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Reichspogromnacht: Alsfelder gedenken der Judenverfolgung„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“

ALSFELD (bk). Zum Gedenken an die Pogromnacht 1938 versammelten sich am Donnerstagnachmittag Pfarrer Peter Remy, Stadtrat Pfeiffer, sowie interessierte Bürger am Denkmal der Pogromausschreitungen, Ecke Lutherstraße. Feierlich wurde an die getöteten Menschen und die zerstörte Synagoge erinnert. 

Auch in Alsfeld wird nach all den Jahren einmal jährlich, am 9. November, am Denkmal an der Ecke Lutherstraße/Hinter der Mauer, an die Gräueltaten erinnert. In Alsfeld wurden damals 48 Menschen deportiert und die prächtige Synagoge zerstört. Lediglich die Tora der Synagoge – der erste Teil der hebräischen Bibel – sei damals durch Mitglieder des Museums- und Geschichtsvereins gerettet worden und sei im Regionalmuseum ausgestellt.

Die Schüler der Geschwister-Scholl-Schule trugen ihre eigenen Gedanken zum Thema Judenverfolgung vor. Alle Fotos: bk

Erinnern ist auch an die Gegenwart und Zukunft gerichtet

Das Zitat von Bertolt Brecht „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“, wurde zu einer Mahnung an die Zukunft, als Pfarrer Peter Remy in seiner Begrüßungsrede von einem jüngeren Vorfall der Zeitgeschichte erzählte. Erst in diesem Jahr sei ein 14-jähriger Schüler jüdischen Glaubens aus Berlin-Friedenau über Monate hinweg von seinen Mitschülern, bedroht, antisemitisch beleidigt und gewaltsam angegriffen worden. „Für mich war viel erschreckender, dass sie sogar eine Hinrichtung mit einer täuschend echten Waffe nachspielten“, ergänzte Stadtrat Pfeiffer, der als Vertretung für die Stadt Alsfeld anwesend war.

„Wir sind ein offenes, buntes und tolerantes Land“, sagte Pfeiffer und rief in seiner Rede, wie auch schon Remy zuvor dazu auf sich zu erinnern. Denn „erinnern ist auch an die Gegenwart und Zukunft gerichtet“, und nicht einfach nur ein Hang zu vergangenem. Zum erinnern, wurden all 48 Namen der ermordeten Bürger von 1938 von Schülern der Geschwister-Scholl-Schule verlesen. Zuvor hatten die Schüler bereits in kurzen Stichpunkten ihre eigenen Gedanken zu den Taten dargebracht.

„Jeder von uns hat einen Namen“: 48 Namen stehen nun auf 48 Steinen um an jedes ausgelöschte Leben während der Pogromnacht zu erinnern.

Anschließend wurden kleine Steine an die Besucher des Pogromgedenkens verteilt, auf denen jeweils ein Name der Opfer stand. Auch damit solle das Erinnern wachgerufen werden, wenn man den Namen liest und ihn in Händen hält, wie Pfarrer Remy gegenüber Oberhessen-live erzählte. Die Steine wurden wenig später, unter einer Schweigeminute, am Denkmal niedergelegt. Unter den Opfern waren Kinder, Frauen und Männer. Musikalisch begleitet wurde die Feierlichkeit durch Lea Hamel und ihrer Klarinette. Abschließend rief Pfarrer Remy die Anwesenden auf dazwischen zu gehen. Denn oftmals stehe nur ein Mensch zwischen „Wort und Totschlag“.

Ein Ausflug in die Geschichte

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 kam es zu organisierten Gewaltmaßnahmen gegen Juden in ganz Deutschland. Dabei wurden etwa 91 Menschen ermordet oder zum Selbstmord getrieben und weit über tausend Synagogen, Betstuben, Versammlungsräume, sonstige Gebäude und jüdische Friedhöfe zerstört. Genannt wird es die „Novemberpogrome 1938“ oder auch (Reichs-)Kristallnacht oder Reichspogromnacht wobei die Pogrome – das Wort steht für exzessive Gewaltausschreitungen gegenüber bestimmten Personengruppen – den Übergang der Diskriminierung der deutschen Juden zur systematischen Judenverfolgung darstellt. Den Höhepunkt erreichten die Ausschreitungen mit dem Holocaust, der Millionen von Juden das Leben kostete.

Weitere Eindrücke der Feierlichkeiten:

5 Gedanken zu “„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“

  1. An den Kommentator „Gerhard“, schade, dass Sie Ihren vollständigen Namen nicht nennen.
    Sie haben Recht: Als Nachgeborene sind wir nicht „schuldig“ und das habe ich bei der Gedenkveranstaltung auch gesagt („wir stehen hier nicht als Täter und nicht als Opfer…“). Aber als nachgeborene Deutsche sind wir dafür verantwortlich, dass sich so etwas nicht wiederholen kann; deshalb erinnern wir an das Geschehen.
    Die Verbrechen wurden damals vom Staat Deutschland begangen, nicht von irgendwelchen „Nazis“, die vom Mars kamen. Die Bundesrepublik ist im juristischen Sinne der Nachfolgestaat.
    Wenn Sie das Erbe Ihres verschuldeten Vaters antreten, müssen Sie auch dafür aufkommen. Was die „Zahlungsbereitschaft“ angeht, sollten wir die Fakten nennen: Alle sogenannten „Wiedergutmachungszahlungen“ an Israel und andere Staaten, die Deutschland gezahlt hat, betragen in der Summe 75 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Für den Solidaritätszuschlag wurden bis heute 300 Milliarden Euro aufgebracht.
    Pfarrer Peter Remy

  2. Das sich sowas nicht wiederholen darf,ist wohl jedem klar! Aber irgendwann muss mal Schluss sein mit der Arschkriecherei.( Baujahr 1972)

  3. Jedes Jahr die gleiche Leier um die Erinnerung (Zahlungsbereitschaft) an den Holocaust wachzuhalten.
    Ich persönlich (Baujahr 73) bin mir keiner Schuld bewusst und werde mich auch bei keinem für die Zeit zwischen 1938 & 1945 entschuldigen.

  4. Jedes Jahr die gleiche Leier um die Erinnerung (Zahlungsbereitschaft) an den Holocaust wachzuhalten.
    Ich persönlich bin mir keiner Schuld bewusst und werde mich auch bei keinem für die Zeit zwischen 1938 & 1945 entschuldigen.

  5. Schade, dass die Erinnerung immer nur so einseitig ausfällt. Und nur die deutschen Verbrechen immer und immer wieder aufs Trapez kommen. Wenn wir schon bei Namen von Opfern sind: Wie wäre es mit Hans Jürgen Jerabek, 3 Jahre alt, Opfer von amerikanischem oder britischem Bombenterror, ermordet am 22.02.1945. Eines von 8 Opfern in Alsfeld. Wer spricht von den Kriegsverbrechen der Siegermächte, dem Bombenterror gegen deutsche Zivilisten, dem Einsatz von Phosphorbomben usw? Niemand, die Bösen sind immer nur die Deutschen. Auch nach fast 80 Jahren noch.

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