEN (ol). Hedwig Böck ist eine Frau, die Entscheidungen treffen kann. Selbst schwierigen Fragen weicht sie nicht aus, sondern beschäftigt sich damit. Sie informiert sich, sammelt Fakten, wägt ab und versucht, auf der Basis von klaren Gedanken und mit einem guten Bauchgefühl den richtigen Weg zu gehen. „Das war die beste Entscheidung.“ So urteilt sie heute über ein wichtiges Thema, das sie im Sommer 2016 stark beschäftigte: „Wo und wie möchte ich im Alter leben?“ Im Kursana Domizil Mücke hat die 91-Jährige ein neues Zuhause gefunden und war eine der ersten Bewohnerinnen des Hauses Louise.

In der Pressemitteilung des Alten- und Pflegeheims heißt es, Hedwig Böck besuchte damals mit ihrer Familie den Tag der Offenen Tür im Kursana Domizil und informierte sich darüber, wie das Leben in einer Senioren-Einrichtung aussehen kann. Aus heutiger Sicht gibt sie anderen die Empfehlung, sich frühzeitig mit der Frage zu beschäftigen und nicht zu warten, bis man selbst und die Angehörigen schnell handeln müssen.

„Bei mir hat das alles gepasst, ich habe mir gleich ein Zimmer mit Vogelsbergblick ausgesucht“, sagt die Frau, die im Mai 1946 als Teenagerin mit ihrer Familie aus Tschechien kam und im Otto-Eger-Heim in Gießen eine Unterkunft fand. Später wurden die Piewonkas, so der Familienname, dem Ort Nieder-Ohmen zugewiesen. Hedwig Böck blieb und heiratete 1947 ihren Mann Otto. Zur Familie gehören heute drei Kinder, sechs Enkel und Urenkel in der Stärke einer Fußball-Mannschaft. Fast alle sind in ganz Deutschland verteilt, eine Tochter lebt in Nieder-Ohmen.

Hedwig Böck erinnert sich an den Spruch, dass man einen alten Baum nicht verpflanzt, „doch für mich war der Umzug der richtige Weg“, sagt die Nieder-Ohmerin, die früher „beim Bürgermeister in Stellung“ war. Später, in den Jahren zwischen 1977 und 1985 fuhr sie immer mit dem Zug zur Arbeit in die Gießener Klinik in der Licher Straße, wo sie auch ihren Freund kennenlernte. Er verstarb 2009.

Aus gesundheitlichen Gründen zog Hedwig Böck 2015 zu ihrer Tochter und zum Schwiegersohn ins Haus. Doch die Wohnung war nicht ebenerdig, so dass sie wegen Ihrer Gehbehinderung oft gefallen sei. „Die Treppen zuhause, das ging nicht mehr“, erinnert sich Hedwig Böck. Mit dem neuen Leben in der Senioren-Einrichtung kam sie gleich gut klar. „Wir treffen uns in der Gruppe, wir singen, lachen, spielen, man ist hier nie allein. Wenn man Gesellschaft möchte, ist immer jemand da“, auch wenn die Kontakte in den vergangenen Wochen wegen Corona eingeschränkt und Hygieneregeln eingehalten werden mussten.

Im Haus Louise nimmt sie sich gern Zeit für Rätsel und – was sie nie vergisst – ist der wöchentliche Termin des Gedächtnistrainings. „Das Schöne ist hier auch, dass für uns gekocht wird. Das Essen ist gut. Außerdem hat man immer Hilfe, wenn es nötig ist“, sagt Hedwig Böck. Sie ist eine Frau, die auch aufsteht und Kritik übt, wenn etwas schief läuft. Somit war es eine logische Folge, dass sie sich im sogenannten Heimbeirat für die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner einsetzen wollte. Sie kandidierte und die Senioren schenkten Hedwig Böck ihr Vertrauen. „Viel gemeckert wird im Beirat nicht, aber es ist gut, dass es ihn gibt“, sagt sie. In der Einrichtung fühle sie sich rundum wohl. Einen Tipp für Leute, die neu hinzukommen, hat die Frau aus dem Böhmerwald auch: „Du musst dich anpassen, aber hier kannst du auch Mensch sein.“

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