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Kommunalpolitiker wollen sich über die Parteigrenzen für Geburtshilfe stark machen - jedoch überwiegt die Skepsis„Gallisches Dorf versucht Standards zu halten“

ROMROD (cdl). Alle im Kreistag vertretenen Parteien haben sich einstimmig dafür ausgesprochen nach Möglichkeiten zu suchen die Geburtshilfe im Alsfelder Kreiskrankenhaus aufrecht zu erhalten oder nach einer Alternative zu suchen.

Dass es dennoch eine rund einhudertminütige hochemotionale Debatte wurde, lag nicht an der Einstimmigkeit der Kreistagsabgeordneten, sondern an den Fakten die Landrat Manfred Görig und der Erste Kreisbeigeordnete Dr. Jens Mischak auf den Tisch brachten. Die Politiker wollen zwar mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für den Erhalt kämpfen, jedoch werden die Erfolgsaussichten als äußerst gering eingeschätzt.

Einzelne Anträge zum Erhalt oder der Suche nach möglichen Alternativen hatten die Große Koalition, die FDP sowie die Grünen mit einem Änderungsantrag der Linken eingebracht. Eigentlich war von Beginn an klar, dass man über die Parteigrenzen hinweg, gemeinsam beschließen wollte, um „mit einer Stimme für den Vogelsberg zu sprechen“.

Dr. Udo Ornik von den Grünen eröffnete die Diskussion. „Man sieht an den Anträgen, dass wir große Einigkeit haben sollten. Wie wir das umsetzten, dafür gibt es verschiednen Möglichkeiten“, so Dr. Ornik. Darüber hinaus gehe er davon aus, dass die beiden Landtagsabgeordneten Kurtz Wiegel (CDU) und Eva Goldbach (Grüne) bereits beim Land aktiv geworden seien. „Das was der Landrat jetzt tut ist sicherlich in Ordnung, aber wenn es nicht klappt, brauchen wir Alternativen“, forderte Dr. Ornik. Als Beispiel regte er die Gründung eines Zweckverbands mit der Stadt Alsfeld an.

Der Kreisvorsitzende der SPD Matthias Weitzel gab zu bedenken, dass man in der Diskussion jedoch ehrlich sein müsse. „Wir sind das gallische Dorf, das versucht die Standarts zu halten“, zeigte sich Weitzel kämpferisch. Auf der anderen Seite räumte er aber auch ein, dass es sehr schwierig werde überhaupt genügend Ärzte zu finden und man die Kosten nicht aus den Augen verlieren dürfe. „In Alsfeld standen die Ärzte schon immer Schlange“, so Weitzel zynisch. Mit dem Blick nach Bayern räumte Weitzel ein, dass dort die Landesregierung den ländlichen Raum viel besser unterstützen würde. Er habe nie gedacht, dass er das einmal sagen werde und in diesem Punkt den Grünen zustimmen müsse.

Bürger haben den Politiker eine klare Aufgabe gegeben

Der Kreisvorsitzende der FDP Mario Döweling machte deutlich, dass man sich in dieser Anlegenheit nicht verschließen werde und mit allen Parteien zusammarbeiten wolle. „Ich muss dem Landrat zustimmen, dass es an den schlechten Rahmenbedingunen liegt“, machte Döweling die Landes- und Bundesregierung für die bevorstehende Schließung der Geburtshilfe verantwortlich. Er wünsche sich, dass die beiden Landtagsabgeordneten beim Gesundheitsminister vorstellig werden. „Wir müssen im Kreistag zusammenstehen und dürfen uns von den Übergeordneten nicht ausstechen lassen. Der Kreis hat getan, was er tun kann und sogar darüber hinaus. Die Verantwortlichkeit liegt für uns ganz klar auf den höheren Ebenen“, bekräftigte Döweling nochmals.

Es wäre schädlich, wenn wir in dieser bedeutenden Frage mit unterschiedlicher Zunge sprechen würden. Die Fraktionen seien bereits vor der Sitzung zum Konsens gekommen alle Punkte redlich abzuarbeiten. „Wir dürfen allerdings keine Hoffnungen wecken, wo keine sind“, fasste der Kreisvorsitzende der CDU Stephan Paule zusammen. „Wir müssen zunächst mal das Unmögliche ausschließen und dann das mögliche angehen“, so Paule. Der Standort Alsfeld sei ein unheimlich wichtiger Faktor. „Die Reaktion der Öffentlichkeit in den Sozialen Netzwerken gibt uns einen ganz besonderen Auftrag“. ergänzte Paule. Das Krankenhaus habe für die Region eine besondere Bedeutung. Der Betrieb dieses Hauses müsse als bedeutendes Gesundheitszentrum funktionieren.

Der Harmoniegestaltung werde sich die Linke gerne anschließen. „Wir werden allen Anträgen zustimmen“ so Michael Riese von den Linken. Daher werde man einen eigenen Antrag zu einem gesamtheitlichen Gesundheitskonzept erstmal zurückziehen und ihn zu einem anderen Zeitpunkt wieder zur Sprache bringen. „Der Fokus gilt jetzt der Geburtshilfe. Mit dem Finger auf Berlin und Wiesbaden zeigen wird nicht reichen“, ergänzte Riese. Das Land habe eine gesetzliche Verpflichtung. Darauf müsse man drängen, weil es laut Gesetzgeber in jedem Landkreis mindestes eine Geburtenstation geben müsse.

Görig geht auf den aktuellen Stand ein

„Ich bin überrascht, dass man versucht alle bekannten Tatsachen zu verleugnen. Ich kann den öffentlichen Druck verstehen. Ich muss als Landrat das ganz inhaltlich vertreten“, so Landrat Manfred Görig. Das Geld sei am Ende nicht mehr ausschlaggebend gewesen, die Rahmenbedingungen hätten zur Entscheidung der Ärzte geführt. Mit einem Plus von 15 Prozent an Geburten sei man im vergangenen Jahr hessenweit führend gewesen. Die Ärtze wollten auch weiterhin die Vor- und Nachsorge betreuen, jedoch nicht mehr die Gebürten. Im vergangenen Jahr hätten bereits 558 Frauen aus dem Vogelsberg mit ihren Füßen abgestimmt und hätten ihre Kinder außerhalb des Vogelsbergkreises auf die Welt gebracht.

Die kleinen Krankenhäuser würden in Zukunft  immer mehr Druck bekommen. Es werde immer mehr von ihnen verlangt. „Der Bund will die Häuser nicht“, so Görig. Selbst wenn man die Untersützung vom Land bekommen werde, würden die Krankenkassen Klage einreichen und somit die Geburtshilfe verhindern. „Ich glaube wir machen uns gerade alle etwas vor“, zeigte sich der Landrat skeptisch.

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Ein Blick ins Plenum.

Weitere Wortmeldungen kurz zusammengefasst

„Ein Kreis der keine Geburtenstation mehr hat, ist nicht überlebensfähig. Mit dem Verlust tragen wir dazu bei, dass wir strukturschwach bleiben“, so Edith Köhn-Müller von den Grünen.

„Es gibt drei Phasen im Leben, Geburt, Leben Tod, jetzt wird die Phase Geburt gestrichen. Man hat uns das Wasser weggenommen, die Region mit Windrädern zugestellt und jetzt werden die Geburten weggenommen. Das führt zu einer dauerhaften Destrukturierung unseres Landkreises. Das dürfen wir nicht als gegeben hinnehmen“, sagte Dieter Wellker von den Freien Wählern.

„Der Landrat hat die Konsequenzen aufgezeigt. Selbst mit dem Sicherungszuschlag des Landes sind wir nicht sicher, weil die Krankenkassen klagen. Das kennen wir schon aus der Vergangenheit. Dafür danke ich dem Landrat, dass er es herausgestellt hat“, so Kurt Wiegel MdL.

„Es gehört ein Stück Ehrlichkeit dazu. Der Landrat ist in einer anderen Rolle. Wir versuchen seit März dieses Jahres eine Stelle für das Gesundheitsamt zu besetzen, bisher ist keine einzige Bewerbung eingegangen. Wir dürfen keinen Sand in die Augen streuen“, unterstützte der Erste Kreisbeigeordnete Dr. Jens Misch die Ausführungen des Landrats.

„Wir werden in eine Systemvorgabe gepresst. Die Vorgaben passen nicht zum ländenlichen Raum und nicht zu unseren Lebensbedingungen. Wir erleben ununterbrochen David gegen Golliath. Es ist überall dasselbe – bigo, Windräder, Wasser. Wir haben so viele Stimmen bei der Geburtshilfe aus der Bevölkerung wie niemals zuvor. Wir sollten diese Stimmen bündeln und unseren Landtagsabgeordneten mitgeben, um ihnen den Rücke zu stärken“, schlug Dr. Birgit Richtberg vor.

„Ich stimme zu, dass die Geburtenstation in Alsfeld erhalten werden soll. Ich bin dafür, aber wenn ich den Landrat höre, dann reden wir über ein totgeborenes Kind. Man sollte vorsichtig sein, der Bevölkerungen falsche Aussichten zu machen“, so Gerhard Wahl von der AfD.

„In Schotten haben wir vor acht Jahren die Geburtshilfe geschlossen unser Krankenhaus gehört zur Wetterau. Für Frauen aus dem südlichen Vogelsberg war Alsfeld nie eine Alternative, Für sie kommt eigentlich nur Lich oder Bad Nauheim infrage – alles andere macht für sie keien Sinn. Die Familien wünschen sich eine gute Vor- und Nachsorge. Bei uns redet heute niemand mehr über die Geburtenstation in Schotten. Allerdings werden  wir in den nächsten Jahren Probleme bekommen, die Grundsicherung an allen Standorten zu halten“, fasste Susanne Schaab schon die kommenden Herausforderungen ins Auge.

