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Stellenabbau auch in Homberg Ohm - Alsfelds Bürgermeister spricht von einem "großen Fehler"Kamax will Alsfelder Standort bis Sommer 2021 schließen

ALSFELD (ls/jal). Es sieht so aus, als könnte Alsfeld einen weiteren, wichtigen Arbeitgeber verlieren: Die Firma Kamax hat vor, ihren Standort in Alsfeld zu schließen. Auch in Homberg soll es „Personalanpassungen“ geben. Die IG Metall will das nicht hinnehmen. Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule nennt die geplante Werksschließung in seiner Stadt einen „großen Fehler“.

„Wir hatten Sie bereits über die schlechten Entwicklungen in unserem Geschäft informiert. Diese zwingen uns leider, unsere Pläne zu überarbeiten, denn unsere wirtschaftliche Lage und die Aussichten haben sich massiv verschlechtert“, heißt es in dem internen Schreiben des Zulieferers für die Automobilindustrie an die Mitarbeiter, was OL vorliegt.

„Wir werden durch die Transformation der Automobilindustrie sowie durch die Corona-Krise gleich doppelt hart getroffen“, heißt es von dem Unternehmen weiter. Auswirkungen würden nicht nur in der zweiten Jahreshälfte von 2020 zu spüren sein, sondern auch noch 2021. Nun soll ein Sanierungsplan eine wettbewerbsfähige Perspektive schaffen, um die mittel- und langfristige Zukunft der Kamax-Gruppe abzusichern.

An diesem Donnerstag stand nun ein Gespräch zwischen Firmen- und Gewerkschaftsvertretern auf dem Plan, auf dem man über die Zukunft der Kamax beriet. Auf Wunsch der Gewerkschaften habe man noch einmal ein Gutachten in Auftrag gegeben, doch auch das zeige, wie ernst die Lage für das Unternehmen sei. Allein für 2020 rechne man durch die geringe Auftragslage, die gerade einmal etwa 60 Prozent der ursprünglichen Planung sei, mit einem Umsatzverlust von etwa 100 Millionen Euro allein für Deutschland. „Daher sind wir gezwungen, einschneidende Maßnahmen zu ergreifen, um der finanziellen Schieflage mit mehr als 20 Millionen Euro Verlust und dem Liquiditätsbedarf der Werke entgegenzuwirken“, heißt es von der Unternehmensseite. Dazu benötige man einen wettbewerbsfähige Perspektive, um „die mittel- und langfristige Zukunft der Kamax Gruppe so weit wie möglich abzusichern“.

Vor allem den Alsfelder Standort trifft es hart, den nämlich will das Unternehmen bis Sommer 2021 schließen. Dort sind derzeit nach Firmenangaben rund 250 Mitarbeiter beschäftigt, die Gewerkschaft spricht von etwa 220. Auch am Hauptstandort in Homberg Ohm soll es zu „Personalanpassungen“ für etwa 100 Mitarbeiter kommen, genauso wie in den Werken in ganz Europa – je Standort Mitarbeiter im unteren dreistelligen Bereich. Diese Entwicklungen bedauere man sehr. „Wir haben unsere Planungen sehr sorgfältig vorbereitet und wissen, dass dies für die Beschäftigten in Alsfeld eine sehr schwierige Entscheidung ist. Ein entsprechend langer Vorlauf soll hier Möglichkeiten schaffen, um eine neue Beschäftigung zu finden“, schreibt das Unternehmen. Man wolle sozialverträgliche Lösungen finden. Noch bis Ende 2020 bleibe das Unternehmen in Kurzarbeit, soweit das möglich sei.

IG Metall: Schreiben ist lediglich Absichtserklärung

Aus Sicht der IG Metall hat sich am Sachstand durch die jetzt verbreitete Ankündigung der Firma nichts geändert. Man bestreite die Probleme nicht, die es bei Kamax gebe, doch die Gruppe sei laut dem grade erstellten Gutachten nicht bestandsgefährdet. „Unser Ziel bleibt weiterhin die Standorte zu erhalten, damit jeder, der bleiben will, auch bleiben kann. Daran hat sich nichts geändert, ich wüsste nicht, warum“, sagte Stefan Sachs, Geschäftsführer der IG Metall Mittelhessen, zu OL. „Wir sind zu Kompromissen bereit, aber wir haben einen Tarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt – und das, was die uns heute vorgelegt haben, ist das Gegenteil.“ Das werde man nicht einfach „abnicken.“ Die Firma habe eine doppelt so hohe Eigenkapitalquote wie andere Unternehmen im Mittelstand.

