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Pfarrerin verlässt das Gründchen und zieht in den OdenwaldDer letzte Gottesdienst mit Pfarrerin Xenia Mai

ALSFELD (ol). Der Gottesdienst am 3. Sonntag nach Trinitatis wird den Schwärzern und Udenhäusern sicher lange in Erinnerung bleiben, war es doch der letzte Gottesdienst ihrer Pfarrerin Xenia Mai, die bereits eine Woche später in ihrer neuen Gemeinde im Odenwald ins Amt eingeführt werden sollte. Es war kein spontaner Weggang, eher einer, der sich lange anbahnte, nachdem bereits seit vielen Jahren feststand, dass die Gemeinden Schwarz und Udenhausen zukünftig nur noch mit einer halben Pfarrstelle versorgt werden sollen.

In der Pressemitteilung des Evangelischen Dekanats Vogelsberg Kooperationsmöglichkeiten, die ein Bleiben der Pfarrerin vielleicht ermöglicht hätten, erschienen sowohl den Gemeinden als auch Xenia Mai als nicht praktikabel, so stand am Ende von fast 14 Jahren ein Abschied, der für viele Menschen im Gründchen schmerzhaft war, hatte die Pfarrerin doch schon zu Beginn ihrer Amtszeit im Jahr 2006 festgestellt „Mein Ich-Sein passt hierher.“

Flankiert von der stellvertretenden Dekanin Luise Berroth, Pfarrer Toralf Kretschmer und den Kirchenvorstehenden betrat Pfarrerin Xenia Mai (rechts) die Schwärzer Kirche. Fotos: Traudi Schlitt

Dass Pfarrerin und Gemeinden zusammenpassten und ihnen allen der Abschied schwerfällt, zog sich durch den Abschiedsgottesdienst in der Schwärzer Kirche und die anschließende Feier in der Auerberghalle. Den Gottesdienst gestaltete die scheidende Pfarrerin selbst, unterstützt von ihren Kirchenvorstandsmitgliedern und ehemaligen Konfirmanden.

Musikalisch begleiteten ein großer Posaunenchor, besetzt mit Bläsern aus Schwarz und Udenhausen unter der Leitung von Jochen Grabowski, und Organistin Heidi Reibeling den Gottesdienst. Ihre letzte Predigt nutzte die Pfarrerin, um noch einmal auf die von ihr und ihren Gemeindemitgliedern empfundene Ungerechtigkeit der Pfarrstellenkürzung einzugehen. Was rechnerisch und wirtschaftlich nachvollziehbar wäre, dürfe für Kirche nicht gelten, so ihr Fazit: „Bei Gott geht es nicht um Zahlen, es geht um Menschen.“

Der Posaunenchor aus Schwarz und Udenhausen begleitete den Abschiedsgottesdienst.

Von Hoffnung gesprochen

Aus ihrem Amt im Gründchen verabschiedet wurde Xenia Mai von der stellevertretenden Dekanin des Dekanats Vogelsberg Luise Berroth. In die Abschiedsstimmung hinein sprach sie von Hoffnung. Hoffnung, dass für Xenia Mai in ihrer neuen Gemeinde alles gut werde, und Hoffnung auch, dass sich für die zurückbleibenden Gemeindeglieder in Schwarz und Udenhausen alles zum Guten wende. „Mit Ihrem Ich-Sein in Ihre Gemeinde zu passen ist ein Geschenk für sie alle gewesen“, griff Berroth Mais Aussage auf. „Ich hatte viel Unterstützung in den Gemeinden“, gab Mai die Dankesworte an ihre Gemeindeglieder zurück, „und ich bin sicher, dass das, was wir hier gesät haben, weiterwachsen und leben wird.“

In ihren Fürbitten und Textbeiträgen dankten die Kirchenvorstehenden beider Gemeinden Xenia Mai für ihr segensreiches Tun. Viele Konfirmanden und Familien seien mit der Pfarrerin verbunden. Man teile viele gute Erinnerungen. „Ihr Einsatz hat Freude und Dankbarkeit in die Gemeinden gebracht.“ Der Einladung zur Abschiedsfeier mit Grußworten folgten viele Gäste in die Auerberghalle. Dort eröffnete der Chor TonArt unter der Leitung von Peter Jerabeck den Abend mit erklärten Lieblingsliedern der Pfarrerin.

