Politik4

Überraschende Ankündigung aus der Burgenstadt - Anwohner atmen aufRimbach: Schlitz lässt Pläne für Gewerbegebiet fallen

SCHLITZ/RIMBACH. Paukenschlag im Schlitzerland: Wie die Stadt Schlitz heute überraschend mitteilte, wird ein geplantes Gewerbegebiet bei Rimbach nun doch nicht gebaut. Das Projekt hätte zu einem nächtlichen Fluss hunderter LKW durch kleine Dörfer geführt. Die Anwohner bereiteten bis gestern den Widerstand vor – doch das ist nun hinfällig. 

Max Zeidler kann es gar nicht fassen, als er die Nachricht am Telefon übermittelt bekommt. „Nein, wie geil ist das denn? Ich mache Luftsprünge!“, sagt er. Noch bis gestern war der 25-jährige Student aus Unter-Wegfurth damit beschäftigt, eine Bürgerinitiative ins Leben zu rufen. Die Flyer für den Gründungsabend sind schon bestellt – und werden jetzt nicht mehr gebraucht.

Überraschend teilte die Stadt Schlitz am Freitagmittag in einer Pressemitteilung mit, dass das angestrebte Projekt eines Gewerbegebiets am nördlichen Ortsrand von Rimbach nicht mehr verfolgt werde. Ginge es nach dem Bürgermeister Hans-Jürgen Schäfer, hätte dort ein großer deutscher Logistiker einen zentralen Umschlagsplatz errichten sollen. In der Folge wären nachts gut 150 LKW in beide Richtungen durch die kleinen Ortschaften des Schlitzer Untergrundes gefahren. Genau dagegen formierte sich allerdings der Protest der Anwohner.

"Ich mache Luftsprünge": Max Zeidler hatte gerade damit begonnen, den Protest gegen das Industriegebiet zu organisieren. Doch der ist jetzt hinfällig.

„Ich mache Luftsprünge“: Max Zeidler hatte gerade damit begonnen, den Protest gegen das Industriegebiet zu organisieren. Doch der ist jetzt hinfällig.

Dass dort ein Gewerbegebiet hinkommen solle sei nicht generell schlimm, hatte Max Zeidler gestern noch im Gespräch mit Oberhessen-live gesagt. Das Problem seien tatsächlich die LKW und die Belastung, die dadurch für Menschen in der Umgebung entstünde. Egal wie hoch die damit zu erzielenden Gewerbesteuereinnahmen seien, sagte Zeidler, die negativen und die positiven Folgen des Projekts stünden in keinem Verhältnis zueinander.

Ein Abwägen von Vor- und Nachteilen

In seiner Pressemitteilung bedauerte CDU-Bürgermeister Hans-Jürgen Schäfer, dass das Projekt nicht zu Stande komme. Der Rathauschef sei nach intensiven Beratungen mit den Fraktionsspitzen und dem Abwägen der Vor- und Nachteile zu dem Entschluss gekommen, das Vorhaben sein zu lassen.

Auf der einen Seite, so heißt es in der Erklärung, hätten durch die millionenschwere Investition gut 80 neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Außerdem hätte das Projekt „dauerhafte erhebliche Gewerbesteuereinnahmen“ bringen können. Eine Nachfrage von Oberhessen-live nach der genauen Höhe dieser Einnahmen ließ die Stadt unbeantwortet.

Auf der anderen Seite seien gut 300 LKW-Bewegungen von den Menschen zu ertragen. Zudem könnte der viele Verkehr die Häuser, die dicht an der Straße gebaut sind, beschädigen. Und nicht zu vergessen: es könnte ein „anderes von Gebäuden geprägtes Landschaftsbild“ entstehen.

Bissige Worte seitens der Stadt

Mit recht bissigen Worten nimmt die Stadt am Ende ihrer Erklärung Bezug auf den sich formierenden Protest. So heißt es beispielsweise: „Die auf die persönlichen Bequemlichkeiten und Komfortabilität eher egoistisch aus­gerichteten Argumente haben bei der Entscheidungsfindung eine untergeordnete Rolle gespielt.“ Als bittere Erkenntnis bleibe, „dass offensichtlich für die Allgemeinheit sinnvolle Infra­strukturinvestitionen heutzutage nicht mehr durchzusetzen sind“.

„Das klingt eher nach unserem Bürgermeister“, sagt Jürgen Schrödl. Doch seinen Seitenhieb könne dieser gerne haben. „Ich kann kaum glauben, dass es vorbei ist“, sagt der Betriebsschlosser, der in einem Fachwerkhaus mit blauen Balken direkt am Ortseingang von Unter-Wegfurth wohnt. Seine Frau Dagmar und er hatten Protestschilder in der Nähe ihres Hauses angebracht, fürchteten um ihren nächtlichen Schlaf, fühlten sich als „einfache Dorfbewohner“ übergangen. Dass der Kampf jetzt vorbei ist, bevor er überhaupt begonnen hat, können beide kaum fassen. „Das ist echt sicher, soll man das glauben?“ fragt Dagmar Schrödl verblüfft nach, als sie vom Reporter von der Nachricht erfährt.

Sind überglücklich, dass das Gewebegebiet nicht kommt: Jürgen und Dagmar Schrödl aus Unter-Wegfurth neben einem ihrer Protestschilder.

Sind erleichtert, dass das Gewebegebiet nicht kommt: Jürgen und Dagmar Schrödl aus Unter-Wegfurth neben einem ihrer Protestschilder. (Das Bild wurde vor dem Bekanntwerden der Entscheidung aufgenommen).

Auch Max Zeidler sieht dem Bürgermeister seine harschen Worte nach. „Wenn es egoistisch ist, nachts in Ruhe schlafen zu wollen, dann ist es so“, sagt der junge Schlitzerländer – und fügt hinzu: „Unsere Argumente waren keine populistischen Äußerungen, sondern belegbare und handfeste Tatsachen.“ Der aufkommende Protest habe Wirkung gezeigt und bewiesen, dass Bürgerengagement etwas bewirken könne.

Die betreffende Firma reagierte indes anscheinend enttäuscht über die Entscheidung. Die Stadt Schlitz zitiert sie in ihrer Mitteilung mit den Worten: „Wo wir nicht willkommen sind, werden wir auch nicht hingehen.“

Erstellt von der OL-Redaktion

4 Gedanken zu “Rimbach: Schlitz lässt Pläne für Gewerbegebiet fallen

  1. Die Dosis entscheidet !!!

    Ich freue mich für die Bürgern, die Vorort sehr stark betroffen sind und Ihre Angelegenheit selbst in die Hand genommen haben. Wenn man sich bewegt, kann man etwas bewegen. Wer kämpft, der gewinnt.

    Selbstverständlich brauchen wir Gewerbegebiet (Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Ausbildungsplätze). Aber wir müssen nicht so viel Lebensqualität dafür opfern. Die Dosis(Lärm, Abgase und Gefahr für die Menschen, Tiere bzw. Häusern) entscheidet und jetzt haben wir endlich Ruhe.

  2. Hätte man seinen Neubau auch direkt neben der Autobahn hinstellen können ….
    Wenn der Privatmann investiert spielt das wohl keine Rolle.
    Lärm, Gestank und finanzielle Interessen gehen vor ländlicher Idylle und Dorfleben.
    Bin froh, dass die Pläne nicht weiter verfolgt werden!!!

  3. Ich muss dem vorigen Kommentator leider recht geben: Herr Schäfer ist nicht gerade ein Musterbeispiel für Empathie und reagiert leicht eingeschnappt, wenn’s nicht nach seinem Willen verläuft. So engstirnig und egoistisch sind die Argumente der Bürger überhaupt nicht gewesen: Ein nächtliches Verkehrsaufkommen von 300 LKW in den kleinen Dörfern wäre nicht zu verkraften. Ob der Bürgermeister vielleicht mehr Verständnis für die Sorgen haben würde, wenn die LKWs durch Sandlofs – seinen Wohnort – donnern? Natürlich braucht das Schlitzerland und die Stadt Gewerbe und die davon generierten Steuereinnahmen. Aber alles ist eine Abwägungssache und Bürgerbeschimpfung ist hier fehl am Platz, weil die Argumente offensichtlich stichhaltig gegen eine Industrieansiedlung – an diesem Platz – waren.
    Überhaupt fällt auf, wie es dem Stadtoberhaupt oft an Geschick, Diplomatie oder einfachem Verwaltungswissen fehlt. Gleichfalls im Bereich Rimbach wurde vor zwei Jahren nicht der Bürger sondern die Kreisverwaltung als Schuldiger ausgemacht und kritisiert, weil es mit dem Bauantrag eines dort ansässigen Unternehmens nicht voranging. Auch hier gab es beleidigte Reaktionen bis sich herausstellte, dass die Stadt geschlampt und die nötige Bauleitplanung vermasselte und unnötig verschleppt hatte.

    https://www.vogelsbergkreis.de/Ansicht.1066.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=4654&cHash=486d54dd1915881cb74c4e7da831d120

    Fazit: Das Motto für Bürgermeister und die Verwaltung heißt leider zu oft „Die anderen sind schuld und wollen nicht, dass es vorangeht“. Aber in den Spiegel guckt hier wohl keiner.

  4. Typische Reaktion unseres Bürgermeisters, der leider nicht akzeptieren kann, wenn jemand anderer Meinung ist.
    Unsere Kinder werden uns dankbar für diese Entscheidung sein.

Comments are closed.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren