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Kompass-Leben-Vorstand Frank Haberzettl über Inklusion, die Mitte der Gesellschaft und was ein Laden dabei für eine Rolle spielen kann„Für Menschen in der Mitte“

ALSFELD (ol). In wenigen Tagen eröffnet am Alsfelder Marktplatz der erste Workshop-Laden von Kompass Leben in den Räumen des Hauses Zum Schwanen am Markt 12 soll sich sowohl ein „Schaufenster der Region“ etablieren, als auch ein Workshop- und Veranstaltungsraum entstehen, der Platz für Entwicklungen hat und bietet. Frank Haberzettl, Vorstand von Kompass Leben über die Idee zum Laden, die Notwendigkeit von Teilhabe und die Vision von „Markt 12“.

Herr Haberzettl, am 29. Februar ist es soweit: Am Markt 12 eröffnet der gleichnamige Laden mit Workshopbereich von Kompass Leben am Alsfelder Marktplatz. Wie kam es zu der Idee, die Aktivitäten von Kompass Leben dorthin auszudehnen?

Frank Haberzettel: Wir ermöglichen in unseren Einrichtungen ein breites Spektrum an individuellen Möglichkeiten, am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben teilzuhaben. Die gesellschaftliche Wirkung beschränkt sich hier auf das nähere Umfeld_ Menschen, die unsere Einrichtungen besuchen, geschäftliche Kontakte oder Besucher bei Festen bzw. Tagen der offenen Tür. Wir waren auf der Suche nach einer Präsenz in der Mitte, die wir sinnvoll mit Leben füllen können. Der Alsfelder Marktplatz bietet hier einen Rahmen, der im Vogelsbergkreis einzigartig ist.

Beschlossen im Jahr 2016, tritt das Bundesteilhabegesetz in vier Stufen bis 2023 in Kraft. Die dritte Stufe soll in diesem Jahr umgesetzt werden; das Gesetz soll die Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen sichern. Inwieweit hat das Engagement von Kompass Leben damit zu tun?

Individuelle selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und im Wesentlichen auch am Arbeitsleben wird ermöglicht, wenn Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen sich Menschen mit Benachteiligungen nicht als Fürsorgeempfänger, sondern als wertvoller Teil der Gesellschaft erleben können. Durch Arbeit wird nicht nur die berufliche Entwicklung und Beschäftigung erreicht, sondern es wird die eigene Selbstwirksamkeit aktiv erlebbar. An dieser Zielsetzung arbeiten wir schon lange, das Bundesteilhabegesetz stellt hierfür geeignete Rahmenbedingungen her.

Durch ein Mitwirken im Laden und der Mitmach-Werkstatt haben Menschen mit Benachteiligungen die Chance, durch Kunden, die mit dem Warenangebot im Laden oder den Dienstleistungen aus der Mitmach-Werkstatt zufrieden sind, eine Wertschätzung zu erfahren. Diese ist mehr Wert, als jedes Lob durch den Anleiter in der Werkstatt.

Mit „Markt 12“ wollen wir Barrieren abbauen. Barrieren, die durch fehlendes Zutrauen in die Fähigkeit von Menschen mit Benachteiligungen entstanden sind, genauso wie bauliche Barrieren. Hierzu hoffen wir, dass auch für die Schaffung eines barrierefreien Zugangs zu den Räumen im „Markt 12“ bau- und denkmalschutzrechtliche Belange hinter dem Willen des Bundesteilhabegesetzes zurückstehen bzw. in Übereinklang zu bringen sind.

Ein Ort, für ein gemeinsames Miteinander

Eng mit Teilhabe verzahnt ist der Begriff „Inklusion“. Wie definieren Sie diesen Begriff, wen geht er an und wie kann man ihn mit Leben füllen?

Inklusion ist ein gesellschaftlicher Prozess, an dem alle Menschen teilhaben. Inklusion kann man nicht gesetzlich anordnen. Inklusion kann nicht durch Fachleute „gemacht“ werden. Es ist jedoch möglich, Strukturen zu schaffen, die Inklusion ermöglichen. Genau das wollen wir mit „Markt 12“ tun: Ein Ort, in dem die Rahmenbedingungen für ein Miteinander geschaffen werden.

