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Erster digitaler Klimatalk zu Verkehr, Mobilität und ÖPNVKlimaliste Vogelsberg: „Wir stehen für eine Verkehrswende ein“

VOGELSBERG (ls). Es war die erste von gleich mehreren geplanten digitalen Wahlveranstaltungen, die die Klimaliste Vogelsberg als neu gegründete Wählergemeinschaft für die Wahl zum neuen Kreistag geplant hat. Jede Woche soll dabei ein Thema des Wahlprogramms vorgestellt und diskutiert werden. Zum Start standen der Verkehr, die Mobilität und der ÖPNV zur Debatte – und sorgten im Chatroom für viele Ideen und rege Diskussionen.

25 Teilnehmer waren es, die sich am Donnerstagabend vor den heimischen Bildschirmen versammelt hatten, um die Ziele der Klimaliste Vogelsberg zu verfolgen. Erst im Dezember hat sich die Wählergemeinschaft gegründet und steht nun mit acht Kandidaten zur Wahl für den neuen Vogelsberger Kreistag. Sie will sich für den Klimaschutz im Vogelsberg einsetzen und damit eine lebenswerte Zukunft gestalten – wie genau das aus der Sicht der Klimaliste kommunal funktionieren soll, soll wöchentlich in sogenannten Klimatalks vorgestellt werden.

Wie es überhaupt zur Gründung kam, stellte Moderatorin und Kandidatin Nicola Fricke gleich zu Beginn der virtuellen Runde vor: „Wie Sie sicherlich wissen, haben wir hier den Bau der A49 mitten durch den Dannenröder Forst. Im Zuge dieses Bauvorhabens hat es großen Protest gegeben, denn das Bauvorhaben ist veraltet und nicht mehr akzeptabel.“ Deshalb habe man sich im Dezember locker zusammengefunden und die Klimaliste gegründet – bewusst in unmittelbarer Nähe zum Dannenröder Wald.

Die Klimaliste Vogelsberg will in den Kreistag einziehen

Die Kommunalpolitik sei für viele Mitglieder dieser noch jungen Vereinigung ein neues Gebiet, erklärte Fricke und führte aus, dass deshalb noch nicht alles perfekt laufen würde, dass das Ansinnen allerdings richtig sei. Man bewege sich dennoch auf unbekanntem Terrain. Mit acht Kernthemen wolle man sich künftig beschäftigen, von der Umsetzung des bereits erstellten Klimaschutzkonzepts, Mobilität, nachhaltige Energien bis hin zur Grundwasserproblematik, der Landwirtschaft, Bildung, Soziales und Gesundheit.

Im Allgemeinen stehe die Klimaliste dafür ein, dass das Klimaziel von 1,5 Grad erreicht werde, weshalb besonders der Ausstoß von Treibhausgasen im Vogelsberg reduziert werden soll. Eine Möglichkeit sei dabei die Senkung des privaten Autoverkehrs, erklärte Günter Burck, der als Kandidat auf Platz 4 der Liste steht. Im Vogelsberg habe man eine große Dichte an Privatverkehr, deshalb müssten andere Angebote attraktiver werden, sodass die Menschen hier freiwillig auf die privaten Autos verzichten.

Diskussionen über die Taktung von Bus und Bahn

Ein großes Ziel dabei sei die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs – sowohl in der Angebotsvielfalt, als auch in der Taktung des Busse und Bahnen. „Wir haben hier Gemeinden, die überhaupt nicht angefahren werden. Das muss verbessert werden“, erklärte Burck. Deshalb stehe auch die Anbindung der Dörfer an Orte mit Bahnhöfen auf dem Plan. Welche Taktung des ÖPNV kann allerdings dazu führen, dass die Leute auf das Auto verzichten? „Das ist schwierig für uns zu beantworten. Ich stelle mir vor, dass wir eine Taktung haben, die höchstens 30 Minuten auseinander liegt“, erklärte Burck darauf. In bestimmten Gegenden und Zeiten könne das enger sein, in manchen Einzugsgebieten weniger eng. „Wenn man eine Stunde warten muss, dann ist das sehr unattraktiv“, sagte er.

