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Ärztefortbildung: Gehirnerschütterung, Schlaganfall und RaucherbeinUnterschätzte Symptome und moderne Techniken

ALSFELD (kiri). Zweimal jährlich verwandelt sich das Restaurant des Alsfelder Kreiskrankenhauses zum Vortragsraum für Ärzte. Neue Erkenntnisse aus der Forschung, optimierte Operations- und Behandlungsmethoden oder ein spezielles Krankheitsbild werden dann thematisiert.

So auch diese Woche, in der die Chefärzte des Krankenhauses niedergelassene Kollegen eingeladen hatten, um ihr Wissen zu teilen und die Kooperation untereinander zu fördern.

Schlaganfall, leichtes Schädel-Hirn-Traumata, Raucherbein und neue OP-Methoden aus der Allgemein- und Viszeralchirurgie standen dieses Mal auf der Tagesordnung. Zuvor ergriff jedoch der Ärztliche Leiter des Hauses, Chefarzt Dr. Arno Kneip, das Wort und gab zum Jahresende einen kleinen Rückblick.

Um die „Gehirnerschütterung“ ging es beim dem Betrag des Ärztlichen Leiters und Chefarzt der Unfallchirurgie Dr. Arno Kneip.

Um die „Gehirnerschütterung“ ging es beim dem Betrag des Ärztlichen Leiters und Chefarzt der Unfallchirurgie Dr. Arno Kneip. Fotos: Kierblewski

Das Alsfelder Krankenhaus habe dieses Jahr einen „Zertifizierungsmarathon“ hinter sich: Das Traumanetzwerk sei rezertifiziert, die Klinik wurde als schmerzfreies und als Diabetes geeignetes Krankenhaus in der Gesamtheit ausgezeichnet und die Geriatrie und Hernien-Behandlungen seien ebenfalls zertifiziert worden. „Besonders freut mich auch die Auszeichnung der Krankenkassen mit 3 AOK-Bäumchen“, so Kneip, denn diese Auszeichnung bekäme ein Krankenhaus nur, wenn auch langfristig Operationen erfolgreich waren. Außerdem habe sich das Haus in den chirurgischen Abteilungen sowie der Inneren Medizin konsolidiert.

Endovaskulärer Spezialist Ali Esmaaiel wird neuer Oberarzt der Gefäßchirurgie

Mit Ali Esmaaiel ergriff anschließend ein bisher Unbekannter das Wort. Der 42-jährige Mediziner ist Endovaskulärer Spezialist (Anm. d. R.: endovaskulär bedeutet innerhalb der Gefäße) und wird zum 1. Januar 2017 leitender Oberarzt der Alsfelder Gefäßchirurgie. In Syrien geboren, kam er 2004 nach Deutschland und absolvierte hier seine Facharztausbildung als Gefäßchirurg. Die Berliner Charité, führende Krankenhäuser in Gütersloh und Stendal waren seine Stationen, bevor er in den Sana-Kliniken in Hameln als leitender Oberarzt der Gefäßchirurgie begann.

Dr. Ali Esmaaiel bei seinem Vortrag vor den ärztlichen Kollegen. Ab Januar wird er als leitender Oberarzt in der Alsfelder Gefäßchirurgie tätig.

Dr. Ali Esmaaiel bei seinem Vortrag vor den ärztlichen Kollegen. Ab Januar wird er als leitender Oberarzt in der Alsfelder Gefäßchirurgie tätig.

Esmaaiel stellte sich seinen künftigen Kollegen mit seinen Ausführungen zum sogenannten Raucherbein vor. Als zielstrebiger Mediziner kündigte er an, dass er in zehn Jahren gefäßchirurgisch nur noch ohne Skalpell, stattdessen endovaskulär, operieren möchte. Wie das funktioniert, erläuterte er an einigen „mitgebrachten Raucherbeinen“ – teilte diese in verschiedene Stadien ein, erklärte verschiedene Diagnosemöglichkeiten und vor allem diverse Behandlungsmöglichkeiten.