„Der Großteil unserer Bevölkerung ist für die Geburtshilfe und die Grundsicherung. Wir müssen die Geburtenstation zu unserem Leuchtturmprojekt machen. Geburt ist keine Krankheit. Eine Geburt wird von einer Hebamme durchgeführt und nicht von einem Arzt“, wies Jens Heddrich auf eine Alternative hin.

4 Gedanken zu “„Gallisches Dorf versucht Standards zu halten“

  1. @Björn
    Sind sie froh dass ihr Kind noch 2016 auf die Welt gekommen ist.Kein Rettungssanitäter im Krankenwagen hätte was machen können wenn es Komplikationen gegeben hätte.Das interessiert aber keinen .Man hat ja seine Statistik. Sprichwort:Glaube keiner Statistik die man nicht selbst gefälscht hast.

  2. Ich bin vor zwei Tagen zum zweiten mal Vater geworden. Unser Kind hat uns gerade einmal eine halbe Stunde Zeit gelassen um auf die Welt zu kommen. Selbst die Hebamme wurde von der Geschwindigkeit des neuen Lebens überrascht. Danke noch mal an alle für die gute Arbeit die ihr in der Geburtsstation leistet ob Hebamme, Ärzte oder Schwestern. Hätten wir in eines der immer wieder genannten Krankenhäuser fahren müssen, wäre das Kind auf der Straße zur Welt gekommen. Ein Einzelfall ja, aber es wird vermutlich nun öfter Geburten im Krankenwagen geben. Oder man muss sich einen Tag früher ins Krankenhaus legen. Für einen Kaiserschnitt ok aber für eine natürliche Geburt nicht planbar. Eigentlich müssten sich nun alle Frauenärzte des Kreises zusammenschliesen zusammen mit Politik, Kassen und wer sonst noch Verantwortung trägt um ein vernünftiges Konzept zu erarbeiten damit keiner auf der Strecke bleibt. Den Kopf in den Sand stecken bringt nichts. Ich bitte alle Entscheidungsträger sachlich mit der Angelegenheit umzugehen. Es geht schließlich um das Wohlergehen der zukünftigen Mütter und der neugeborenen Kinder. Es ist ein Stück Heimat und Verbundenheit, dass bei der Schließung dieser Station verloren geht. Ein Stück Sicherheit für die werdenden Mütter des einzugbereiches des Kreiskrankenhauses. Aber auch der Verlust von motivierten Mitarbeitern die alles daran setzen das es der Mutter und dem neugeborenen Baby die ersten Tage nach der Geburt Geborgenheit und ein Stück Sicherheit vor Ort gibt. Werte verantwortlich aller Parteien, Ärzte, Krankenhausmanagement und Kassen, es muss bezahlbar sein ja, aber es gibt nun mal Bereiche da passt dieses nun mal nicht. Leider hätten diese Diskussionen viel früher anfangen müssen und nicht drei Monate vor der Schließung.
    Ich hoffe das es noch mal abgewendet werden kann, wenn alle an einem Ende des Seiles ziehen und nicht für Ihre eigenen Werte oder Schlagzeilen. Es geht letztendlich um ein Stück Sicherheit das jede werdende Mutter benötigt.

  3. Zum Ende des Artikels wird sogar die Grundsicherung in Frage gestellt. Und die Herrn im Foto grinsen. Für mich befremdlich. Es wird bis heute und es nimmt kein Ende so viel Geld für Leute ausgegeben die unser System nur ausnutzen. Man nehme auch die Banken. Gerücht: Regierung schürt Hilfspaket für Deutsche Bank.Man muss sich das mal vorstellen. Die Banker setzen aber Milliarden in den Sand , halten sich an keine Gesetze, werden von der Regierung (uns) womöglich gerettet. Aber kein Geld für eine Geburtsstation oder Grundversorgung im VB. Keiner getraut sich gehen seine Könner Klartext zu reden. Wenn man auch liest von Vorgaben und Bestimmungen und die Krankenkassen ziehen vor Gericht fragt man sich doch wissen diese Herrn nicht mehr wer die Gesetze beschließt???

  4. Das sind “ Helden“!!! Neuste Meldung 27min plus (für Schwangere) alles zumutbar. Aber dass Flüchtlinge und Asylbewerber für ihr Geld das sie von uns Steuerzahler bekommen (nicht von A.M.) arbeiten sollen, unzumutbar. Jeder weiß mittlerweile alles was man nicht selbst verdient ist nichts wert. „Man muss den Fisch erst fangen bevor man ihn Essen kann. Jetzt wird es heißen das hat nichts mit der Geburtsstation zu tun. Aber ja!!!
    Das geht sowieso in die Hose.Die Schuldigen,wie man jetzt schon heraushört sind die anderen.

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