VideoWirtschaft0

Im Interview mit Carmen und Lisa Lerch von Holiday LandWie die Corona-Krise die Reisebranche trifft

ALSFELD (tsz). Lange zierte das Schild mit dem Aufdruck „Sorry, we’re closed“ den Eingang zum Reisebüro Holiday Land in der Alsfelder Innenstadt. Denn als Teil der Tourismusbranche hat die Corona-Krise das Familienunternehmen unmittelbar betroffen. An diesem Freitag will das Büro wieder öffnen.

„Die Leute waren alle freudig, die Leute wollten alle in den Urlaub“, erinnert sich Lisa Lerch an die Ausgangssituation im vergangenen Jahr. Trotz der Insolvenz des Reiseunternehmens Thomas Cook waren die Buchungszahlen für 2020 auf einem sehr hohen Niveau. Doch dann kam das Coronavirus. Und mit ihm nicht nur eine weltweite Reisewarnung vom Auswärtigen Amt, sondern auch die Anordnung, das Reisebüro zu schließen.

Kurzarbeit und Stornierungen

Als Folge wurden immer mehr Reisen storniert. „Wir haben dann beschlossen, unsere Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken“, erzählt Lerch. Neun ihrer Mitarbeiter an den drei Standorten in Alsfeld, Fulda und Bad Langensalza waren davon betroffen. Der normale Bürobetrieb wurde zur reinen Telefonarbeit – und dabei drehte es sich meist um Fragen zu Stornierungen. „Wir haben dann auch versucht, den Leuten die Angst zu nehmen und immer dann, wenn eine neue Reisewarnung ausgesprochen wurde, die Leute angerufen, Kontakt aufgenommen und auch unsere Situation geschildert“, erzählt Lerch.

Die Reaktion der Kunden auf die Situation im Reisebüro sei verständnisvoll gewesen. „Es war erstmal ein sehr großes Bedürfnis, die Leute zunächst aufzuklären, was diese Reisewarnungen überhaupt bedeuten“, sagt sie. Die Enttäuschung gerade bei Kunden, die die Reise bereits lange im voraus gebucht hatten, sei dennoch groß gewesen. Aber auch ihr Team litt direkt unter den Folgen. Die Provisionen der stornierten Reisen flossen an die Veranstalter wieder zurück. Ein Riesenproblem.

Demonstrationen, um Bewusstsein zu schaffen

„Wir hatten null Einnahmen, die Fixkosten sind natürlich weiter gelaufen“, schildert Lerch die Situation, wie sie viele Unternehmen in den letzten Monaten gegenüber standen und es teils noch tun. Einzelhändler stellten auf Online-Verkauf um, Restaurants lieferten – aber was macht ein Reisebüro, wenn das Reisen an sich verboten und unmöglich wird?  Die Branche organisierte Demonstrationen.

„2,9 Millionen Jobs im Tourismus vor dem Aus“, damit unterstreichen die Demonstranten der Aktion „Wir sind Touristik“ ihre Forderungen: Sofortigen Rettungsfonds und weitere Rettungsschirme besonders für Klein- und Mittelständische Tourismus-Unternehmen.

Ein Lichtblick für die kommende Zeit

„Wir haben im Moment noch nicht den Schutzschirm, den man sich gerade wünscht“, beschreibt Lerch die bisherigen Maßnahmen. Zwar sei man bereits sehr glücklich darüber, was seitens der Politik schon alles getan wurde, allerdings sei es für die stark betroffene Nische der Reiseunternehmen noch nicht genug. „Reisen ist im Moment nicht das, woran man denkt. Im Moment will man in erster Linie gesund sein“, erzählt sie.

Dennoch sieht in der Situation bei weitem nicht alles schlecht aus. „Aktuell ist es so, dass wir schon viele Umbuchungen und auch Neubuchungen für 2021 generieren konnten“, erklärt Lerchs Tochter Lisa. In der Quarantäne-Zeit merke man, wie sich die Leuten nach dem Reisen sehnen würden und hoffe dabei auch darauf, dass die Leute im kommenden Jahr wieder viel Reisen werden. Die Angebote fürs nächste Jahr sind günstig. Dennoch sind sich Carmen Lerch und ihre Tochter auch sicher: Die Reise-Branche wird viel Zeit und einige Hilfe brauchen, um sich nach der Corona-Krise wieder vollständig zu erholen. Letzten Endes auch, weil bisher niemand einschätzen kann, wie lange diese Krise noch anhält.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren