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Wolfgang Bosbach zu Gast beim Heringsessen der Alsfelder CDU in Lingelbach„Konservativer Rebell – unabhängiger Geist der Union“

LINGELBACH (cdl). Die Themen Bundestagswahl, Flüchtlingspolitik, Europäische Union und der gesellschaftlich, technologische Wandel standen im Mittelpunkt des Vortrags von Wolfgang Bosbach am Mittwochabend im Gasthaus Gischler in Lingelbach. Knapp über hundert Gäste konnte der CDU Stadtverband Alsfeld zu seinem traditionellen Heringsessen begrüßen.

„Die hohe Arbeitslosigkeit war die größere Ungerechtigkeit als Hartz IV“, rezitierte der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Alexander Heinz den Gastredner bei seiner Ankündigung. Im kommenden Wahlkampf erwarte Heinz eine gewisse Schärfe. Denn sowohl die Alternative für Deutschland als auch der SPD Kanzlerkandidat seien Populisten. Daher müsse die CDU zeigen, für was sie stehe. Es gelte, rot-rot-grün zu verhindern. „Sie gelten als Rebell und unabhängiger Geist in der Union“, so Heinz über Bosbach.

„Ich bin Ihnen dankbar für die Einleitung, denn ich bin kein Rebell. Ich vertrete in allen politischen Fragen Auffassungen, die früher auch Überzeugungen der CDU waren. Ich bin nicht 90 Prozent CDU, ich bin 100 Prozent CDU“, begann Bosbach seinen Vortrag. Allerdings sei er der Auffassung, dass nichts alternativlos sei. Eine große Volkspartei könne nicht immer einer Meinung sein. „80 Prozent finden Politiker doof, aber 90 Prozent freuen sich, wenn sie einen sehen“, so Bosbach mit dem Hinweis, dass in der Bevölkerung großes Interesse an der Politik bestehe.

Von Politikverdrossenheit könne keine Rede sein, sondern von Parteienverdrossenheit. Der Graben zwischen Wählern und Gewählten sei in den vergangenen 45 Jahren zunehmend gewachsen. Es gelte verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Was vor der Wahl versprochen wurde, müsse nach der Wahl auch gelten. „Das ist ähnlich wie im Privatleben. Sie können in wenigen Minuten Vertrauen verspielen und brauchen dann Jahre, um es wieder zu erlangen“, so Bosbach.

 

Stephan Paule, Alexander Heinz, Kurt Wiegel, Wolfgang Bosbach und Dr. Jens Mischak posierten für das gemeinsame Gruppenbild. Foto: kiri

Spitzen gegen Kanzlerkandidat Martin Schulz Bosbach

„Tun sie mir und vor allem sich selbst einen Gefallen und wählen nie in ihrem Leben Politiker, die nicht von Herzen lachen können“, forderte Bosbach. Denn wenn sie an die Macht kämen, habe niemand mehr etwas zu lachen. Alle Diktatoren dieser Welt hätten Angst davor, ausgelacht zu werden. Deshalb verbreiteten sie Angst und Schrecken, weil sie nicht wollten, dass die Menschen froh und glücklich sind. Die SPD sei in diesen Tagen lustig, weil Siegmar Gabriel nicht zur Wahl antrete. Gleichzeitig sei man dort aber beleidigt, wenn es kritische Nachfragen über den politischen Werdegang von Martin Schulz gebe. Wer Bundeskanzler werden wolle, müsse sich aber kritische Nachfragen gefallen lassen.

Am Beispiel von Eurobonds machte Bosbach deutlich, dass „Handlung und Haftung zusammengehören“. Schulze sei für Eurobonds, die CDU jedoch klar dagegen. Innerhalb von Deutschland würde man schließlich auch niemals auf die Idee kommen, die Schulden der anderen Bundesländer zu übernehmen. Europa sei zweifelsfrei gut für unser Land. Man sei zwar der größte Nettozahler, würde aber stark vom Export und dem europäischen Binnenmarkt mit gleich neun Nachbarländern an den eigenen Grenzen profitieren. „Der Euro ist mehr als eine Währung, sondern ein politisches Projekt. Durch die gemeinsame Währung soll der europäische Einigungsprozess unumkehrbar gemacht werden“, führte Bosbach aus.

Im Jahr 2005 sei die rot-grüne Regierung am Ende gewesen. Deutschland habe das niedrigste Wachstum in Europa gehabt und in den Zeitungen sei die Rede vom kranken Mann Europas gewesen. Über fünf Millionen Arbeitslose habe es gegeben. Im Jahr 2017 sei die Arbeitslosenquote auf einem Tiefstand und jetzt wolle die SPD zurück zur damaligen Politik. Bosbach warnte, dass die SPD nicht zögern werde, eine rot-rot-grüne Koalition einzugehen.

Deutschland ist nicht der Mittelpunkt der Welt

„Wir waren ganz überrascht, weil die Amerikaner uns nicht gefragt haben, wenn sie als Präsidenten wählen“, scherzte Bosbach. Trump werde hart kritisiert und das sogar völlig zu Recht. Wenn es nicht so traurig wäre, müsse man in diesem Fall sagen, dass man jetzt hoffe, dass er seine Wahlversprechen nicht wahr mache. Jedoch müsse man mit Trump leben und sich entsprechend arrangieren. „Wir halten uns für den Mittelpunkt der Welt, sind es aber nicht“, kommentierte Bosbach. Alleine könne Deutschland seine Positionen nicht durchsetzen. Deutschland habe gerade einmal 1,2 Prozent der Weltbevölkerung. „Aber wenn sich Europa bei den zentralen politischen Fragen einig ist, dann sind wir stark“, so Bosbach.

