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Abschlusskonzert "Alsfeld Musik Art" mit "The International Trio"Ungezügelte Begeisterung für vier Jazz-Virtuosen

ALSFELD. Frenetischen Applaus, neidlose Anerkennung und ungezügelte Begeisterung ernteten vier Musiker bei ihrem Zwischenstopp auf ihrer Ostertournee in Alsfeld: „The International Trio“ mit Special Guest Oliver Franc aus Paris. Im Rahmen des Abschlusskonzertes der Saison „Alsfeld Musik Art 2015/2016“ spielten die ausdrucksstarken Instrumentalisten Sonntagabend vor Liebhabern von New Orleans Jazz und Harlem Swing.

Die Aula in der Sekundarstufe I des Albert-Schweitzer-Gymnasiums war bis auf den letzten Platz gefüllt – neben „einfachen Jazz-Fans“ waren auch viele Kenner und Aktive der Vogelsberger Musikszene im Publikum, die sich die 1981 als „The Art Hodes International Trio“ gegründete Jazz-Formation nicht entgehen lassen wollten.

Nach der Begrüßung durch den Veranstalter betrat zunächst Trevor Richards die Bühne und ergriff das Wort. „In den letzten 35 Jahren bin ich um diese Zeit immer unterwegs“, erzählt der gebürtige, inzwischen ältere Herr aus New Orleans, der seit einigen Jahren hier im Vogelsberger Dorf Heimertshausen lebt. „Schön, dass ich jetzt einmal mitten in der Tournee ein Heimspiel habe!“ Zu verdanken habe er dies „Chris Kramer“ – Christoph Kramer, ehemaliger Schulleiter der Gerhardt-Hauptmann-Schule Alsfeld und engagiert im Arbeitskreis „Alsfeld Musik Art“ – den er vor 30 Jahren bei einem Konzert in Alsfeld kennengelernt habe.  „Aus dieser guten Freundschaft heraus ist dieser Abend entstanden…“

Der stille Star des Abends: Wahl-Heimertshäuser Trevor Richards.

Der stille Star des Abends: Wahl-Heimertshäuser Trevor Richards.

Eine andere Entstehungsgeschichte erzählte Reimer von Essen, der deutsche Klarinettist, der als Zweiter die Bühne betrat, von nun an die Moderation des Abends übernahm und immer wieder ein Stück Jazzgeschichte erzählte, gespickt mit eigenen Anekdoten. „Vor 35 Jahren saßen Trevor und ich zusammen, hörten alte Platten und beschlossen kurzerhand die großen Jazzmusiker nach Deutschland zu holen!“ – mit „The International Trio“ ist ihnen dies geglückt.

„The International Trio” wurde 1981 als „The Art Hodes International Trio“ gegründet und war bis 1991 mit einem der bedeutendsten Jazz-Pianisten überhaupt, Art Hodes, in Konzerten und auf Schallplatten zu hören. Art Hodes starb 1993 im Alter von 86 Jahren. Seitdem nahmen andere Pianisten von Weltrang seinen Platz ein, vor allem zehn Jahre lang Ralph Sutton. Nach acht Jahren mit Sidney Bechets ehemaligem Pianisten Christian Azzi und sechs Jahren mit dem New Orleans Piano-Star David Boeddinghaus zieht nun mit Paul Asaro ein weiterer Weltklasse-Pianist aus Chicago in das Trio ein – in Alsfeld war er das erste Mal zu erleben.

Paul Asaro aus Chicago beeindruckte sowohl als Pianist, als auch als Sänger. Fotos: Kierblewski

Paul Asaro aus Chicago beeindruckte sowohl als Pianist, als auch als Sänger. Fotos: Kierblewski

Als einen „Leuchtturm“ der Jazz-Musik stellte von Essen den Chicagoer vor, als er ihn auf die Bühne bat. Zunächst spielte die aktuelle Besetzung des Trios ein Stück alleine, bevor „Special Guest“ Olivier Franc ins Scheinwerferlicht trat. Mit sichtbarer Spielfreude, ausdrucksstarker Mimik und enormer Bühnenpräsenz zog der Vollblutmusiker die Blicke der Zuschauer auf sich. Zu Recht: Olivier Franc – Sohn des Altmeisters und Bechet-Schülers René Franc – ist ein mittlerweile weltberühmter Solist im Bechet-Stil, Träger des „Prix Sidney Bechet“ und nun schon lange mit dem International Trio verbunden, wovon fünf gemeinsame CDs zeugen. Als bislang einziger Europäer wurde er im Lincoln Center in New York als Solist verpflichtet. In Frankreich gewinnt er allmählich den Status einer Legende.