In Ihrer Location am Marktplatz vereinen Sie Werkstattprodukte und hochwertige Erzeugnisse aus der Region sowie regionales und lokales Kunsthandwerk. Wie kam es zu dieser Produktkonstellation?

Wir haben eigene Produkte aus unseren Werkstätten, die das Ergebnis guter Ideen in Verbindung mit guter handwerklicher Arbeit sind. Es gibt darüber hinaus eine Menge toller regionaler Produkte, die bislang überwiegend nur bei den Anbietern direkt zu beziehen sind. Daraus ist die Idee entstanden, für alle diese Produkte eine gemeinsame Plattform, sozusagen als „Schaufenster in die Region“ zu etablieren.

Stellt die Zusammenarbeit mit „Vogelsberg Original“ und somit mit dem Vogelsbergkreis ein Novum dar? Haben Sie die Hoffnung, dass sich dadurch auch Unternehmen in der Region vom inklusiven Gedanken angesprochen fühlen und Menschen mit Unterstützungsbedarf unterstützen, indem sie sie beispielsweise in ihren Firmen beschäftigen?

Das Regionalvermarktungsprojekt des Vogelsbergkreises stellt ein Novum dar, weil es die Vermarktung qualitativ auf eine neue Ebene bringt. Generell waren und sind wir in Projekten aktiv, die sich mit unseren Zielen vereinbaren lassen. Die erste Aktion mit den Weihnachtstaschen von „Vogelsberg Original“ ist in der Logistik und der Abwicklung wesentlich über uns gelaufen, weil wir die Möglichkeiten dafür haben. Die mögliche betriebliche Inklusion ist hierbei eher nicht die vorwiegende Motivation gewesen, sondern die Entwicklung von Dienstleistungen, in die bei uns beschäftigte Menschen einbezogen werden können.

Die Region, ihre Produkte und ihre Menschen erlebbar machen

Zusätzlich zu dem Laden und dem Workshop-Raum planen Sie das Angebot von Dienstleistungen in der Innenstadt und Veranstaltungen. Um welche Dienstleistungen und Veranstaltungen könnte es sich dabei handeln?

Diese Dienstleistungen können vom Lieferservice für Produkte über Botendienste bis hin zum Veranstaltungscatering reichen. Als Location für Veranstaltungen sind wir im Rahmen unserer räumlichen Kapazität und Inhalte, die mit unserem Leitbild vereinbar sind, offen.

Ein Teil Ihres Angebots ist Kunst aus der Region. Dafür konnten Sie auch Gerd Ludwig, einen gebürtigen Alsfelder, preisgekrönten Fotografen mit Wohnsitz in Los Angeles, gewinnen, der eine eigene Postkartenserie für „Markt 12“ lizenziert hat. Wie kam das?

Der Kontakt mit Gerd Ludwig kam über die persönliche Verbindung zu Berthold Sommer zustande, der unsererseits im Projektteam maßgeblich am „Markt 12“ involviert ist. Wir freuen uns sehr, dass er unser Projekt mit dieser Unterstützung mitträgt. Er verhilft und damit zu einem weiteren Alleinstellungsmerkmal.

Ihre Eröffnung findet am 29. Februar statt. Wen erwarten Sie und was erhoffen Sie sich ab dem Eröffnungstag für den „Markt 12“?

Ab dem 29. Februar sind die Stadt Alsfeld und der Vogelsbergkreis um eine Gelegenheit reicher, die Region, ihre Produkte und ihre Menschen erlebbar zu machen. Und das ganz lebenspraktisch durch einen Laden und Dienstleistungen. Sozusagen echte Leistung für einen echten Gegenwert. Wir erhoffen uns, dass möglichst viele Menschen unsere Idee auf breiter Ebene mittragen, und natürlich hoffen wir auf Kunden, die bei uns einkaufen und eine Öffentlichkeit, die den „Markt 12“ in ihrer Mitte aufnimmt und nutzt.

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