Darüber hinaus solle man die territorialen Grenzen Europas nicht bis an die Grenzen Syriens oder den Irak ausdehnen. „Ich bin strikt gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union“ erklärte Bosbach unter lauten Applaus im Saal. Daraufhin wandte er sich dem Ukrainekonflikt zu. „Wenn der Versuch Erfolg hat, mit Waffengewalt Grenzen zu verändern, wird es nicht bei dem einen Versuch bleiben“, zeigte sich der Rheinländer überzeugt. Die Freiheit in Europa basiere darauf, die historisch gewachsenen Grenzen zu akzeptieren.

Geschenke für den Gastredner. Foto: kiri

Fluchtbewegungen als Herausforderung für ganz Europa

Er stehe voll und ganz hinter der Entscheidung, im Jahr 2015 die Grenzen zu öffnen. Damals habe eine humanitäre Katastrophe insbesondere in Ungarn gedroht. „Aber ich bin der Meinung, dass man danach zur Anwendung des geltenden Rechtes hätte zurückkehren müssen“, bekräftigte der 64-Jährige. „Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt“, so Bosbach. Selbstverständlich bekämen politisch Verfolgte Schutz. Man müsse aber unterscheiden, wer wirklich schutzbedürftig ist und wer lediglich ein besseres Leben wolle. In sämtlichen Ländern sei Aufnahmepolitik restriktiver geworden. Deutschland habe mit der Aufnahme von 850.000 Flüchtlingen im Jahr 2015 mehr Menschen aufgenommen als alle anderen 27 EU-Staaten zusammen. Allerdings gelte die Einschränkung, dass einige Länder Pro-Kopf mehr Menschen aufgenommen hätten. jedoch mit der Einschränkung das im Pro-Kopf-Verhältnis andere Länder mehr Flüchtlinge aufgenommen hätten.

Ohne die ehrenamtlichen Helfer damals sei das nicht zu schaffen gewesen und sämtliche staatlichen Institutionen seien auf die Mithilfe angewiesen gewesen. Jedoch könne kein Land unbegrenzte Integration betreiben und Deutschland sei nah an der Aufnahmegrenze. Es habe schon eine Fülle von Kurskorrekturen gegeben. „Das traurigste Kapitel trägt die Überschrift Europa. Es gibt eine große Diskrepanz zwischen der europäischen Rhetorik und der europäischen Realität“, so Bosbach. Schon vor zwei Jahren habe die EU Italien und Griechenland mit Flüchtlingen entlasten wollen. Passiert sei jedoch wenig.

„Was ich jetzt sage, kann die Bundeskanzlerin und der Außenminister nicht so sagen, aber man muss es sagen“, leitete Bosbach ein. Sieben Länder würden sich standhaft weigern, ihren Anteil an geflüchteten Menschen aufzunehmen. „Es handelt sich ausnahmslos um Länder, die mit weitem Abstand die meisten Hilfen der Europäischen Union bekommen – Jahr für Jahr in Milliardenhöhe“, erläuterte Bosbach. Das habe nach seinem Verständnis nichts mit europäischer Solidarität zu tun. Die Nehmerländer müssten bei der Aufnahme ebenso mithelfen.

Helmar Bünnecke vom Buch 2000 mit den Büchern von Bosbach. Foto: cdl

Zukünftige Herausforderungen für Deutschland

Abschließend beschäftigte sich der 64-Jährige mit viel Humor dem technologischen Wandel in der Gesellschaft. Früher habe man noch draußen gespielt. „Das größte Abenteuer für die Junge Union ist, mit sieben Prozent Akkuleistung das Haus zu verlassen“, so Bosbach und weiter. „Das muss ich der Jungen Union erklären, früher gab es Festnetz. Früher gab es Telefonzellen, das ist ein Smartphone mit Tür.“ Heute gebe es weltweit mehr Menschen mit Smartphone als mit Zahnbürsten. Der ganze Prozess habe lediglich neun Jahre gedauert. Mitten in seinen Ausführungen klingelte laut ein Smartphone, was die Stimmung zusätzlich aufheiterte.

Jedoch wurde Bosbach schnell wieder ernst. Denn Deutschland sei einmal Weltmarktführer in der Unterhaltungselektronik gewesen und heute sei das Land im Übergang von der Industriegesellschaft in die Wissensgesellschaft abgehängt. Den Computer habe zwar Konrad Zuse erfunden, aber das Land könne längst nicht mehr mithalten. Die einzige Antwort darauf sei Bildung, Bildung und noch mal Bildung. In alten Industrien wie Maschinenbau oder in der Chemie sei man weiterhin Weltklasse.

Alle griechischen Aktiengesellschaften zusammengenommen, hätten einen niedrigeren Börsenwert als der mittelgroße Dax-Konzern Linde. Jedoch seien die größten deutschen Dax-Konzerne zusammen nicht so viel Wert wie Apple oder Google alleine. Man müsse sich schon fragen, wie es kommt, dass man den Anschluss verloren habe. Hinzu komme, dass viele Schwellenländer diese Entwicklung vor 15 Jahren bereits aufgenommen hätten. China und Indien würden als die bevölkerungsreichsten Länder der Erde in allen Breichen mächtig aufholen. Mittlerweile sei China der größte Handelspartner der Bundesrepublik.

„Bei allen Sorgen und Problemen, die wir haben, sollten wir optimistischer sein. Uns geht es immer noch besser als den meisten Menschen auf der Erde und dafür sollten wir dankbar sein“, schloss Bosbach seinen Vortrag.

 

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