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Mathematik-Klasse der Alexander-von-Humboldt-Schule auf den Spuren der Weltvermesser Gauß und HumboldtDie Vermessung von Lauterbach

LAUTERBACH (ol). Nichts Geringeres als „Die Vermessung der Welt“ war – zumindest nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann – die Absicht der Forscher und Wissenschaftler Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt. Für die Klasse 9e der Alexander-von-Humboldt-Schule und ihren Mathematik- und Klassenlehrer Jörg Becker Anlass genug, sich zum Abschluss des Humboldt-Jahres auf heimischem Terrain auf die Spuren des Namensgebers ihrer Schule zu machen und ein wenig davon zu vermessen.

Nach einer ausführlichen Einführung vor Ort brachen sie auf in die Spessartstraße, wo derzeit ein neues Baugebiet vermessen wird. Tatkräftige Unterstützung in Theorie und Praxis erhielten sie von Fachleuten des Hessischen Landesamtes für Bodenmanagement und Geoinformation.

Den theoretischen Teil übernahm noch im Klassenraum Matthias Barthelmes. Mit ihm konnten die Schülerinnen und Schüler noch einmal ihre geometrischen Fachkenntnisse auffrischen: Sie erfuhren von der Relevanz der Geometrie, der Arithmetik und der Wahrscheinlichkeitsrechnung für die Wissenschaft der Geodäsie, der Vermessung also. Sie kamen von der kleinsten Einheit, dem Punkt, zu den relevanten Längen-, Flächen- und Raummaßen. Auch die Winkel- und Kreisberechnung ließ der Experte Revue passieren.

Die Bestimmung der Maßeinheit „Fuß“ demonstrierte diese Schülergruppe im Klassenraum. Foto: Traudi Schlitt

Computergestützte Vermessung mit Tachymeter, Prisma und Tablet

Die Jugendlichen erfuhren, dass bei der Vermessung in der Praxis auch der Satz des Pythagoras, den sie ja im Mathematikunterricht eher theoretisch kennenlernten, durchaus eine Rolle spielt. Sehr interessant war auch die Darstellung der gebräuchlichsten internationalen Maßeinheiten, wie Zoll (= Inch), Foot, Yard und Meile. Insbesondere die Einheit „Zoll“ findet heute international Verwendung, so Barthelmes, beispielsweise für Oberbekleidung, Bildschirmdiagonalen oder Felgen. Und natürlich ist die Einheit „Zoll“ auch Namensgeberin des als „Zollstock“ bekannten Gliedermaßstabes, auf dem sich – zumindest in unseren Breiten – eben Metermaße anstelle von Zoll befinden.

Anhand praktischer Darbietungen legte der Experte die Schwierigkeit dar, Maße in Fuß oder Schritt auszudrücken, und verwies auf die Bedeutung genauer Definitionen und Festlegungen, wie zum Beispiel der in der Nähe von Paris aufbewahrte Urmeter eine ist. Eine ganze Stunde lang schwirrten den Schülerinnen und Schülern die Katheten und Hypotenusen um die Ohren, Maßstabsberechnungen und Überlegungen zur Erdkrümmung, bevor sie sich zum Praxiseinsatz in die Spessartstraße aufmachten.

Matthias Barthelmes zeigte klassische Messverfahren, hier mit Gliedermaßstab und Lot. Foto: Traudi Schlitt

Dort hatten Barthelmes‘ Kollegen schon drei interessante Messstationen aufgebaut: Eine computergestützte Vermessung mit Tachymeter, einem Prisma, einem per Bluetooth verbundenen Tablet und das Ganze GPS gesteuert. Hier lernten die Nachwuchs-Vermesser, dass das normale GPS viel zu ungenau ist, um verbindliche Daten zu liefern. Ergänzt wird es daher von einem GNSS-Rover. Diese Geräte kombinieren GPS-Positionsbestimmung mit gleichzeitigem Abgleich zu Referenzstationen des Landes Hessen über das mobile Internet (SAPOS).

Klassische Vermessung mit Gliedermaßstab, Maßband, Lot und Taschenrechner

Im Gegensatz dazu stand die klassische Vermessung – mit Gliedermaßstab, Maßband, Lot mit Prisma, Stock, Klemmbrett und Taschenrechner. So oder ähnlich mochte vor über 200 Jahren Alexander von Humboldt unterwegs gewesen sein – wenn auch nicht in Lauterbach. Vielleicht hielt er sich aber auch noch an die dritte Vermessungsart.

Stephan Krist führte die Schülerinnen und Schüler in die Aufgabengebiete der Vermesser ein – hier anhand eines Plans vom Baugebiet in Lauterbach. Foto: Traudi Schlitt

An einer dritten Station näherten sich die Schülerinnen und Schüler dem Thema per Geocaching – in diesem Fall jedoch nicht GPS-gesteuert, wie man es von einem Navi gewohnt ist, sondern zentimetergenau mit Orientierung zur Sonne. So leitete beispielsweise die Angabe „10,03 Meter Richtung Sonne und 3,73 Meter nach links“ zu ihren Geocaches – versteckte Süßigkeiten im bereits bestehenden Wohngebiet, die sie mit ihren Vermessungskolleginnen und -kollegen an den anderen Stationen gerne teilten.

Was wie eine Mathematikstunde begonnen hatte, hatte sich für die Schülerinnen und Schüler im Lauf des Vormittags zu einer spannenden Erfahrung gewandelt: Nicht nur, dass es jede Menge neuer Informationen aus dem Fachbereich in Verbindung mit dem praktischen Einsatz gab, auch ein neues, sehr interessantes Berufsbild lernten die Jugendlichen auf diese Weise kennen. Besonders fasziniert waren sie von dem Einsatz modernster Vermessungs- und Übertragungstechnik, die sie nicht nur erläutert bekamen, sondern mit der sie auch experimentieren und arbeiten durften. Allerding bleibt noch einiges zu tun, denn die Vermessung Lauterbachs konnte an diesem Morgen noch nicht abgeschlossen werden.

Von der Messung aufs Tablet: Moderne Vermessung und Übertragungstechnik sind selbstverständlich. Foto: Jörg Becker

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