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"Wo bitte geht es hier zm Kaninchenzüchterverein?"Zu Gast bei den Osterhasen

Zu Ostern habe ich mich auf die Spur der Osterhasen begeben. Genauer gesagt auf die Suche nach Kaninchen, die eigentlich gar keine Hasen sind. Schließlich heißt es, dass Lokalredaktionen über jeden Kaninchenzüchterverein berichten. Doch auf Oberhessen-live findet sich nach über drei Jahren nicht ein einziger Artikel über die berühmt berüchtigten Züchter. Also höchste Zeit das zu ändern und was bietet sich da als Aufhänger besser an als Ostern, wenn die Langohren in aller Munde sind.

„Wo bitte geht es hier zm Kaninchenzüchterverein?“ So sollte eigentlich vor rund 13 Monaten meine erste Reportage heißen, um mich den Lesern mit dem Klischee schlechthin über Lokalredaktionen vorzustellen. Das Thema landete dann aber schnell in der Schublade und fortan dominierten Feuerwehren, Sport- und Gesangvereine.

In der Woche vor Ostern dann endlich ein neuer Anlauf. Doch Google und Facebook sind nicht gerade das Metier der Vogelsberger Kaninchenzüchter. Unsere einheimischen Züchter agieren da eher noch traditionell und wirklich viel, ist über sie nicht zu finden. Zumindest die Telefonnummern der Vereinsvorsitzenden sind auf manchen Homepages der Kommunen eingetragen. Ich entscheide mich für einen Anruf Thomas Siepl, dem Vorsitzenden des Kaninchenzuchtvereins Schlitz H 249. Siepl freut sich am Telefon über den angekündigten Besuch, gibt aber auch gleich zu bedenken, dass er nicht der „klassische“ Kaninchenzüchter ist, sondern Landwirt im Vollerwerb. Also musste ich mich zunächst von meinem selbst konstruierten Bild im Kopf, einer Kleingarten Idylle mit Hasenzucht verabschieden.

Am Hof angekommen, stechen sofort im Außenbereich die neuen Kälbchen ins Auge und Kindheitserinnerungen werden wach. Rund 40 Milchkühe nennt Siepl sein eigen. Hinzu kommen Rinder, Kälbchen und Bullen und somit in etwa 80 Tiere. Natürlich erkundige ich mich zunächst nach dem Milchpreis und über die aktuellen Herausforderungen der Landwirte. Mit dem Ackerbau und dem Betrieb einer Biogasanlage hat Siepl wie die meisten Landwirte der Region glücklicherweise mehrere Standbeine. Die aktuell rund 50 Kaninchen dagegen sind reines Hobby und in den Tagesablauf am Hof eingebunden.

Jungtiere gibt es zu Osterzeit in Hülle und Fülle.

Keine Osterhasen im Kaninchenstall

Im Kaninchenstall beherbergt Siepl derzeit in etwa 50 Kaninchen. Wie viele es genau sind, kann er gar nicht sagen. „Da müsste ich erst nachzählen. Die Anzahl variiert aber ständig“, erzählt der Landwirt. Er selbst züchtet die Rassen Graue Wiener und Rote Neuseeländer. Dabei herrscht gerade mächtig Betrieb in den Kaninchenställen, denn es gibt reichlich Nachwuchs. Die vier und sechs Wochen alten Klopfer haben bereits eine beachtliche Größe, während die zwei Wochen alten Jungen noch nicht einmal die Augen geöffnet haben. Aber an den Jüngsten ist der Unterschied zwischen Hasen und Kaninchen für den Laien am besten zu erkennen. Denn Kaninchen sind Höhlentiere und bringen dort ihre Jungen nackt und blind zur Welt. Das Muttertier heißt im Fachjargon Häsin, obwohl Kaninchen keine Hasen sind. Immerhin war ich somit zu Besuch bei den Osterhäsinnen.