Das erste Grußwort übernahm Bürgermeister Lars Wicke. Auch er sparte nicht mit Kritik an der Pfarrstellenbemessung der Landeskirche, die seit vielen Jahren im Gründchen die Gemüter erhitzt und offenbar noch viel Potenzial hat. Seine Gemeinden seien am Ende des Gebiets der Landeskirche, hinter den „sieben Bergen“ und verlassen von der Kirchenleitung, verlieh er dem Gefühl seiner Dörfer Ausdruck. „Ohne Hirte stirbt die Herde“, so Wicke der einen massiven Rückgang der Anzahl von Mitgliedern in der evangelischen Kirche befürchtet, wenn weiterhin Pfarrstellen gekürzt werden.

Bürgermeister Wicke sparte nicht mit Kritik über die bereits vor Jahren beschlossene Pfarrstellenbemessung.

Der Kirchenleitung rief er zu: „Kehren Sie um von diesem Irrweg.“ An die scheidende Pfarrerin gerichtet, dankte ihr der Rathauschef für die gute Zusammenarbeit. Wicke, auch Mitglied in Kirchenvorstand und Posaunenchor, lobte Mai für ihre viele Qualifikationen, von denen die Gemeinden in vielerlei Hinsicht profitiert haben.

Großes Engagement der Gemeindemitglieder

Präses Sylvia Bräuning lobte in ihrer Ansprache das große Engagement der Gemeindemitglieder von Schwarz und Udenhausen und warb einmal mehr um Verständnis für die Neubemessung der Pfarrstellen. Es gelte nun, Dinge zu tun auch über die eigenen Grenzen hinaus. Ähnliche Entwicklungen, beispielsweise auf kommunaler Ebene, hätten gezeigt, dass Kooperationen gelingen. „Ich will Ihnen Mut machen“, so die Vorsitzende des Dekanatssynodalvorstandes, „auch mit einer halben Pfarrstelle kann es gehen.“

Moderiert wurde die Grußwortrunde von den Kirchenvorstandsvorsitzenden aus Schwarz und Udenhausen, Holger Eidt und Christa Dörr. Wie ihre Kolleginnen und Kollegen hatte sie ihren Abschiedsschmerz auf ein T-Shirt gedruckt und auch sie übten harsche Kritik an der EKHN. In den Reigen der Redner reihten sich Frank Stephan, Kirchensteher aus Mais zukünftigen Gemeinden, Tanja Lüttmann vom Frauentreff und Reinhold Falk vom Posaunenchor Udenhausen.

Ein Abschiedsgeschenk aus dem Dekanat hatte Präses Sylvia Bräuning (rechts) für Xenia Mai mitgebracht.

Im Namen der Gründchenchöre überbrachte Sonja Heil Dankesworte, und einen sehr persönlichen Abschiedsgruß hatte Pfarrer Toralf Kretschmer von der benachbarten Kirchengemeinde Grebenau mitgebracht: Sie möge Vertrautes mit in ihre neue, alte Heimat nehmen – Mai stammt aus dem südhessischen Eschollbrücken -, aber auch Neues finden und Altes vermissen. Den Gemeinden versicherte Kretschmer, dass sie auch mit einer halben Pfarrstelle im Gründchen gut dabei seien. Er zeigte sich zuversichtlich, gemeinsam etwas bewegen zu können.

Anekdotenreich blickten zum Schluss die Kirchenvorstände noch auf ihre Jahre mit Xenia Mai zurück. Da war die Rede von zu heißem Taufwasser, einem Diskurs zwischen dem Teufel und dem Heiligen Geist und selbstgemachtem Kochkäse mit Bierbowle. Mit Xenia Mai verlässt tatsächlich eine Pfarrerin die Gemeinden, die hierhin gepasst hatte, wie die sprichwörtliche Faust auf das Auge, und das nicht nur wegen ihrer Liebe zu deftiger Hausmannskost. Und so waren Mais letzte offiziellen Worte auch klar und deutlich zu vernehmen: „Es war mir eine Freude, Ihre Pfarrerin sein zu dürfen.“

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