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DS-Kurs der Alexander-von-Humboldt-Schule entführt Namensgeber in die Gegenwart und lässt ihn staunenHumboldt lernt googeln und twittern

LAUTERBACH (ol). 37 Kilogramm Plastikmüll produziert jeder Deutsche im Jahr, bis zum Jahr 2015 waren es weltweit bereits 6,9 Milliarden Tonnen, die sich unter anderem in fünf großen Plastikmüllstrudeln auf den Meeren sammeln. Was würde Alexander von Humboldt wohl zu diesen Fakten sagen? Und wie würde er sich fühlen, wäre er heute auf der Welt, umgeben von all den technischen Möglichkeiten?

Im Humboldt-Jahr 2019, dem Jahr, in dem der Forscher und Universalgelehrte seinen 250. Geburtstag feiert, fragten sich all das die Schülerinnen und Schüler des Kurses „Darstellendes Spiel“ der Q3 der Lauterbacher Alexander-von-Humboldt-Schule unter der Leitung von Julia Speck, heißt es in der Pressemitteilung der Schule. In einem schnellen, informativen und witzigen Theaterstück begleiteten sie und ihr Publikum ihren Namensgeber in die Gegenwart.

Den Start von „Humboldts neuer Reise“ machten gleich sieben Humboldts, die das Leben und Wirken des Weitgereisten in kurzen, prägnanten Sequenzen Revue passieren ließen: Naturforscher, Seefahrer, Entdecker von Pflanzen und Tieren, Sozialkritiker, wagemutiger Reisender, der den Menschen ein neues Bild ihrer Welt vermittelte. Und der hoffte, dass in Zukunft Angst, Krieg und Ausbeutung der Vergangenheit angehören könnten.

Alexander von Homboldt fällt in die Gegenwart

Und dann fällt er in die Gegenwart, Alexander von Humboldt. Er ist auf einem Platz, auf dem Menschen Sport treiben, essen, trinken, auf ihre Handys schauen und sie fragen sich, ob der Humboldt auf dem Plakat wohl ein neuer DJ sei. Die Antwort finden sie bei – Siri: „Alexander von Humboldt, geboren am 14. September 1869, war ein deutscher Naturforscher.“ Und jetzt steht er vor ihnen und weiß nicht, was ein Plastikbecher ist. Woher denn auch? Doch nicht nur er erscheint den Menschen der Gegenwart wunderlich, auch sie erstaunen ihn, denn wie kann es sein, dass sie über alle, wirklich alle Infos zu ihrem Müll verfügen, zur Menge, zu den Folgen, und dass sie nichts dagegen tun? „Nicht mein Problem!“, bekommt er zu hören, und „Was können wir schon dagegen tun?“

Die sieben Humboldts. Alle Fotos: Traudi Schlitt

Ein junger Mann bringt Humboldt weg und zeigt ihm die Natur, immer noch schön, doch unglaublich still: „Die Natur müsste sich viel bunter und artenreicher anhören“, stellen die beiden fest, und Humboldt erinnert sich an die Arten, die er entdeckt hat, und die jetzt – laut Google – schon lange wieder ausgestorben sind. Eine kleine Gruppe von Schülerinnen stellt die Arten dar: Fische, Krabben, Insekten – alle ausgestorben. 25 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht, erfährt der Wissenschaftler aus dem Internet und rechnet blitzschnell aus, dass die Aussterberate zehnmal höher ist als der Durchschnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre.

„Warum tut ihr nichts?“ „Warum sagt ihr nichts?“ „Und was ist eigentlich googeln?“ Humboldt ist ratlos. Währenddessen sprudeln die Klimafakten weiter: „Während des 20. Jahrhunderts ist der weltweite Meeresspiegel um 15 Zentimeter gestiegen.“ „Im Jahr 2017 wurde in New York die höchste CO2-Konzentration seit mindestes 800.000 Jahren gemessen.“ „Das grönländische Eisschild schwindet um 250 bis 300 Milliarden Tonnen pro Jahr.“

Der Insektenschwarm.

Wer ist der Schuldige?

Die Suche nach den Schuldigen beginnt – doch alle zeigen nur auf den anderen, am Ende auf das Publikum „Ihr seid schuld!“ Gebrochen wird der Ernst der Lage mit einer Situation, die den jungen Mann und Humboldt nach Lauterbach führen – auf einen Platz, auf dem Humboldts Kopf steht. Der Naturforscher wundert sich. Es war ihm nicht klar, dass seine Arbeit noch heute wirkt. Doch tut sie das wirklich? „Die Erde wird nicht verstanden – sie wird zerstört!“, stellt er fest. Und dann spricht der Wissenschaftler aus Alexander von Humboldt: „Die Erde hat nicht endlos Ressourcen!“

Und um genau das der Menschheit zu erklären, nutzt Humboldt mit Hilfe der jungen Leute um ihn herum die Mittel des 21. Jahrhunderts: Er twittert, zunächst in seiner 19.-Jahrhundert-Sprache, doch er lernt: Kurz und prägnant müssen die Botschaften sein: „Mutter Natur ist eine Ehrenfrau!“ „Das Klima hat mehr Defizite als eure Zeugnisse.“ „Grünkohl statt Braunkohle.“ Und mit jedem Tweet werden gute Klimanachrichten verkündet: Ein Wasserstaubsauger wurde installiert: Bestimmte Plastik- und Styroporgegenstände sollen ab 2021 verboten werden. Menschen gehen gegen den Klimawandel auf die Straße. Und dann: „Change the system“: 30 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren setzen auf Nachhaltigkeit und kaufen bewusster ein, setzen sich für Umweltschutz ein und sind gewillt, langfristig ihren Lebensstil zu ändern.

Am Ende des Stückes gab es viel Applaus.

Am Ende des Stücks sind sie alle wieder Humboldt, sieben und einer, die die Errungenschaften Alexander von Humboldts loben. Und die wissen: „Die Vermessung der Welt darf niemals abgeschlossen werden, deshalb solltest du Humboldt sein, und du und du und du….“ Viel Applaus ernteten die jungen Darsteller für ihr Spiel, nicht nur, weil sie es geschafft hatten, mit ihrem selbstgeschriebenen und selbst inszenierten Stück ein schwieriges Thema optimistisch auf die Bühne zu bringen, sondern auch weil sie dem Namensgeber ihrer Schule ein passendes, schönes Denkmal setzten. „Humboldt wäre stolz auf euch“, konstatierte zum Abschluss eine begeisterte Schulleiterin.

Doch Gitta Holloch hatte nicht nur viel Lob im Gepäck, nein, sie zog auch noch ein besonderes Dokument aus ihrer Tasche: Den einzigarten Rahmen dieses Abends nutzte sie, um der Leiterin des Kurses, Studienrätin Julia Speck, eine Urkunde zu übereichen: Ab sofort ist sie „Studienrätin im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit“. Und darüber freuten sich alle Schülerinnen und Schüler sowie das ganze Publikum mit ihr.

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