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Erster Vogelsberger Kirchentag in Lauterbach: Podiumsdiskussion um das Thema "Gott neu entdecken"Matthias Gold: „In allem ist etwas von Gott drin“

LAUTERBACH (lrn). „Hundertprozentig“ – besser hätte man den Verlauf den zweiten Tages des Vogelsberger Kirchentages des Evangelischen Dekanates Vogelsberg nicht beschrieben können, als dies Lisa Häberle, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit tat. Die 28-Jährige strahlte dann auch, dass diese erstmalige Veranstaltung zum Luther-Jubiläum am Sonntag aufgrund der Vielzahl von Veranstaltungen –  es waren fast 25 an diesem Tag – und des guten Wetters den Vortag bei weitem toppte.

Besonders auf dem Friedensplatz und im Hohhausgarten lockten die vielen Stände und Betätigungsmöglichkeiten tausende von Besuchern an. Das ganze Dekanat dürfte auf den Beinen gewesen sein und bot mit seinem breiten Angebot ein Programm, das nicht besser hätte sein können. Gottesdienste, eine Podiumsdiskussion, Theater, Musik, Gesang, Konzerte und vieles. Unter den vielen Gästen fielen der Erste Kreisbeigeordnete Dr. Jens Mischak und verschiedene Mitglieder der Patronatsfamilie Freiherren Riedesel zu Eisenbach immer wieder auf, der Kommunalpolitiker trat dabei sowohl als „einfacher Besucher“ auch als politischer Vertreter des Vogelsbergkreises auf.

Die Rasselbande aus Wartenberg erfreute die Zuhörer im Hohhausgarten mit ihren Liedern. Fotos: lrn

Von Seiten der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) dürfte die stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf in Vertretung des Schirmherrn, Kirchenpräsident Dr. Volk Jung, außer Propst Matthias Schmidt die höchste Repräsentantin der evangelischen Kirche gewesen sein.

Ein beachtenswertes Ereignis: Die Podiumsdiskussion

Am Sonntag war außer den beiden Gottesdiensten die Podiumsdiskussion auf dem Marktplatz – eines der beachtenswertesten Ereignisse. Hier diskutierten unter der Leitung von Dekanin Luise Berroth die stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf, die Vulkanforscherin Dr. Sabine Schmalz, Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak und der Leiter des Beratungszentrums Vogelsberg, Matthias Gold, unter dem Thema „Entdecke mit Entdeckern“ vorwiegend Fragen theologischen Inhalts zum Thema des Kirchentags „Gott neu entdecken“.

„Ereignisreiche Stunden liegen hinter uns“,  mit dieser Bemerkung leitete Dekanin Luise Berroth die Diskussionsrunde ein. Viel neu entdeckt habe in den letzten zwölf Monaten rund um seine Heimatstadt Lauterbach der Politiker Dr. Jens Mischak bei seinen Rundreisen im heimischen Landkreis. Dr. Sabine Schmalz sprach von einer Reminiszens an die Heimat, nachdem sie nach beruflichem Engagement in der Industrie „dann bei sich gelandet sei“. Immer wieder gebe es etwas zu entdecken und neue wissenschaftliche Fragen täten sich auf „Es hört nie auf mit dem Warum“, meinte Schmalz.

Viele Stände im Hohhausgarten und auf dem Friedensplatz auch von nicht kirchlichen Akteuren luden zum Mitmachen, Zuschauen, Zuhören, Konsumieren oder einfach nur zum Nachdenken ein.

Wo ist Gott und wie ist er?

„In allem ist was von Gott drin“, bekannte Matthias Gold, viele seiner Klienten sähen in der Natur Alternativen zu ihrem Konsum. Gold sprach von Entspannung und gelebter Spiritualität und bekannte sich dazu, „schon vieles ausprobiert zu haben“. Die Vertreterin der EKHN, Scherf, zeigte sich nach einem Besuch in New York angetan von dem Central Park im Herzen der Stadt, und berichtete, dass für sie schon als Kind die morgendliche Andacht dazu gehört habe und dieser Zuspruch sie durch den Tag getragen habe. Zum Thema des Reformationsjubiläums meinte sie, das Bild des früher eher strafenden Gottes sei durch „einen Gott der Liebe und der Barmherzigkeit abgelöst worden“. „Es gibt viele Erlebnisse, wo wir Gott neu entdecken können“, sagte die Kirchenobere, die auf eine kürzlich stattgefundene Veranstaltung im Frankfurter Dom verwies, wo bei einer ökumenischen Veranstaltung Gott neu entdeckt worden sei.

Die eigene Endlichkeit sei für Matthias Gold angesichts des fortgeschrittenen Alters inzwischen ein Thema – er verspürte beim Tod von Freunden und Bekannten sehr viel Nähe und stelle sich die Frage nach dem Danach. Vom Tod ins tägliche Leben berichtete Dr. Schmalz, die konstatierte, dass im christlichen Glauben Gott nicht so präsent sei bei ihr im täglichen Leben. „Es gibt zu wenig Rituale im christlichen Leben, die wir mit nach Hause nehmen“, die vorschlug, Gott mehr neu in den Alltag zu nehmen.

Viele Besucher kamen zur Podiumsdiskussion und brachten selbst Ideen ein.

„Wo sind unsere Kultur und Tradition?“, fragte der Kreispolitiker Mischak, der dazu animierte, über die eigenen Wurzeln nachzudenken. „Von anderen Kulturen können wir dabei lernen“, stellte Mischak fest.  Wir stünden vor großen Herausforderungen, und der Kompass in Form des Glaubens solle wieder neu entdeckt werden. Ein ernster Glaube helfe nach Ansicht der EKHN-Vertreterin Scherf auch bei der Integration: Die Abschottung geschehe aus Angst und in einem Grundvertrauen in Gott solle man in den Dialog eintreten.

Soll die Kirche dem Zeitgeist folgen?

Die Frage, ob die Kirche allen Strömungen des Zeitgeistes folgen soll, nahm ebenfalls einen breiten Raum ein. Schmalz dazu: „Wir müssen die Leute da abholen, wo sie sind“. Ulrike Scherf forderte dazu auf, nicht verletzend zu sein und Menschen mit Respekt und Würde zu begegnen. „Jeder Mensch wird von Gott geliebt und gewollt“. Es sei Aufgabe der Kirche aktuell und populär zu sein. Darin eingeschlossen sei auch Unpopuläres zu sagen.

Die Kirche sollte nach Ansicht von Mischak nicht beliebig werden, sondern einen Mittelweg finden und auch nicht jeden Trend mitgehen. Auch das Verhalten in den sozialen Medien war Thema, wo Ulrike Scherf bekannte, dass jeder Verantwortung trage. Dies sei keine Aufgabe der Kirche, die jedoch mit den „Nettiquette“ den Mitarbeitern einen  Leitfaden für den Umgang mit den sozialen Medien an die Hand gebe.

Vor allem die Theologin war gefragt bei der provokanten Frage aus dem Publikum, ob Gott eine Erfindung der Menschen sei. Ulrike Scherf verneinte dies und erklärte, dass bereits die Bibel voll von Glaube und Zweifel seien und „diese auch Geschwister seien“. Leben sei für Schmalz eine ständige Veränderung und der Zweifel dabei ein guter Bruder. „Gott ist eine Entdeckung und war schon da, der Mensch hat ihn für sich entdeckt“, schloss Jens Mischak die teilweise sehr zum Nachdenken anregende Diskussion. Den sonntäglichen Festgottesdienst hatte Dekanin Luise Berroth mit Chören des Dekanates gestaltet.

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