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MEINUNG: Was war 2016 für ein Jahr? Eins der Angst und des Terrors? Ein Kommentar von Luisa StockNein, 2016 war kein beschissenes Jahr

MEINUNG|ALSFELD. 2016 – das war es dann wohl. Es ist fast geschafft und wieder liegt ein Jahr hinter uns, wie schnell doch die Zeit vergeht und wieder steht ein neues Jahr vor der Tür. Und was bleibt uns vom Alten? War 2016 ein besonders gutes, ereignisreiches Jahr, das einem gerne in Erinnerung bleibt? War es vielleicht ein durchaus bewegendes Jahr? War es schlicht und einfach ein Jahr wie jedes andere auch oder war es doch einfach nur beschissen? Ich weiß es nicht – aber ich versuche, eine Antwort zu finden.

Es ist vorbei – zumindest fast. In wenigen Stunden werden wir alle in der Dunkelheit der Nacht stehen und ein neues Jahr feiern. Drei, zwei, eins: der Sektkorken knallt, Frohes-Neues-Jahr-Wünsche hallen durch die Nacht, gute Vorsätze – die oft schon wenige Tage, nachdem sie ausgesprochen wurden, wieder gebrochen werden – werden festgesetzt und neue Ziele und Hoffnungen für ein neues Jahr, eine neue Ära werden geträumt. Für einen kurzen Augenblick scheint all das Vergessen zu sein, was 2016 war.

In diesem Moment schweift der Gedanke ab. Was wünsche ich mir für das neue Jahr? Was soll anders werden als im Alten? Wie war das alte Jahr?

Wie 2016 wirklich war

Wenn ich an das Jahr 2016 zurückdenke – so lange ist es ja doch noch nicht her und trotzdem muss ich mich anstrengen, um auch wirklich alles wieder ins Gedächtnis zu rufen – fällt mir im ersten Moment nur eins ein: 2016 war kein gutes Jahr. Um ehrlich zu sein: 2016 war ein ziemlich beschissenes Jahr. Nicht privat, sondern für die Welt. Terror, Angst und Hass bestimmten das Lebensgefühl. Nicht dauerhaft, nein – aber immer mal wieder und verstreut auf der ganzen Welt.

2016 war ein beschissenes Jahr – oder?

Erst kurz vor Weihnachten der Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt, der stark an den nur wenige Monate vorher stattgefundenen Anschlag in Nizza erinnerte. Nicht zu vergessen der Anschlag in Brüssel – oder die zahlreichen anderen Anschläge in der Türkei, dem Irak, Afghanistan und, und, und. Die Liste ist lang, sehr lang sogar. Um genau zu sein: 106 – nicht alle islamistisch. Die Liste der Toten und Verletzten, noch mal um einiges länger. Das lässt natürlich kein gutes Gefühl zurück, wenn man an 2016 denkt.

Leben wir in einer Zeit des Terrors?

Immer wieder saß man vor dem Fernseher und folgte schockiert den neusten Meldungen – zuletzt im Dezember. Damals sagte ein Nachrichtensprecher: „Wir leben in einer Zeit des Terrors.“ Der erste Gedanke: niemals. Trotzdem stimmten mich diese Worte nachdenklich. Leben wir wirklich in einer Zeit des Terrors? Beschreibt das unsere Zeit? Bestimmen Hass und Angst unser Leben? War das unser 2016?

Meinen Hass bekommt ihr nicht.Antoine Leiris

Nein zu Hass, Angst und Terror, der mein 2016 beschreiben soll. 2016 hat wehgetan – das kann man nicht verleugnen, aber es wird nicht zum Stigmata. Ich werde mich nicht verstecken. Antoine Leiris, der französische Journalist, dessen Frau beim Terroranschlag von Paris im vergangenen Jahr getötet wurde, beschrieb es mit ergreifenden und mutigen Worten.

Worte, die um die Welt gingen: „Ich werde euch jetzt nicht das Geschenk machen, euch zu hassen. Sicher, darauf habt ihr es angelegt – doch auf diesen Hass mit Wut zu antworten, das hieße, sich derselben Ignoranz zu ergeben, die aus euch das gemacht hat, was ihr seid. Ihr wollt, dass ich Angst habe, dass ich meine Mitbürger mit Argwohn betrachte und meine Freiheit für meine Sicherheit opfere. Vergesst es. Ich bin und bleibe der, der ich bin.“

Darin liegt die Antwort. Nein, 2016 war kein Jahr des Terrors, kein Jahr der Angst. 2016 war kein beschissenes Jahr. 2016 ist das Jahr der Antwort, denn hinter all dem Terror kamen zwei sehr wichtige Dinge hervor: Mut und vor allem Menschlichkeit. Klar, manche wollen einfach das alte Jahr hinter sich lassen und sich nicht mehr umdrehen.

Was uns das vergangene Jahr für das neue Jahr bringt

Aber die Wahrheit ist: das geht nicht, tragen wir doch die Vergangenheit mit in die Zukunft. Einfach vergessen ist also nicht drin: wir müssen das, was passiert ist reflektieren und die Lehren daraus mit in das neue Jahr tragen. Auch wenn in der Zukunft unsere Ängste wohnen, wohnen da gleichzeitig unsere Hoffnungen. 2016 war kein beschissenes Jahr – es machte uns stärker und gab uns Mut. Mut, auch 2017 nicht mit geduckten Köpfen auf die Straße zu gehen. Mut die zu sein, die wir sind.

Von Luisa Stock

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