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Warum eine ethische Begründung sozialistischer Politik unverzichtbar ist – aber auch nicht ausreichtSozialismus als moralisches Gebot?

ALSFELD (ol). Warum eine ethische Begründung sozialistischer Politik unverzichtbar ist – aber auch nicht ausreicht, genau darum geht es in der kommenden Veranstaltung des Rosa-Luxemburg-Clubs Vogelsberg in Alsfeld. Aber auch mit einem spannenden und vielfach gelobten Dokumentarfilm wartet der Club auf. 

Los geht es am Dienstag, den 12. Februar um 19.30 Uhr im Hotel Klingelhöffer, wenn der Philosoph und Politikwissenschaftler Frieder Otto Wolf bereits zum dritten Mal in der Stadt zu Gast ist. Die gesellschaftliche Linke speist sich in ihren Zielen einer sozial gerechten und wirklich befreiten Gesellschaft nicht primär aus Marx. Worauf basiert also der Gerechtigkeits- und Freiheitsbegriff? Und hat etwa Kant etwas damit zu tun?

Der Abschied der SPD von Marx in Godesberg und ihre Hinwendung zu Kant war nur der Endpunkt einer langen und widersprüchlichen Entwicklung, die historisch weit vorher entstanden ist. Einige haben diesen Prozess begleitet, indem sie theoretisch Marx und Kant miteinander verknüpften (so etwa Karl Vorländer und die „Austromarxisten“).

Schon Eduard Bernstein (der sich selbst zeitlebens als Marxist verstand) meinte, dass es für das Ziel des Sozialismus keines naturgesetzlichen Determinismus bedarf, wohl aber eines Gerechtigkeitsgefühls. Was unterscheidet also die Begriffe von Gerechtigkeit und Freiheit bei Marx und bei Kant? Und was bedeuten demgegenüber die Befunde von Marx‘ „Kritik der politischen Ökonomie“? Und was sagt uns das über die Perspektiven der heutigen gesellschaftlichen Linken und deren Entfaltungsmöglichkeiten?

Dokumentarfilm „Die grüne Lüge“ im Alsfelder Kino

Gemeinsam mit dem Weltladen Alsfeld zeiget der Rosa-Luxemburg-Club am Dienstag, den 26. Februar um 20 Uhr im Alsfelder Kino den spannenden und vielfach hochgelobten Dokumentarfilm „Die grüne Lüge“.

Im Jahr 2015 brannten große Teile des indonesischen Regenwalds nieder. Es war das schlimmste Umweltdesaster in der Geschichte des Landes. An den direkten Folgen starben bis zu 100.000 Menschen, mehr als 500.000 leiden an Langzeitfolgen. Dass die Brände bewusst gelegt bzw. beschleunigt wurden, ist ein offenes Geheimnis. Ziel war es, massenweise neue Anbauflächen für die Gewinnung von Palmöl zu schaffen. Das billigste und meistverwendete Fett der Welt, zu finden in fast jedem Fertiggericht, in Süßigkeiten und Snacks, und ein enorm profitträchtiger Rohstoff.

Auf den Spuren dieser unglaublichen, aber wahren Geschichte beginnt der Dokumentarfilmer Werner Boote („Plastic Planet“, „Alles unter Kontrolle“) seine Reise um die Welt, auf der Suche nach der Wahrheit hinter dem allgegenwärtigen Schlagwort „Nachhaltigkeit“. Die deutsche Journalistin, Autorin („Ende der Märchenstunde“, „Aus kontrolliertem Raubbau“) und Umweltexpertin Kathrin Hartmann ist dabei seine ebenso kompetente wie überzeugende Begleitung. Sie kennt sich aus mit dem so genannten „Greenwashing“: Die Praxis, Produkte mit Hilfe massiver PR als „nachhaltig“, „umweltschonend“ oder „fair“ zu verkaufen, obwohl das in Wahrheit keineswegs so ist.

„Es gibt kein nachhaltig oder fair produziertes Palmöl, weil es nur dort wächst, wo vorher Regenwald war“, macht Hartmann deutlich. Doch auch das aufwändigste Greenwashing kommt ungleich billiger als eine Veränderung der Produktionsbedingungen. „Die Industrie nennt uns nicht mehr Bürger, sie nennt uns nur noch Konsumenten. Ich verstehe mich aber nicht als Konsument, ich versteh mich als Mensch, und als Bürger“, so Hartmann.

Wie schon in seinen bisherigen Erfolgsdokus nähert sich Werner Boote der Kernfrage seines neuen Filmes nicht mit analytischer Trockenheit, sondern mit ganz bewusst inszenierter, emotionaler Subjektivität – hier mit der oft kritischen Neugier eines ganz normalen Konsumenten. Kathrin Hartmann führt ihn dabei mit überzeugendem Charme und schier unendlichem Expertenwissen zu den Tricks und Lügen der Industrie. Und man kann sich der Schlüssigkeit der Erkenntnisse, die Boote im Lauf des Films gewinnt, nicht entziehen: Unsere Supermärkte sind voll mit Produkten, die so, wie sie hergestellt werden, gar nicht existieren dürften.

