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Die Lucia-Andacht der Frauenselbsthilfe nach Krebs und der Dekanatsfrauen im Vogelsberg gedenkt der Betroffenen und fordert mehr HilfenLeben am seidenen Faden

LAUTERBACH (ol). Mehr als 150 Frauen erhalten täglich die Diagnose Brustkrebs. Eine Diagnose, nach der das Leben aus den Fugen gerät, nicht nur weil sich die Frage nach der Endlichkeit dramatisch stellt, sondern auch, weil ein langer Weg vor den Betroffenen und ihren Familien liegt. Allen Frauen, die von Brustkrebs betroffen sind oder waren, widmet die Aktion Lucia im Herbst bundesweit einen ganzen Monat, um das Thema in das Licht der Öffentlichkeit zu stellen und auch außerhalb der Erkrankten ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was gesellschaftlich, politisch und medizinisch nötig ist, um für Patientinnen ein besseres Umfeld zu schaffen.

In der Pressemitteilung des Evangelischen Dekanats heißt es, in Lauterbach setzen sich nun schon im zwölften Jahr die Frauenselbsthilfe nach Krebs (FSH) und die Frauen aus dem Dekanat Vogelsberg für diese Art der Öffentlichkeitsarbeit und des Gedenkens ein – denn nicht nur ein würdevolles und angemessenes Auftreten nach außen sind wichtig, auch das Andenken, die spirituelle Erfahrung von Gemeinsamkeit und das Aufgehobensein bei Gott spielen für Frauen mit Brustkrebserfahrung eine große Rolle.

Der Einladung zur Lucia-Andacht in der Lauterbacher Stadtkirche von Pfarrerin Sylvia Puchert, Kirchenvorsteherin Dorothee Köhler und Heidemarie Haase von der Frauenselbsthilfe nach Krebs waren gut zwanzig Frauen gefolgt, darunter nicht nur Betroffene selbst, sondern auch Freundinnen, Angehörige und Unterstützerinnen der Aktion.

Infos zu Nebenwirkungen, wirkungsvollen Therapien und Begleiterscheinungen

Nicht nur den akut Erkrankten war die hoffnungsvolle Andacht gewidmet, die musikalisch von Claudia Regel begleitet wurde, sondern auch den 48 Frauen, die im vergangenen Jahr an Brustkrebs verstorben sind. Heidemarie Haase erinnerte in ihrer Ansprache an den Ursprung der Aktion Lucia. Diese setzt sich auch für eine bessere Ursachenforschung, Diagnostik, Behandlung, Nachsorge und Früherkennung ein sowie eine umfassende und ausreichende psychoonkologische Betreuung. Zahlreiche aktuelle Fakten hatten die drei Organisatorinnen vorbereitet: Infos zu Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen, aber auch zu neuen, wirkungsvollen Therapien.

Drei Fäden symbolisierten Stärke, Liebe und Hoffnung im Kampf gegen den Brustkrebs. Alle Fotos: Traudi Schlitt

Darüber hinaus formulierten sie Forderungen, die die Situation von Erkrankten verbessern sollen, darunter die Einführung von Onko-Lotsen im Gesundheitssystem und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen: 32,5 Prozent aller Frauen arbeiten in Arbeitsverhältnissen mit geringer sozialer Absicherung. Eine Krebserkrankung bedeutet für sie häufig einen rasanten Abstieg in die Arbeitslosigkeit – verbunden mit allen schwerwiegenden Folgen, die die Frauen zusätzlich zu ihrer Erkrankung treffen können. Mit Blick auch auf Frauen mit Migrationshintergrund forderten die Vogelsberger Vertreterinnen der Lucia-Aktion mehr Dolmetscherinnen, die nicht nur zu Ärzten und Therapien begleiten, sondern auch in Palliativ-Teams mitarbeiten.

Ein Leben am „seidenen Faden“

Ausgewählte Lesungen und Zusprüche setzten spirituelle Ankerpunkte, bevor die Frauen – zusätzlich zu den beiden roten Schnüren, die sie zu Beginn der Andacht bekommen hatten – eine silberne Schnur und einen Segen bekamen. Nach einem biblischen Bild, das besagt, dass eine „dreifache Schnur nicht so leicht entzweireißt“, flochten die Frauen ihre eigene Schnur. „Bei der Diagnose Brustkrebs geht es vielen so, als hinge ihr Leben an einem seidenen Faden“, griff Heidemarie Haase das Bild auf. „Auf einmal droht die eigene Lebensschnur zu zerreißen und auch die, die uns mit anderen Menschen verbindet.“

Die silberne Schnur als Faden Gottes, der sich wie ein roter Faden durch das Leben zieht, machte die beiden Schnüre, die sie mit ihm verflochten hatten, stark und haltbar. Für drei Faktoren stand das Band: für die eigene Person und Stärke, für die Hilfe und Zuwendung von anderen Menschen, auch von Pflegepersonal und Ärzten, und für die Hilfe Gottes, für die Hoffnung und die Liebe.

Ein Frauenzeichen aus 48 Kerzen legten die Frauen am Ende der Andacht vor der Kirche.

Mit Mut-Bitten klang die Andacht aus. An ihrem Ende verließen alle Frauen die Kirche und entzündeten davor 48 Kerzen – in Erinnerung an die 48 Frauen, die im vergangenen Jahr ihre Erkrankung nicht überlebt haben – und ordneten sie zu einem Frauenzeichen an. Die Lucia-Andacht – eine Veranstaltung, die eine Krankheit ins Licht rückt, aber auch den Mut und die Kraft betroffener Frauen. Eine Veranstaltung, die Tatkraft von vielen Seiten fordert und würdevolles Gedenken ist. Und eine Veranstaltung, die viel, viel mehr Öffentlichkeit verdient hat.

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