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Eine "eingeschränkt unabhängige" Einrichtung informierte über eine komplexes Thema„Bürgerdialog Stromnetz“ sprach über Suedlink

VOGELSBERGKREIS (cdl). Der „Bürgerdialog Stromnetz“ hatte gestern in die Alsfelder Stadthalle eingeladen, um interessierte Bürger über das Thema Suedlink zu informieren. Das weltweit einzigartige Projekt mit einer Erdverkabelung über eine erhebliche Länge sorgt seit Jahren für Diskussionen.

Hauptsächlich Mandatsträger waren in die Stadthalle gekommen und hörten sich die Vorträge an und stellten Fragen. Nicht nur die Alsfelder Stadtpolitiker, sondern viele Kreispolitiker waren gekommen. Außerdem war das komplette politische Spektrum vertreten.

Ein älterer Herr schimpfte bereits beim Betreten des Raums: „Die sind doch alle von den Großkonzernen bezahlt. Informationen gibt es hier nicht. Nur Desinformation. Von der Stromleitung haben wir nichts. Die geht durch ganz Hessen und man kann keine Knotenpunkte anlegen. Das lässt die Technik nicht zu. In Bayern haben sie genug Strom. Alles nur Geldmacherei.“

Zuvor hatte der „Bürgerdialog Stromnetz“ zum Pressegespräch geladen und informierte über das geplante Projekt Suedlink. Dabei stand jedoch viel mehr die Komplexität des Mammutprojekts im Vordergrund als die Frage nach dem Sinn und Zweck. Bis auf den älteren Herren hörten sich die meisten Besucher die Vorträge an und stellten Rückfragen.

Die Erdverkabelung wirft viele Fragen auf

„Eine Forderung der Bürger ist im letzten Jahr gewesen, wir wollen keine Hochspannungsleitung über Land. Jetzt, wo das Erdkabel kommt, tun sich neue Fragen auf“, eröffnete Mikiya Heise vom „Bürgerdialog Stromnetz“ das Pressegespräch. In der Bauphase wird eine Schneise quer durch die Bundesrepublik von Norden nach Süden in einer Breite von 45 bis 55 Metern geschlagen, erklärte Heise. Die Breite werde für den Aushub und die Baufahrzeuge benötigt. Die Kabel kommen in einer Tiefe von 1,70 Metern unter die Erde, bevor der entstandene Graben wieder mit dem Aushub befüllt wird.

Hauptsächlich gehe es bei der Infoveranstaltung um die Erdkabel, aber es kämen auch Fragen über elektromagnetische Felder, Wärmeentwicklung oder die Trassenführung durch Naturschutzgebiete auf. Die Schneise werde nach Beendigung der Bauarbeiten wieder deutlich schmaler. „Allerdings dürfen keine tiefwurzelnden Hölzer gepflanzt werden, weil sonst die Gefahr von Kabelschäden besteht“, so Heise. Im Wald werde die Schneise 20 bis 30 Meter betragen. Beim Ackerbau gebe es keine Einschränkungen. Außer dass es im Bereich der Kabel in etwa ein Grad wärmer werde. Bei Schneefall könne man das dann beobachten.

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Mikiya Heise vom „Bürgerdialog Stromnetz“ führte durch die Halle und Stand Rede und Antwort.

Auf Nachfrage berichtete ein Experte, dass es zu einem Stromverlust von 60 Watt pro Meter Kabel kommt. Die sogenannte Hochspannungsgleichstromübertragungstechnik (HGÜ) wird immer dann eingesetzt, wenn man Strom über weite Strecken transportieren muss, so der Experte. Die Mehrkosten der Erdverkabelung belaufen sich laut dem Fachmann in etwa auf das Dreifache verglichen mit einer Freileitung. Bei Flüssen Autobahnen oder Gebirgen würde es entsprechend teurer, das gleiche sich aber wie durch die flachen Landschaften im Norden aus.

Die Trassenplanung, die bisher noch völlig unbekannt ist, werde erst im Herbst von den Betreibern Tennet und Transnet BW vorgestellt. Man wolle die Bürger jedoch rechtzeitig informieren, damit sie bereits jetzt wissen, an wen sie ihre Belange und Eingaben wenden können. An den drei aufgebauten Thementischen könnten bereits viele Fragen vorab geklärt werden. „Grundsätzlich wird in jeder Region Deutschlands die Frage nach dem Bedarf der Leitungen gestellt. Inwiefern der Bedarf besteht, darüber muss letztendlich der Bundestag entscheiden“, so Heise.

Ständiger Ansprecherpartner vom „Bürgerdialog Stromnetz“ für die Region

Ansprechpartner für die Bürger in der Region ist Tim Sommers mit einem Büro in Kassel, der auch für Fulda und den Vogelsberg zuständig ist. „Gerade mit Landwirtschaftsverbänden hatte ich in der letzten Zeit oft zu tun. Sie kommen auf mich zu und klären Fragen mit mir ab. Auf Einladung von Forstverbänden war ich zuletzt im Werra-Meißner-Kreis“, erzählte Sommers. Der Zeitrahmen für Suedlink ist für das Jahr 2025 geplant. Ursprünglich sollte das Projekt 2022 mit Freileitungen abgeschlossen werden, berichtete Sommers. Jedes Jahr, das nicht gebaut werde, koste eine Milliarde Euro wegen Ausgleichsmaßnahmen, die zwischen Nord und Süd gemacht werden müssten.

Das Erdkabel werde sehr gerade durch die Republik verlaufen. Die Bundesnetzagentur habe das Gebot der Geradlinigkeit bestätigt. „Es gibt zwar Ausnahmen, aber alleine aus Kostengründen wird man anstreben, ein gerade Linie zu ziehen“, erklärte Sommers. Siedlungen müssen jedoch umbaut werden, eine Unterführung sei nicht möglich. Ebenso dürfe über ein verlegtes Kabel nicht gebaut werden.

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Tim Sommers ist der Ansprechpartner in der Region. Er ist bei Fragen in seinem Büro in Kassel erreichbar.

„Bürgerdialog Stromnetz“ eingeschränkt unabhängig

Alle Vorträge für die interessierten Bürger seien auf fünf bis zehn Minuten ausgelegt. Jedoch halt man sich nicht an eine feste Struktur, sondern gehe auf die Fragen der Bürger ein. Die Diskussion komme immer ganz auf das Publikum an, einige zeigten Interesse andere seien komplett dagegen. Die Bereitschaft der Bürger sich zu beteiligen steige je konkreter die Planung ist, aber dann könnte es bereits zu spät sein, so Heise.

Heise stelllte auch nochmal den „Bürgerdialog Stromnetz“ vor, um mit Vorurteilen aufzuräumen. „Wir werden von Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) gefördert. Wir sind nicht unabhängig. Allerdings agieren und kommunizieren wir eigenverantwortlich. Wir stimmen uns mit dem BMWi nicht ab“, berichtete Heise. „Von den Übertragungsnetzbetreibern sind wir völlig unabhängig. „Sie haben teilsweise ähnliche Interessen und teilweise ganz gegensätzlich Auffassungen. Aber wir stehen mit ihnen in Kontakt. Ansonsten könnten wir nicht im Vorfeld über den Stand der Planungen informieren. Wir sind Weisungsungebunden und bekommen von ihnen auch kein Geld.“

Für Heise sei das Veranstaltungsziel die Komplexität des Themas den Bürgern näher zu bringen. Wer denke, das Thema mit einem Satz lösen zu können, sollte eines besseren belehrt werden. Es gebe Beteiligungsmöglichkeiten, aber dafür brauche man ein überaus profundes Wissen. Wirtschaftliche und ökologische Aspekte, Planungsrecht bis hin zur Physik, das europäische Verbundsnetz spiele eine Rolle, die Richtlinien zur Energiewende mit Abschaltung der AKWs und Erneuerbaren Energien. Da komme man mit einfachen Parolen nicht weit. Beteiligung mache nur dann Sinn, wenn die Leute sich vorab schon einmal Schlau gemacht haben, dazu müsse man zum Beispiel auch berichte der Bundesstrahlenkommison lesen und nicht einfach mal schnell das Thema googlen. Abschließend bezeichnete er den „Bürgerdialog Stromnetz“ als „eingeschränkt unabhängig“.

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Einige ältere Menschen waren neben den vielen anwesenden Politikern am Thema interessiert.

 

 

 

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