Den Preis dafür zahlen wir – auch wenn er nicht auf der Rechnung steht. Und wenn auf einmal sämtliche Konzernbosse den Begriff „Nachhaltigkeit“ in den Mund nehmen, dann wird davon nicht die Umwelt sauber, sondern höchstens das Wort schmutzig.

2 Gedanken zu “Sozialismus als moralisches Gebot?

  1. Das ist die Hegel’sche Philosophie,
    Das ist der Bücher tiefster Sinn!
    Ich hab‘ sie begriffen, weil ich gescheit,
    Und weil ich ein guter Linker bin.

  2. „Was unterscheidet also die Begriffe von Gerechtigkeit und Freiheit bei Marx und bei Kant? Und was bedeuten demgegenüber die Befunde von Marx‘ Kritik der politischen Ökonomie? Und was sagt uns das über die Perspektiven der heutigen gesellschaftlichen Linken und deren Entfaltungsmöglichkeiten?“
    Es mag auch im Vogelsberg Menschen geben, die sich vorrangig genau der Beantwortung dieser Fragen widmen. Aber das sind sehr, sehr, sehr wenige. Und weil diese Themen sich für Kneipengespräche wohl nicht so sehr eignen, lädt man sich ab und zu einen Philosophen und Politikwissenschaftler ein, der sich in gepflegter Clubatmosphäre darüber auslässt, woraus sich die gesellschaftliche Linke in ihren Zielen einer sozial gerechten und wirklich befreiten Gesellschaft speist. Vielleicht wird anschließend oder sogar währenddessen auch noch à la carte gespeist. Und dann schauen sich die Mitglieder und Sympathisanten der Rosa-Luxemburg-Stiftung an, senken die Köpfe und sagen innerlich tief bewegt: „Ja, so ist das.“
    Ein andermal steht ein Dokumentarfilm auf dem Programm. Da schaut man sich das schlimmste Umweltdesaster in der Geschichte Indonesiens aus dem Jahr 2015 an. Ja, das war wirklich schlimm, als der Regenwald brannte. Und natürlich war es Brandstiftung. Und hinterher verwandelte sich die Landschaft in neue Anbauflächen für die Gewinnung von Palmöl, jenes billigste und meist verwendete Fett der Welt, das so ziemlich überall drin ist und für billiges Speiseeis, billiges Knabberzeug und billige Fertiggerichte sorgt. Und nach dem Film schauen sich die Mitglieder und Sympathisanten der Rosa-Luxemburg-Stiftung an, senken die Köpfe und sagen innerlich tief bewegt: „Ja, so ist das.“
    Und anschließend gibt es noch eine Extra-Lektion über das so genannte „Greenwashing“, durch das Produkte mit Hilfe massiver PR als besonders umweltfreundlich und ihre Hersteller als Freunde der Umwelt präsentiert werden. Und natürlich gibt es auch beim Palmöl ganz viel Greenwashing. Und Whitewashing für alle, die das Greenwashing unterstützen. Und die Mitglieder und Sympathisanten der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die das alles natürlich noch von den letzen neun Aufklärungsveranstaltungen wissen, schauen sich an, senken die Köpfe und sagen innerlich tief bewegt: „Ja, so ist das.“ Und dann gehen sie schnell noch einkaufen und lesen stundenlang auf den Rückseiten aller Verpackungen, wo wie viel Palmöl drin ist, und kaufen das fairste Produkt mit dem wenigsten Palmöl drin. Und dann noch einen Kilo-Block Palmin für den nachbereitenden Fondue-Abend, wo man das schier unendliche Expertenwissen zu den Tricks und Lügen der Industrie noch einmal revue passieren lassen und erneut die schlüssige Erkenntnis gewinnen wird, dass unsere Supermärkte einfach überquellen von Produkten, die so, wie sie hergestellt werden, gar nicht existieren dürften. Und die man dann trotzdem kauft, weil man ja auch auf’s Geld achten muss.
    Und man ahnt, dass Linkssein fast schon ein Beruf ist. Und im Rest seiner Freizeit hält man die Linkspartei am Leben. Damit ist die Zeit ausgefüllt und man wird auf ein erfülltes Leben zurück blicken können. Denn Links sein bedeutet, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun. Wegen Marx. Wegen Rosa Luxemburg. Wegen der Gerechtigkeit. Und wegen des Greenwashings und des Palmöls. Und die Welt wird auch im nächsten Jahr nicht besser werden. Und man wird sich wieder ehrenamtlich engagieren und öffentlichkeitswirksam empören. Und man wird auf dem Marktplatz stehen. Und man wird zur Kreisvorstandssitzung gehen. Und man wird das Veranstaltungsangebot der Rosa-Luxemburg-Stiftung weiterhin zur Selbstvergewisserung nutzen. Und alles wird sein wie immer. Und alles wird bleiben wie immer. Und es wird sein wie immer. Und das kleine Häuflein der Linken sieht sich an, senkt die Köpfe und alle sagen tief betroffen: „Ja, so ist das.“

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