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Wirtschaftsdezernent Dr. Mischak besichtigte den Betrieb von Kreislandwirt Andreas KornmannErste Schritte in die Landwirtschaft 4.0

ZELL (ol). Die Bandbreite sei immens: Ein Landwirt müsse heute die Fleisch- und Getreidepreise auf dem Weltmarkt genauso im Auge haben wie die Gewitterwolken über seinem Acker. Bauer sein – das hätte nicht mehr so ganz viel zu tun mit ländlicher Idylle, das ließe sich mittlerweile durchaus mit der Leitung eines mittelständischen Unternehmens vergleichen.

Von „ersten Schritten in die Landwirtschaft 4.0“ würde auch Kreislandwirt Andreas Kornmann sprechen, der auf seinem Hof in Zell den Ersten Kreisbeigeordneten Dr. Jens Mischak (CDU) und Anja Püchner, die Leiterin des Amtes für Wirtschaft und ländlichen Raum, begrüßte. Doch bei allem Fortschritt: „Das Tierwohl steht hier im Mittelpunkt“, lobte Mischak nach einem Rundgang durch den Betrieb, wie der Vogelsbergkreis in einer Pressemeldung bekannt gab.

Ländliches Verwöhn-Programm für die Wutz

Die Zahlen, die Kornmann seinen Gästen präsentierte, seien beeindruckend: Rund 530 Zuchtsauen gäbe es auf dem Hof, pro Jahr würden rund 14.000 Ferkel geboren, die nach sieben bis acht Wochen Aufzucht weiter an Schweinemäster in Westfalen verkauft würden.

1200 Tonnen Futter seien Jahr für Jahr nötig: Zum allergrößten Teil würde dies auf den mehr als 200 Hektar Fläche selbst erzeugt und in neuen Futtersilos, ausgestattet mit modernster Technik, gelagert. Apropos Technik: Die fände sich in den Ferkelställen mit Fußbodenheizung oder in den Boxen für die Sauen mit Berieselungsanlagen genauso wie auf den Feldern. Die Äcker würden nämlich komplett pfluglos bewirtschaftet, im Einsatz sei vielmehr ein sogenannter Airseeder.

Beeindruckend sei aber auch der gesamte Ablauf in den großen modernen Ställen. Für jede Phase, von der Befruchtung der Sau über das Abferkeln bis hin zum Verkauf der Läufer, gäbe es eigene, speziell ausgestattete Boxen – auf dem Hof in der Ludwigstraße und in den neuen Stallgebäuden außerhalb des Ortes an der Landstraße nach Romrod.

Alles nach Plan – Von der Besamung bis zum Verkauf

Wichtig dabei sei: Es dürfe keinen „Stau“ im Stall geben, die Ferkel würden in ihren ersten Lebenswochen gleich mehrfach umziehen, da die Boxen der Größe der Tiere angepasst seien. Damit alles reibungslos klappe, müssten die Sauen in einem engen Zeitfenster den Nachwuchs zur Welt bringen. „Wir wissen genau, wann Eisprung ist“, erklärte Andreas Kornmann, dementsprechend würden die Sauen besamt. „Jede Woche ferkeln 25 Sauen“, führte er weiter aus.

Anja Püchner hält eines von rund 14.000 Ferkeln in den Händen, die jährlich auf dem Hof von Andreas Kornmann (re.) zur Welt kommen. Die Leiterin des Amts für Wirtschaft und den ländlichen Raum besuchte mit dem Wirtschaftsdezernenten Dr. Jens Mischak den Betrieb des Kreislandwirts. Fotos: Sabine Galle-Schäfer

Auch die Mutterschweine seien immer wieder in verschiedenen Bereichen untergebracht. Nach der Besamung ginge es für 28 Tage in einen sogenannten Kastenstand – über das Halten der Tiere in einer solchen Box würde in Landwirtschaftskreisen gerade heftig diskutiert, im Raum stünde eine neue Richtlinie, nach der die Schweinezüchter die 70 Zentimeter breiten Stände verbreitern müssten.

