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Ländliche Stimme in DarmstadtVogelsbergerin Ute Ehlert ab Januar Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau

STOCKHAUSEN/DARMSTADT (ol). Ute Ehlert aus Stockhausen gehört ab Januar 2020 zur Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Die Kirchensynode hat sie jetzt bei ihrer letzten Tagung in Frankfurt am Main als Mitglied aus der Gemeinde in das 18-köpfige Gremium gewählt.

In der Pressemitteilung des Evangelischen Dekanats Vogelsberg heißt es, die 55 Jahre alte Sparkassenbetriebswirtin gehört seit 2010 der Synode des Dekanats Vogelsberg an und seit 2016 der hessen-nassauischen Kirchensynode. Seit 2012 ist sie zudem Prädikantin. Ute Ehlert tritt die Nachfolge von Susan Durst an. Sie sieht es als große Aufgabe, „Menschen wieder oder neu für den christlichen Glauben zu begeistern.“

Hintergrund Kirchenleitung: Zur Kirchenleitung gehören Kirchenpräsident Volker Jung als Vorsitzender, seine Stellvertreterin Ulrike Scherf, der Leiter der Kirchenverwaltung Heinz Thomas Striegler, die fünf Pröpstinnen und Pröpste, zwei Mitglieder des Kirchensynodalvorstands und vier nichtordinierte Gemeindemitglieder. Beratend nehmen die Dezernentinnen und Dezernenten der Kirchenverwaltung und der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks an den Sitzungen teil. Die Kirchenleitung tritt in der Regel alle vier Wochen zusammen. Neben ihrer Leitungsverantwortung hat sie die Aufgabe die Entscheidungen der Synode vorzubereiten, die das maßgebende Organ der geistlichen und rechtlichen Leitung in der EKHN ist und in der Regel zwei Mal im Jahr zusammentritt.

Ein Interview mit Ute Ehlert

Frau Ehlert, was hat Sie dazu bewogen, sich als Kandidatin für das Gemeindemitglied in der Kirchenleitung zur Wahl aufzustellen?

Das war wie bei allen meinen Posten: Ich bin gefragt worden. Die oberhessischen Synodalen treffen sich immer vor der Synode beim Propst und da wurde ich vorgeschlagen. Für mich war das ein riesiger Vertrauensvorschuss.

War Ihnen sofort klar, dass sie dieses Amt antreten wollen?

Ich habe lange überlegt und einige Vertraute aus dem kirchlichen Umfeld nach ihrer Einschätzung gefragt. Alle sagten mir, dass sie sich mich da gut vorstellen können – und ich mir auch.

Was gefällt Ihnen an der Vorstellung?

Kirche hat in meinem Leben immer eine wichtige Rolle gespielt, schon alleine durch die Tätigkeit meines Vaters als Kirchenmusiker. Ich finde es wichtig, sich zu engagieren und zwar nicht nur vor Ort, sondern auch bei einer Organisation, die den Überblick hat – so wie unsere Landeskirche.

Wie war das für Sie, als sie gewählt wurden? Und mit welchem Gefühl blicken Sie Ihrem neuen Amt entgegen?

Als ich das Wahlergebnis gehört habe, habe ich mich sehr gefreut und war auch ein bisschen stolz. Ich habe die absolute Mehrheit bekommen im dritten Wahlgang. Wenn es so weit ist, bin ich bestimmt auch aufgeregt, aber Angst habe ich keine. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt.

Alle vier Wochen Sitzungen, dazwischen Klausurtagungen, Ausschüsse… Es kann durchaus stressig werden für ein Mitglied der Kirchenleitung, oder?

Ja, da kommt einiges auf mich zu. Aber ich werde dann jetzt nicht mehr in der Kirchensynode sein und auch nicht mehr in den Ausschüssen, in denen ich bislang war. Das sollte also alles machbar sein.