Kamax argumentiere jetzt damit, dass die Corona-Pandemie die Firma zu dem Schritt der Werksschließung in Alsfeld zwinge, jedoch habe sich das Unternehmen vor einem halben Jahr noch zum Alsfelder Standort bekannt, sagte Sachs. Er nehme Kamax ernst, doch die jetzt verbreitete Nachricht sei nicht mehr als eine Absichtserklärung. „Ich will es nicht zu provozierend formulieren, aber die Kamax ist mindestens ein Lichtjahr von der Insolvenz weg. Und das ist auch gut so, das finden wir klasse“, sagte Sachs. Wenn das Unternehmen bedroht sei, müsse die Gewerkschaft, die kein Interesse an einer Pleite des Unternehmens habe, auch anders verhandeln, erklärte er weiter.

Sachs sagte außerdem, die Kamax habe im Zuge der Pandemie keine Kredite über die Förderbank KfW beantragt. „Die brauchen keine Staatshilfe, weil sie das aus ihrer eigenen Kasse stemmen können.“ Die Intention der Firma, das Alsfelder Werk zu schließen, sei lediglich „möglichst schnell wieder Profit zu machen. Kapitalistische Unternehmen ticken so, wie sie ticken“, sagte Sachs.

Paule: Eine solche Entscheidung ist ein Fehler

Auch Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule meldet sich auf Anfrage von Oberhessen-liv zu Wort und nennt die Entscheidung einen „großen Fehler“: „Die Geschäftsführung hat mich heute Nachmittag telefonisch informiert. Ich bin zwar für die ehrliche Kommunikation dankbar, habe aber unmissverständlich klar gemacht, dass ich eine solche Entscheidung für einen großen Fehler halte. Dem Vernehmen nach soll mit dem Schließungsplan und dem Stellenabbau an allen europäischen Standorten nun mit den Sozialpartnern verhandelt werden. Ich habe angekündigt, dass ich an jeder Stelle des Verfahrens darauf hinweisen werde, dass es ein großer Fehler ist, eines der europaweit zentral gelegensten Werke schließen zu wollen.“ Bereits vor rund 25 Jahren habe die damalige Geschäftsführung den „selben Fehler begangen und unmittelbar danach wieder in Alsfeld produziert“. 2014 sei das Werk Alsfeld sogar wieder eigenständig im Konzern geworden.

„Die Mitarbeiter in der Region um Alsfeld sind sehr gut qualifiziert. Betriebsbedingte Kündigungen schwächen aus meiner Sicht das Unternehmen. Für den Wirtschaftsstandort Alsfeld ist die Schließung, wenn sie am Ende der Verhandlungen der Sozialpartner wirklich kommt, ein Rückschlag, weil gerade Stellen im produzierenden Gewerbe zum Arbeitsplatzmix der Region einen wichtigen Beitrag leisten“, erklärt Paule weiter. Finanziell habe die Werksschließung für die Stadt zurzeit keine direkten Auswirkungen, „weil Unternehmen, die keine Gewinne machen, keine Gewerbesteuer zahlen, was mit und ohne Schließung gilt“.

Nicht zu vergessen sei außerdem die Verunsicherung bei der Betroffenen in der Belegschaft in Alsfeld, die nun von Arbeitslosigkeit oder Versetzung betroffen sind. „Ihnen gilt meine volle Solidarität“, sagte Paule. Wie immer in solchen Fällen wolle die städtische Wirtschaftsförderung und der Bürgermeister selbst Kontakt zu den Vertretern der Belegschaft und dem Betriebsrat herstellen.

Die Kamax ist ein Familienunternehmen, das seit 1955 seinen Hauptsitz in Homberg Ohm hat, allerdings weltweit aktiv ist. Über 900 Mitarbeiter sind allein in Homberg Ohm beschäftigt. Weltweit beschäftigt das Unternehmen 3.500 Mitarbeiter.