Umbauen nach direkten Vorgaben

Auch diese Problematik spricht Kornmann gegenüber dem ersten Kreisbeigeordneten an. „Wichtig ist, dass man den Landwirten, die erst vor kurzem im Vertrauen auf Genehmigungen investiert haben, auch Zeit bei der Umsetzung einräumt und nicht mit der Brechstange vorgeht“, sagte Mischak dazu. Für viele Landwirte würde der Umbau der Ställe nämlich richtig ins Geld gehen, Kornmann hätte Glück, seine Ställe seien großzügig bemessen, er müsste nicht umgestalten.

Und wie steht es derzeit um die Wirtschaftlichkeit? „Die Ferkelpreise sind im Moment stabil“, war die positive Antwort. Doch Kornmann schränkte dann auch gleich ein: „Es hat zwei katastrophale Jahre gegeben“, davon müssten sich die Ferkelerzeuger erst einmal erholen. Viele kleinere Betriebe – immerhin auch mit bis zu 150 Mutterschweinen – hätten die schwierige Zeit nicht überlebt, wusste der Kreislandwirt Kornmann und wies noch auf ein anderes Problem hin: Es sei schwierig, Mitarbeiter für einen landwirtschaftlichen Betrieb zu finden. Kornmann bewirtschafte den Hof gemeinsam mit den Eltern, seine Frau helfe mit, dazu noch ein Auszubildender und ein Mitarbeiter. „Das ist ziemlich sportlich“, sagte der „Bauer aus Leidenschaft“.

„Bauer aus Leidenschaft“ = Kreislandwirt Kornmann

Das sei er wirklich. Kornmann war: „nicht davon abzubringen, Landwirtschaft zu machen“, erinnerte er sich schmunzelnd zurück. Und so hätten er und Vater Udo Kornmann die Entscheidung getroffen, einen Teil des Betriebes auszusiedeln. 1998 sei dies gewesen. Zwei Jahre später wäre auf der Anhöhe zwischen Romrod und Zell das erste Gebäude entstanden, 2004 und 2008 währen zwei weitere Stallungen hinzu gekommen und 2009 schließlich noch das große Getreidelager.

Und auf dem Hof in der Ludwigstraße? Dort kämen die rosa Ferkelchen zur Welt. Gerade am Morgen des Besuchs hätte eine Sau Nachwuchs bekommen – Ein guter Wurf mit 18 Stück. Alle lägen dicht an dicht gedrängt am Bauch des Mutterschweins und dösten ein wenig vor sich hin. Die Sau grunzte leise -es ging allen gut. Andreas Kornmann guckte zufrieden auf seine Tiere. Das sei wieder so ein Moment – da könne er noch richtig Bauer sein.

Ein Gedanke zu “Erste Schritte in die Landwirtschaft 4.0

  1. Wo soll denn in dem ganzen Ablauf des „Produktes“ Tier ein Verwöhnprogramm oder Tierwohl sein? Die Tiere werden hier von Geburt an wie eine Ware behandelt, die so schnell wie möglich vermarktet werden soll. Aufwachsen in einem Bunker ohne viel Tageslicht, ohne frische Luft, ohne mal in der Erde suhlen oder sich wälzen können. Das hat doch nichts mit Tierwohl oder sonstigem zu tun? Mal abgesehen von den Muttersauen, die als Gebärmaschinen herhalten müssen. Leider ist das ja so erlaubt und diese Art von Haltung wird auch leider noch als vorbildlich angesehen. Ich fahre oft an dem Bunker zwischen Zell und Romrod vorbei, es sind genug Land und Wiesen rundherum, wenn die Schweine auch mal raus dürften, mal laufen, das Tageslicht sehen, in der Erde wühlen, dann wäre das für mich im Sinne des Tierwohls, in dem kurzen, traurigen Leben dieser Schweine.

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