Hinzu kommt auch die Anreise nach Darmstadt, das ist ja schon ein ganz schönes Stück von Stockhausen aus.

Ja, ich habe die weiteste Anreise von allen Kirchenleitungsmitgliedern. Der Großteil kommt aus der Nähe von Darmstadt. Ich finde es aber gut, dass jetzt auch mal jemand dabei ist, der nicht aus dem Rhein-Main-Gebiet kommt.

Warum?

Damit auch jemand die ländlichen Interessen vertreten kann. Das EKHN-Gebiet ist riesig. Es ist daher wichtig, auch bei der Kirchenleitung einzubringen, was auf dem Land, also zum Beispiel hier bei uns im Vogelsberg, passiert und was es hier braucht. Kirchliches Leben ist hier anders als in der Stadt. Diese ländliche Stimme werde ich in Darmstadt einbringen. Versprechungen kann ich natürlich keine machen, aber für mich ist dieses Engagement eine Herzensangelegenheit.

Was müsste sich Ihrer Meinung nach tun beim kirchlichen Leben auf dem Land?

Zum Beispiel, dass man die Stärken, die einzelne haben, auch anderen zu Gute kommen lässt – das heißt, nicht nur an die eigene Gemeinde denken, sondern sich vermehrt zusammen zu tun. Und es gibt so viele kluge, herzliche, kreative und engagierte Köpfe in den einzelnen Gemeinden und in unserem Dekanat.

Wie könnte ein Zusammentun aussehen?

Gemeinsame Gottesdienste zum Beispiel. Das sorgt auch für mehr Abwechslung und Vielfalt. Und gemeindeübergreifende Trägerschaften für Kindergärten wären wichtig, um die Pfarrerinnen und Pfarrer zu entlasten. Wir haben Pfarrerinnen und Pfarrer, die nicht mehr wissen, wie sie das alles schaffen sollen. Wir müssen einfach in vernetzteren Dimensionen denken. Wir haben als Kirche immer weniger Mitglieder und Geld, da müssen wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Das bedeutet dann aber auch, mal nüchtern zu sagen, wenn etwas nicht mehr geht.

Was glauben Sie, woran liegt das, dass immer mehr Menschen aus der Kirche austreten?

Bei den jüngeren Menschen ist, glaube ich, einfach der Kontakt zur Kirche abgebrochen. Viele ziehen weg, gehen zum Studieren in die Stadt. Und es ist auch ein finanzieller Aspekt. Manche wollen sich die Kirchensteuer sparen, haben dabei aber gar nicht im Blick, wo das Geld dann letztlich fehlt – nämlich zum Beispiel unter anderem bei Kindergärten, Altenheimen oder bei unzähligen sozialen Angeboten.

Was wünschen Sie sich?

Dass Kirche sich so präsentiert, dass Menschen wieder Lust am Glauben haben und sich wieder aufgehoben fühlen. Das heißt nicht, dass sie jeden Sonntag in die Kirche gehen müssen. Aber sie sollen sich ihrer Kirche gerne zugehörig fühlen. Dazu gehört auch, dass sie kritisch sind und das auch sagen dürfen. Zum Beispiel, wenn ihnen der Gottesdienst nicht gefallen hat. Wir müssen einladend sein und Leute mit unseren Angeboten ansprechen. Dafür brauchen wir aber Raum und Zeit – und nicht nur Verwaltungstätigkeiten.

Welche Eigenschaften bringen Sie mit, die Ihnen bei Ihrer Tätigkeit als Mitglied der Kirchenleitung zu Gute kommen?

Ich vertrete meine Meinung, habe eine klare und nüchterne Art Dinge zu benennen und ich kann Sachverhalte ganz gut reflektieren.

Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?

Verkündigung, Gottesdienst, Diakonie, aber auch Doppik und Finanzen. Genauso bin ich aber auch bereit, mich neuen thematischen Herausforderungen zu stellen.

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