„Wenn die jungen Kaninchen zwischen acht und zwölf Wochen alt sind, werden sie tätowiert. Dann kommt der Tätowiermeister mit einer Zange“, erzählt Siepl. Zuerst bekomme das Tier ein H für Hessen-Nassau und dann die 249 für den Kaninchenzuchtverein Schlitz. Weiter geht es mit Geburtsmonat- und jahr sowie der Reihenfolge der Geburten. Somit lässt sich der Stammbaum von späteren Häsinnen und Rammlern zurückverfolgen, wenn sie schon einige Jahre alt sind.

In Watte gepackt kommen die Jungen so langsam aus ihrer Höhle.

Im Jahresablauf der Kaninchenzüchter hat Ostern keine besondere Bedeutung

Leider haben die Kaninchenzüchter mit dem Osterhasen nichts am Hut. Wo der Kult um den Osterhasen herkommt, weiß auch Siepl nicht. „Irgendetwas mit Fruchtbarkeit genau wie bei den Eiern“, meint der Vereinsvorsitzende. Das habe zwar nichts mit Kreuzigung und Auferstehungsgeschichte zu tun, sei aber besser für viele Eltern. So könnten sie ihren Kindern Geschichten von Osterhasen erzählen und eben nicht die blutigen Geschichten aus der Bibel.

Jedoch gebe es einige Familien, die ihre Kaninchen bei Züchtern in Pflege hätten und sie dann zu Ostern abholten, um sie im Osternest der ganzen Familie zu präsentieren. Das sei jedoch die Ausnahme. Zufälligerweise hat Siepl genau so ein Kaninchen in Pflege. Die eigentlichen Besitzer würden es mehrmals im Jahr abholen. Weil sie Kinder hätten, komme auch immer zu Ostern das Kaninchen ins Haus. Manche Kaninchenzüchter würden Kaninchen zu Ostern verschenken. „Aber davon bin ich kein Freund“, so Siepl. Oft würden die Kaninchen dann wieder zurückgegeben, weil die Kinder sich nicht um die Tiere kümmerten, oder sobald der nächste Sommerurlaub anstehe.

Die größte Nachfrage nach Kaninchen gebe es jedoch nicht Ostern, sondern in der Weihnachtszeit. Nur dann sind die Kaninchen nicht als Haustier, sondern für den Kochtopf vorgesehen. Bei der Kaninchenzucht ging es ursprünglich ums Essen. Insbesondere in der Nachkriegszeit in Städten dienten die Kaninchen als Nahrungsquelle und galten als klassisches Armeleuteessen. Heute gelten sie hingegen als Delikatesse.

Das Streichelkaninchen in Pflege ist bereits fünf Jahre alt. Zu Ostern wird es bei seinen eigentlichen Besitzern regelmäßig zum Star. Im Kochtopf wird es niemals landen.

Aktives Vereinsleben beim Kaninchenzuchtverein Schlitz H 249

In Schlitz führt der Verein noch ein äußerst aktives Vereinsleben mit einem eigenen Vereinsheim und 80 Mitgliedern, erzählt Siepl. Jedoch seien die Meisten nur noch passive Mitglieder. Aktive Züchter gebe es in Schlitz noch in etwa zehn, schätzt Siepl. Außerhalb der Kaninchenzucht unternehme man gemeinsam einiges, wie etwa Vatertagstouren und die Rentner würden sich unter der Woche noch regelmäßig im Vereinsheim auf ein Bier treffen.

Natürlich geht es auch regelmäßig zu Ausstellungen und Prämierungen. Bis ins französische Metz zur Europaschau seien die Schlitzer im November 2015 gefahren. Dieses Jahr fahren die Schlitzer Kaninchenzüchter im Dezember nach Leipzig zur Bundes-Kaninchenschau. Aber auch innerhalb des Vogelsberges treffe man sich zur Kaninchenschau so wie im letzten Jahr in Hörgenau. Regelmäßige Treffen führen die Schlitzer gemeinsam mit den Züchtern in Großenlüder und Burghaun durch, erzählt Siepl. Abwechselnd richte einer der drei Vereine ein gemeinsames Treffen aus. „In Schlitz wird das Vereinsheim für solche Treffen dann zu klein und man trifft sich im Bürgerhaus“, so der Vereinsvorsitzende.

Bei Kaninchenschauen hat der Schlitzer Vereinsvorsitzende keine großen Ambitionen. Sein Ziel sei es gar nicht, auf den ersten Plätzen zu landen, sondern überhaupt in die Wertung zu kommen. Als Landwirt fehle im einfach die Zeit, um die vorderen Plätze mitzukämpfen. Beispielsweise weiße Büschel oder ein verkrüppelter Ohransatz seien Ausschlusskriterien bei der Bewertung. Vor den Schauen würde er lediglich die Krallen schneiden. Da Kaninchen ohnehin sehr reinliche Tiere seien, schaue er noch, ob kein Dreck zwischen den Pfoten hänge. Generell seien seine Kaninchen besonders pflegeleicht. Lediglich einmal am Tag kommt genügend Futter in den Stall. Kaninchen würden zumeist nachts essen und könnten sich dann nach Lust und Laune auch noch tagsüber bedienen. Dabei bekommen sie bei Siepl Heu, Löwenzahn, Grassilage, Kraftfutter, Hafer, Runkelrüben oder Karotten.

Der Graue Wiener posiert entspannt für ein Foto.

Kaninchenzucht mit langer Tradition

Kaninchenzüchter seien generell ältere Semester. Dabei gehen sie den unterschiedlichsten Berufen nach und als Landwirt sei er da eher die Ausnahme. Die aktivsten Züchter seien allerdings oft Rentner. Meist fange man in jungen Jahren mit der Kaninchenzucht an, höre dann aber wieder damit auf. Ein Neustart folge dann oft viele Jahre später gemeinsam mit den eigenen Kindern oder Enkelkindern. Auch er habe zwischendurch eine Pause eingelegt. Mit seiner Zucht habe er 1980 begonnen. Wann er zwischenzeitlich aufgehört habe, wisse er nicht mehr so genau und in den 90er Jahren, habe er dann wieder angefangen.

Aus dem Kopf heraus zählte der Landwirt viele Kaninchenzüchtervereine im ganzen Vogelsbergkreis auf. Das sind deutlich mehr als ich zunächst erwartet hätte. Dabei hat die Kaninchenzucht in Deutschland eine große Tradition. Bereits im Jahr 1885 fand die erste Kaninchenbewertungsschau in Deutschland statt und in Deutschland gibt es heute noch weltweit die meisten Kaninchenzüchter. Der „Bund Deutscher Kaninchenzüchter“ wurde bereits 1892 gegründet und ist somit acht Jahre älter als der Deutsche Fußballbund, ist über die lange Tradition auf verschiedenen Webseiten zu lesen. Den Schlitzer Verein gibt es übrigens seit 1934, erzählte Siepl.

Nach dem Besuch beim Bauernhof Siepl habe ich mir vorgenommen einen Ratschlag zu befolgen, den mir Siepl schon am Telefon gegeben hatte. In Kürze steht dann der Besuch eines ambitionierten Kaninchenzüchters an, dessen Ziel es ist, bei den verschiedenen Schauen vordere Plätze zu belegen und mir dann einiges über Zucht und Bewertungskriterien erzählen wird. Dann ist zwar nicht mehr Ostern und die Langohren rücken wieder in den Hintergrund, aber Lokalmedien und Kaninchenzüchter gehören irgendwie zusammen. Das behauptet zumindest der Volksmund.

In diesem Sinne Wüche ich Frohe Ostern

von Christian Dickel

Die Rote Neuseeländer Häsin hat aktuell den jüngesten Nachwuchs am Bauernhof.

 

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