Teilnehmer Philipp Balles erklärte, dass eine gute Taktung seiner Meinung nach bedarfsorientiert sein müsse. „Wenn ein Mensch arbeitstätig oder Schüler ist, muss er morgens zwischen 6.30 Uhr und 8.30 Uhr an der Arbeit oder Schule sein“, sagte Balles.  Deshalb benötige es zu den Stoßzeiten morgens, mittags und nachmittags eine engere Taktung, möglicherweise im 20- oder 15-Minutentakt.

Dass das besonders in Hinblick auf die Vogelsbergbahn nicht ganz so einfach ist, erklärte Patrick Alexander, Kandidat auf Platz 2 der Klimaliste. Er selbst arbeitet bei der Deutschen Bahn und erklärte, dass eine engere Taktung durch die Eingleisigkeit der Vogelsbergbahn schwierig sei, weshalb der zweigleisige Ausbau von besonderer Bedeutung für ein attraktiveres Angebot sei. „Von Alsfeld bis Ehringshausen ist der Zug zwischen 15 bis 25 Minuten, wenn man die Sicherheitsvorkehrungen beachtet, unterwegs. Da wird es schwierig, ne engere Taktung hinzubekommen.“

Screenshot aus dem digitalen KlimaTalk der Klimaliste Vogelsberg. Foto: ls

„Die Frage ist eher, ob denn wirklich auch der Bedarf da ist“, warf der Mücker Busunternehmer Mark Philippi als Teilnehmer der Runde in den Raum. Schon seit langer Zeit kämpfe man im Vogelsberg an einem zukunftsfähigen ÖPNV, ändere Taktungen und am Ende würden die Busse nicht genutzt werden. „Ich glaube, dass das Verständnis und die Akzeptanz bisher noch nicht da sind“, erklärte Philippi. Die Klimaliste habe sich hier einem großen Feld angenommen, bei dem man nicht alle glücklich machen könne.

Dennoch hätte es ihn gefreut, wenn die Klimaliste schon vorher das Gespräch gesucht hätte, um bereits getestete Modell oder auch künftige Modelle zu besprechen. Auch eine bessere Anbindung der Dörfer gebe es beispielsweise über das ALT-Taxi, das man zu Bus-Preisen auch außerhalb der normalen Buszeiten rufen könne. „Das wird nicht genutzt und da sagen die Leute, dass es zu anstrengend ist, da vorher anzurufen“, sagte Philippi und wollte gerade auf den Nahverkehrsplan zu sprechen kommen, als die Internetverbindung abbrach.

„Ich gebe Ihnen Recht, dass das Thema Klima früher vielleicht nicht so in dem Maße vertreten war wie jetzt. Deshalb sollte man schauen, dass das, was umsetzbar ist, nun getestet werden muss“, erklärte Fricke daraufhin und argumentierte mit der kurzen Zeitspanne seit der Gründung der Liste. Deshalb sei ein Vorabtreffen mit den Beteiligten noch nicht möglich gewesen, man wolle es allerdings nachholen. Durchaus sei man sich bewusst, dass man keinen optimalen ÖPNV für jeden Menschen schaffen könne, wenn man allerdings bereits einen kleinen Teil erreichen könne, dann sei schon ein guter Schritt getan.

Neben einer bessere Taktung seien auch faire Fahrpreise eine weitere Forderung der Liste – günstigere Tickets oder ein 365-Euro-Ticket, ähnlich dem für Schüler, Studenten oder Auszubildende. Die nämlich können bereits jetzt in ganz Hessen mit diesem Ticket den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Auf Rückfrage aus dem öffentlichen Chatroom, ob auch das Fahren zum Nulltarif denkbar sei, erklärte Burck, dass man mit dem 365-Euro-Ticket schon einmal einen guten Schritt wage, um den ÖPNV attraktiver zu gestalten.