Ihr erstes Stück zu viert war an diesem Abend der Jazz-Klassiker „Dinah“, gefolgt vom dem Straßensong „Four or Five Times“, der von „Dingen im Leben handelt, die man nicht nur einmal machen möchte“ – so Reimer von Essen, der als profilierter Kenner der New-Orleans-Tradition immer wieder sein Wissen mit in die Anmoderationen einflocht. Mit „Willie the Weeper“ spielte das Jazz-Quartett eine Version von Louis Armstrong, mit welcher er 1927 berühmt wurde. Beeindruckend – immer wieder – wie von Essens Klarinette und Francs Sopransaxophon einander umrankten. Mal improvisierten sie mehrstimmig, mal Unisono zum rhythmischen Bass des Drummers Trevor Richards, der sensibel und mit unheimlichem Gefühl für „time“ sowie Präzision trommelte. Selten brach Letzterer aus seiner routinierten Trommel-Figur heraus, seine wenigen Soli des Abends waren der Bewunderung aber wert.

Bandleader, Moderator und herausragender Klarinettist: Reimer von Essen.

Bandleader, Moderator und herausragender Klarinettist: Reimer von Essen.

Auch der junge Paul Asoro, der inzwischen zu den versierten Vertretern des anspruchsvollen Stride-Piano- und Ragtime-Stils aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gehört, war beeindruckend. Mit einem feinen Gespür mischte er die Tradition des Zweihand-Spiels mit den komplizierten Bassläufen der linken und den synkopierten Figuren der rechten Hand in den Höhen zu einem persönlichen Stil. Gerade im dem Stück „Charleston Rag“  des berühmten Jazz-Komponisten James Hubert „Eubie“ Blake begeisterte er mit wechselnden Tempi und sperrigen Akkordfolgen, die sicher präsentiert für die Virtuosität des Künstlers sprachen. Mit seiner Version des „Liebesliedes eines Gepäckträgers“ sorgte Asoro mit leicht gepresster Kopfstimme auch als Sänger für Abwechslung im rund zweistündigen Programm.

Reimer von Essen – zentrale Persönlichkeit des traditionellen Jazz in Deutschland, Bandleader der Barrelhouse Jazzband und mit dieser auch schon mehrfach in Alsfeld gewesen – zog sich an dem Abend immer wieder bescheiden zurück aus dem Scheinwerferlicht. Der authentische Bewahrer der Stilistik Sidney Bechets brachte dennoch immer wieder auf den Punkt, seine Klarinette zum Singen, Jauchzen, Jubeln aber auch Weinen. Der hinreißende Nuancenreichtum seines Spiels begeisterte – genauso wie das seines Kollegen Franc am Saxophon, der mit seiner Komposition „Mathilde“ – gewidmet seiner gleichnamigen Nichte – gefühlvoll aufspielte.

Begeistert: 240 Zuschauer in vollbesetzter Aula der Albert-Schweitzer-Schule Alsfeld.

Begeistert: 240 Zuschauer in vollbesetzter Aula der Albert-Schweitzer-Schule Alsfeld.

Zum Schluss des Abends hatte das Jazz-Quartett sich in die Herzen der Zuhörer gespielt, die eine Zugabe forderten und diese fetzig präsentiert bekamen. Im August schon kann es ein Wiedersehen geben – zumindest mit dem Schlagzeuger Trevor Richards, der in seiner Wahlheimat Heimertshausen wie in den vergangenen Jahren zum Jazzabend in „Stamms Scheune“ einlädt.

von Anja Kierblewski

Gekonnt umrankten Reimer von Essens Klarinette und Olivier Francs Sopransaxophon einander.

Gekonnt umrankten Reimer von Essens Klarinette und Olivier Francs Sopransaxophon einander.

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