8 Gedanken zu “Kamax will Alsfelder Standort bis Sommer 2021 schließen

  1. Kamax Alsfeld-Altenburg seit Bestehen immer wieder in Schwierigkeiten!
    Die Situation ist jetzt allerdings sehr problematisch.
    Angefangen mit der katastrophalen Welt Wirtschafts Politik der USA unter Trump, den Fehlentscheidungen und betrügerichen Machenschaften der Auto Hersteller, und die Corona Pandemie. Die Welt Wirtschaft befindet sich in der größten Krise seit dem 2. Weltkrieg!
    Unsere Exporte sind dramatisch eingebrochen, und werden viele Jahre auf niedrigem Niveau bleiben,allein die deutschen Auto Hersteller exportieren 60 Prozent ihrer Produktion in die ganze Welt.
    Umweltaktivisten, Linke oder gar die SPD trifft da nun wirklich keine Schuld, eher sollten wir froh sein das die SPD mit in Regierungsverantwortung ist, ansonsten würde es heute schon für viele wesentlich schlechter aussehen.
    Wir sollten uns darauf einstellen, das die Wirtschaftliche Lage wesentlich schwieriger wird, dramatisch dürfte die Lage auf dem Arbeitsmarkt werden.

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  2. Betriebsschließungen sowie Stellen Streichungen, wird es nicht nur bei Kamax geben, und auch nicht zu verhindern sein!
    Die Verkehrs – und Mobilitäts Wende, die Corona Pandemie, der damit verbundene starke Rückgang der gesamten Wirtschaft, insbesonders der Auto Branche, und das über viele Jahre,lassen diesen Unternehmen keine andere Möglichkeit mehr.
    Wir sollten uns für die nächsten Jahre auf erheblich schwierigeren Zeiten einstellen, insbesonders auf dem Arbeitsmarkt.

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  3. Wie passt da der Artikel mit der Stellenausschreibung zusammen??
    „Kamax will Alsfelder Standort bis Sommer 2021 schließen“
    Bei Ol Stellenmarkt aktuell:
    Studium
    Bachelor of Science: Ingenieurwesen – Mechatronik
    Bachelor of Arts: Wirtschaftsinformatik

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  4. Na Toll alles wird nach Bad Hersfeld verlegt, wir bekommen nur die Abgase von den Leuten aus der Autobahn A5 serviert.
    Dank der mieserablen Wirtschaftspolitik vor Herrn Paule, wird Alsfeld in der Steinzeit enden bzw als Geisterstadt enden.

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    1. Was will denn Paule gegen Betriebsschließungen ausrichten, die u.U. schon seit langem geplant sind? Vielleicht können ja alle, bei denen ne Schraube locker ist, diese zwecks Standorterhaltung bei der Kamax verzinken oder in Lack tauchen lassen.

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    2. Wenn alle Unternehmenschefs diese vielen dummen Kommentar hier lesen würden, egal zu welchen Artikeln, dann würde jeder sein Unternehmen hier in Alsfeld schließen und auch kein neues mehr nach Alsfeld kommen. Die müssen auf die Idee kommen das hier nur Hirngelähmte wohnen. Nur Schlechtreden, Stuss und geistigen Dünnschiss verbreiten. Selbst wenn sich ein Unternehmen für Alsfeld entscheidet dann wird es hier auch noch niedergemacht aus herbeikonstruierten Gründen. Scheinbar ist Alsfeld nur bei einem weit vorne: mit der Digitalisierung von Stammtischgeschwätz, das wurde erfolgreich hierher verlegt in die Kommentare.

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      1. …verbreiten natürlich immer nur die anderen. Und der Rest übt Rechtschreibung.Wohnen Sie eigentlich auch in Alsfeld? Das würde einiges erklären!

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  5. Wirklich skurril ist es, neben dem Artikel die Stellenanzeigen der Kamax zu sehen – Auszug aus dem Inhalt:

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    Wenn Sie etwas bewegen wollen und eine berufliche Perspektive mit Zukunft anstreben, bieten wir Ihnen an unseren Standorten Homberg (Ohm) und Alsfeld eine Zukunftsperspektive bei KAMAX.
    <<<

    Realsatire.

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