A49 sorge auch auf A5 für erhöhtes Verkehrsaufkommen

Ein weiterer Schritt sei der Ausbau eines sicheren Radwegenetzes, auch über die Gemeindegrenzen hinaus, hinzu befürwortet die Liste Elektromobilität. „Dazu gehört auch, den Weiterbau der A49 zu verhindern, weil wir denken, dass die Autobahn nur Nachteile aus ökologischer Sicht und für den Straßenverkehr bringt“, sagte Burck. Die Folgen seien vor allem ein erhöhten Verkehrsaufkommen auf der A5. Dabei bezog er sich auf prognostizierte Daten der Deges, bei denen von einem Mehrverkehrsaufkommen von drei bis acht Prozent ausgegangen werde.

Eine Prognose von acht Prozent würde eine Mehrbelastung von insgesamt 69.459 Fahrzeugen auf 75.015 Fahrzeuge pro Tag mit sich bringen. Die A5 im Vogelsberg sei allerdings so oder so schon immer wieder ein Knotenpunkt für Staus. „Wenn die A49 angebunden wird, müsste die A5 wahrscheinlich sechsspurig ausgebaut werden, um den Verkehr zu kompensieren. Mit all seinen negativen Folgen“, sagte Burck.

Gleichzeitig sei die Reaktivierung der Ohmtalbahn eines der Ziele. „Zwischen Nieder-Ofleiden und Ober-Ofleiden muss nur noch ein letztes Stück bis nach Gemünden gebaut werden“, sagte Burck. Somit würde eine Verbindung zwischen dem Vogelsberg der Marburger Region und die Verknüpfung zwischen dem östlichen und dem westlichen Kreisgebiet geschaffen, was insgesamt den Vogelsberg mobiler machen würde. „Wichtig ist auch die Ohmtalbahn direkt zweigleisig auszubauen, sodass man eine engere Taktung angehen kann“, erklärte Alexander.

Auch ein Radwegeplan, der die einzelnen Gemeinden verbindet, die Liste setzt aber auch auf Carsharing. Letztendlich sei es wünschenswert, wenn in jeder Gemeinde ein Fahrzeug zur Verfügung stehen würde, das von allen Menschen genutzt werden kann. „Wir stehen für eine Verkehrswende ein, bei der der Individualverkehr reduziert wird“, sagte Burck.

5 Gedanken zu “Klimaliste Vogelsberg: „Wir stehen für eine Verkehrswende ein“

  1. Dass der Ausbau der A49 ein erhöhtes Verkehrsaufkommen auf der A5 mitbringt ist an den Haaren herbeigezogen. Reinste Wahlpropaganda und Fakten Verdrehung!!!! Die A5 und die B3 werden entlastet und diese Entlassung brauchen die Bürger an der A5 und B3.

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    1. Die Zahlen zum zusätzlichen täglichen Verkehr auf der A 5 nach Fertigstellung der A 49 stammen von der Autobahngesellschaft Deges und können auf der deren Webseite nachgelesen werden.

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    2. Von mehr Staus ist aber keine Rede. Wer auf die A5 will fährt zukünftig eben nur an einer anderen Stelle auf. Auf der Differenzstrecke wird natürlich mehr Verkehr sein. Am Maximalwert, der ja neben dem Fahrverhalten entscheidend für Staubildung ist, ändert sich also tatsächlich nichts.

      Wichtig ist, dass sich die Wegstecken verkürzen und damit der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen reduziert wird.

      Interessant aber, dass ausgerechnet ein Klimaschutzverein davor warnt, dass wir in Zukunft nicht mehr freie Fahrt auf unserer Hausrennstrecke haben könnten.

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  2. Ich hätte gerne realistische Überlegungen, nicht solche Phantasien wie der zweispurige Wiederbau der Bahn von Ofleiden nach Gemünden oder ein 30-Minutentakt für den ÖPNV in den Dörfern. Und ob ein Anruftaxi fährt oder der private PKW ist dem Klima auch egal. Und eine Frage, warum steht eigentlich die AktivistIn Schlemmer nicht auf der Klima Liste sondern auf der Grünenliste? Schon mal nachgedacht?

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