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Fachtag stellt Aufgaben: Arbeitsprogramm für die nächsten JahreKinder psychisch kranker Eltern schützen und stützen

VOGELSBERGKREIS (ol). Die Anzahl psychischer Erkrankungen bei Erwachsenen hat nach Erhebungen verschiedener Institutionen eine hohe Relevanz auch für die Arbeit von Jugendhilfeeinrichtungen und anderen Organisationen rund um Kinder und Familie. Kinder psychisch kranker Eltern wachsen oft in schwierigen Verhältnissen auf. Wie kann man ihnen helfen? Ein Fachtag zum Thema „Kinder psychisch kranker Eltern schützen und stützen“ ging dieser Frage nach.

 

Veranstaltet wurde die Tagung vom Familienservice Frühe Hilfen des Vogelsbergkreises, von der bhvb – Behindertenhilfe Vogelsbergkreis und der Fachstelle Kindertageseinrichtungen des Vogelsbergkreises. Wie groß das Interesse daran ist, zeigte die Resonanz: Mehr als hundert – mehrheitlich weibliche – Mitarbeiter aus den Bereichen Jugendhilfe, Beratungsstellen, Erziehungshilfe, Kitas und Schulen, Frühförderung und aus sozialpsychiatrischen Berufen füllten die Aula der Sparkasse in Lauterbach.
Über die „geballte Fachwelt des Vogelsbergkreises“ freuten sich Anett Wunderlich von den Frühen Hilfen und Michael Volk von der bhvb, die beiden Initiatoren des Fachtages. Anstelle einer Fortbildung im stillen Kämmerlein biete ein solcher Tag die Möglichkeit, das Thema umfänglich und multidisziplinär zu behandeln, so Volk. Für den Landkreis begrüßte Dagmar Scherer Teilnehmerinnen und Referentinnen. Die Leiterin des Jugendamtes verzeichnete eine starke Nachfrage des Angebotes der Frühen Hilfen, die im Vogelsbergkreis im Jahr 2012 implementiert wurden. Im aktuellen Jahr investiere der Kreis 125.000 Euro, führte sie aus. Die Bedarfe nach mehr Information zur Fragestellung des Fachtages zeigten sich in der täglichen Arbeit, so Scherer, insbesondere das Thema der psychisch belasteten Mütter sei von großer Bedeutung. Als Ziel des Fachtages formulierte Scherer den fachlichen Impuls durch die Referentinnen Elisabeth Schmutz und Dr. Sarah Schmenger vom Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz, den thematischen Austausch in Kleingruppen sowie den Blick auf das Vorhandensein und die Umsetzung verschiedener Hilfen im Vogelsberg.

Intensiv, engagiert und fachlich auf hohem Niveau liefen die Austauschrunden ab. Fotos: privat


„Ein Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre“, nannte es Elisabeth Schmutz und so stellten die beiden Diplom-Pädagoginnen den Fachtagsteilnehmerinnen ein durchaus kompaktes Tagesprogramm vor: Jedem der vier Inputvorträgen von Schmutz folgte eine Einheit des intensiven Austauschs der an runden Tischen bunt und zufällig zusammengewürfelten Arbeitsgruppen, moderiert von Dr. Schmenger. Hier ging es auch um den Praxisbezug der fachlichen Inputs, und es wurde sehr deutlich, wie intensiv das Thema die verschiedenen Disziplinen beschäftigt und wo sie in der Versorgung der Erkrankten und ihrer Familien noch Lücken sehen. Auch die Zusammenkunft mit Vertreterinnen der unterschiedlichsten Einrichtungen wurde als äußerst wichtig und fruchtbar empfunden.
„Was wissen wir zur Situation von Kindern psychisch kranker Eltern und geeigneten Unterstützungsansätzen?“ Mit dieser Frage startete der Arbeitstag. Schmutz führte in das Thema ein, indem sie zunächst die Bedeutung einer psychischen Erkrankung eines Elternteils für das Kind darstellte: Krankheitsbedingte Verhaltensweisen machten Kindern Angst. Häufig führten psychische Erkrankungen dazu, dass Kinder im Familienverbund die Rolle von Erwachsenen übernähmen, die sich um das Elternteil kümmerten. Die Auswirkungen der elterlichen Erkrankung auf die Kinder sei von verschiedenen Faktoren abhängig, referierte Schmutz, von großer Bedeutung sei hier unter anderem der Umgang der Familie mit der Erkrankung oder das Angebot alternativer, positiver Erfahrungsmöglichkeiten. Bei allem, was von Helferseite getan werden, müssten Eltern und Kinder stets gemeinsam angeschaut werden, betonte Schmutz.
Den Zusammenhang von „Psychischer Erkrankung und Kindeswohlgefährdung“ stellte Schmutz im zweiten Block dar. Nicht Missbrauch, sondern Vernachlässigung seien im Krankheitsfall eines Elternteils hier das häufigste Element, da es den Betroffenen – abhängig vom Krankheitsverlauf – zumindest zyklisch oft schwerfalle, die Erziehungs- und Versorgungsaufgaben wahrzunehmen. Was braucht das Kind in dieser Situation, war die Frage. Wie kann man eine Kindeswohlgefährdung überhaupt erkennen und welche Stellen helfen sowohl den Eltern als auch den Kindern? Anhand eines realen Falls wurden Chancen und Grenzen der Frühen Hilfen herausgearbeitet, beim Austausch wurde einmal mehr deutlich, dass sich die Helfenden mehr Zusammenarbeit aller Beteiligten sowie gemeinsame Leistungsmöglichkeiten – medizinische und psychiatrische eingeschlossen – wünschen.
Über „Bewährte Ansätze zur Förderung und Unterstützung von Kindern psychisch kranker Eltern“ sprach Schmutz im Anschluss. Hier legte sie besonderes Augenmerk auf Resilienzfaktoren und deren Stärkung sowie auf die wichtige Rolle der Eltern – auch der kranken – für das Kind. Kranke Eltern hätten wie alle anderen auch das Recht auf Erziehungs- und anderen Hilfen, betonte sie. Ganz praktisch stellte sie einen Notfallplan vor, den man gemeinsam mit allen in guten Zeiten der Erkrankung als Plan für Krisenzeiten verfassen solle. Diese Ansätze wurden vom Plenum als äußerst hilfreich empfunden.
Wie man mit Kindern über die Erkrankung ihrer Eltern spricht, stellte Schmutz im vierten Block dar. Sie gab viele Beispiele und verwies auf altersgerechte Bilder- oder Jugendbücher. Wichtig sei es, Schuldgefühle bei den Kindern abzuwenden, so eine Facette dieses Themas, und sie als Gesprächspartner ernst zu nehmen. „Es sind nicht die Informationen, die die Kinder überfordern. Es ist eine Überforderung für sie, wenn sie nicht verstehen, was los ist“, zitierte die Referentin die Pädagogin Susanne Wunderer.
Die Bilanzierung am Ende machte deutlich, wo der Vogelsberg schon sehr gut aufgestellt ist – eine wichtige Übersicht liefert hier beispielsweise das Informationssystem invos.de. Gleichzeitig wurden eine Vertiefung der Netzwerkarbeit und eine Erweiterung der Interdisziplinarität gefordert. Auch eine gemeinsame Sprache aller Beteiligten sei von großer Bedeutung, unterstrich Michael Volk am Ende der Veranstaltung. Eine Fortsetzung der Arbeit zu diesem Thema in dieser Form sei für das nächste Jahr sicher geplant.

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