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Zeitzeugenbericht zu 30 Jahre Mauerfall bei JU Lauterbach aus Bundesgrenzschutz und BundeswehrVom Kalten Krieg, der Zonengrenze und dem Russenfunk

LAUTERBACH (ol). Der Tod des DDR-Grenzoffiziers Rudi Arnstadt am 14. August 1962, einen Tag nach dem ersten Jahrestag des Mauerbaues, und die Ermordung des damaligen Schützen und Bundesgrenzschutzbeamten Hans Plüschke im März 1998 – 36 Jahre später – auf hessischer Seite bei Geisa-Wiesenfeld, begleitet den Grenzschutzoffizier Rudolf Marx sein ganzes Leben. Davon und von vielem mehr erzählte er bei der Jungen Union Lauterbach.

Marx, der von 2000 – 2012 für die CDU Landrat des Vogelsbergkreises war, berichtete beim Stadtverband der Jungen Union Lauterbach im Posthotel Johannesberg über seine Erlebnisse und Eindrücke als Grenzschützer im Kalten Krieg bis zum Fall der Mauer vor 30 Jahren. Der tödliche Schusswechsel an der damaligen Zonengrenze ereignete sich kurz nach dem Dienstantritt es jungen Grenzjägers Rudolf Marx, der nach Flucht aus Ostpreußen, Kindheit in Wartenberg-Angersbach und Schreinerlehre am 1. August 1962 seinen dann 35jährigen Dienst beim Bundesgrenzschutz zunächst in Eschwege antrat.

Weiter heißt es in der Pressemitteilung, Marx und auch Arnim Ortmann, der als damals 19jähriger Wehrpflichtiger in der Eifel den russischen Funkverkehr abhörte, wurde zuvor vom JU-Stadtverbandsvorsitzendem Joshua Östreich begrüßt. Das „Millennium-Kind“, im Jahre 2000 geboren, erläuterte, dass viele seiner Generation nur Filme und Erzählungen über Mauerfall und Kalten Krieg kennen. Fundierte Berichte von Zeitzeugen über die Zonengrenze, das Zonenrandgebiet und dem Kalten Krieg fehlten oft.

Rudolf Marx schilderte bei der Jungen Union seine Erlebnisse als Grenzschutzoffizier an der Zonengrenze. Alle Fotos: Kaufmann

Die Region und der Bereich Lauterbach waren Schwerpunkt des „Kalten Krieges“, was sich in großen NATO, US – und Bundeswehr – Manövern äußerte. Neben diesen Großübungen im „Fulda Gap/Fulda-Lücke“ seien im Herbst in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts auch die großen Militärlager, Raketenstationen und US-Kasernen prägend gewesen. Außerdem gab es Sprengschächte in den Straßen, um diese und Brücken beim Vorrücken des Feindes zu sprengen, fasste er die Zeit des Kalten Krieges zusammen.

Eindrücke von der innerdeutschen Grenze

An die militärische Bedeutung Lauterbachs bei einem Einmarsch des Warschauer Paktes und der Russen und dem Weiterrücken des Feindes in das Rhein-Main-Gebiet bis zum Rhein und das Industriezentrum mannheim-Ludwigshafen erinnerte auch Lauterbachs Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller. Für ihn war der Fall der Berliner Mauer und das Niederreißen der Grenzbefestigung zwischen beiden Teilen Deutschlands am 9. November ein bewegendes Ereignis. Nach der Grenzöffnung half der Verwaltungsfachmann beim Aufbau von Kommunen in Thüringen.

Rudolf Marx schilderte in seinem 90minütigen Vortrag mit anschaulichen Worten, wie menschenverachtend das DDR-Regime den Grenzzaun inmitten Deutschlands, zwischen Thüringen und Hessen, ausbaute. Mit Minen und messerscharfen Metallgitterzäunen wurde der „Todesstreifen“ aufgerüstet. Zudem gab es noch den Schießbefehl der die Grenzsoldaten verpflichtete auf Flüchtende zu schießen.

Seit Ende des Kalten Krieges ohne Funktion: „Sperrmittelhäuser“, hier bei Lauterbach-Rudlos, mit Sprengstoff zum Zerstören von Brücken und Straßen gegen vorrückenden Feind.

„Und dann die Selbstschussanlagen SM 70, trichterförmig, mit unzähligen Metallsplittern gefüllt, ausgelöst durch Schnüre. Viele Flüchtlinge starben oder wurden schlimmstens verletzt“, schilderte der 76-Jährige bewegt seine Eindrücke von der innerdeutschen Grenze. Der in Romrod lebende vormalige Landrat, der als Technischer Leiter am damaligen Grenzschutzstandort Alsfeld für auch für die Waffen zuständig war, erinnerte an die Anfänge des Bundesgrenzschutz 1951, wo noch keine deutschen Waffen produziert werden dürften.

Da musste man eben auf Gewehre und Pistolen aus Belgien, Spanien und der Schweiz zurückgreifen. Eine große und auch freudige Herausforderung sei der Herbst 1989 gewesen, als beim BGS in Alsfeld am Ringofen 600 Flüchtlinge – darunter Mütter mit Babys – aus der westdeutschen Botschaft per Zug in der Stadt ankamen und versorgt werden mussten.

Der heutige Lauterbacher Rechtsanwalt und Notar Arnim Ortmann war 1989 als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr und dort als Abhörspezialist in Daun in der Eifel für den per Morsezeichen übertragenen Funk zwischen dem Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte in Zossen/Wünsdorf bei Berlin und Moskau zuständig.

Informierten bei der Jungen Union Lauterbach mit Vorsitzendem Joshua Östreich (2. v.l.) als Zeitzeugen über den Kalten Krieg bis zum Fall der Mauer: Arnim Ortmann, Landrat a.D. Rudolf Marx und Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller (von links).

Den Abend und die Nacht des 9. November 1989 erlebte der 19-Jährige in der Kaserne, als während seiner Freizeit vom Funkdienst die Soldaten sich im Fernsehraum versammelten und ungläubig den Geschehnissen an der Berliner Mauer und am Brandenburger Tor folgten. Im Morse-Funkverkehr war schon gegen Ende des Jahres 1989 ein lockerer Ton der Russen gegenüber den ihnen bekannten Abhörern aus der Eifel bemerkbar – nämlich mit Weihnachtsgrüßen.

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