„Die Behandlung erfolgt nicht unbedingt nach dem Stadium der Erkrankung, sondern ganz individuell nach den Bedürfnissen und Risikofaktoren der Patienten“, gibt der erfahrene Chirurg zu bedenken. Denn inzwischen gäbe es – neben der konservativen und damit nicht operativen Therapie – eine Vielzahl von Methoden: Ausschälung, mit und ohne Medikamenten besetzte Stents, Lasertherapie oder Operationen mittels Ballon sowie Bypass-Einsätze

PinPoint, High Resolution Manometry und weitere moderne Techniken

Sein künftiger Chef, Chefarzt Dr. Steffen Lancee, ist zuversichtlich, mit Dr. Esmaaiele einen „guten Fang“ gemacht zu haben, mit dem er gemeinsam die Alsfelder Gefäßchirurgie weiter ausbauen könne. Der Leiter der Allgemein, Viszeral- und Gefäßchirurgie ist inzwischen bekannt dafür, offen für innovative Ideen und neue Behandlungsmethoden zu sein und auch gute Kontakte in die medizinische Forschung und Entwicklung zu haben. So ist es ihm zu verdanken, dass das Alsfelder Krankenhaus alleine seit diesem Jahr zwei neue Gerätschaften angeschafft hat, die neue Behandlungsmethoden ermöglichen: Den PinPoint und die High Resolution Manometry. In seinem Beitrag stellte er beide Behandlungs- beziehungsweise Diagnostikmethoden vor.

Dabei bediente er sich zur Demonstration des PinPoints eines Video-Filmes, direkt aus dem Operationssaal. Der PinPoint ist eine neue Technologie in der Bauchchirurgie, die die minimalinvasive Chirurgie noch sicherer macht. Der PintPoint ermöglicht durch ein fluoreszierendes Kontrastmittel die Sicht auf alle Gefäße, so dass bei Operationen beispielsweise am Darm die Durchblutung kontrolliert und sichergestellt werden kann. Durch den Einsatz dieser Technologie sei die Komplikationsrate von Darmnähten in Alsfeld deutlich gesenkt worden.

Eine weitere Anschaffung in diesem Jahr sei die High Resolution Manometry gewesen. Mittels derer könne man Erkrankungen der Speiseröhre gut untersuchen und diagnostizieren. „Durch das Gerät kann der Schluckvorgang gemessen werden“, erläutert Lancee. Dafür werde ein Katheter durch die Nase bis in den Magen eingeführt. Der Katheter verfüge über viele Messpunkte, die den „Schluckakt“ verfolgen und Probleme aufdecken könnten. „Wir sind eine der wenigen Kliniken in Deutschland, die die Speiseröhre dadurch auch in 3D darstellen können.“

Alsfelder Klinik vorbereitet: Beim Schlaganfall zählt jede Minute

„Time ist Brain“ – unter dieses Motto stellte Dr. Peter Hien, Chefarzt der Inneren Medizin und Geriatrie, seinen diesmaligen Betrag. Er besprach die transitorische ischämische Attacke, kurz TIA, die ein ganz kleiner, vorübergehender Schlaganfall und bereits ein Vorbote eines schweren Anfalls ist. Seh-, Hör-, Sprach- und Gleichgewichtsstörungen seinen oftmals die Symptome, genauso wie kurzzeitige Lähmungen von Arm und Bein. Hien ermutigte die ärztlichen Kollegen, bei einer solchen Symptomatik sehr schnell aktiv zu werden. „Fünf Minuten entscheiden darüber, ob der Patient einen bleibenden Schaden behält oder nicht“, so der Internist. Daher dürfte keine Zeit vergehen, es müsse rasch reagiert und die Ursachen abgeklärt werden. Bei Verdacht auf Schlaganfall müsse sofort der Rettungsdienst alarmiert werden.

Derzeit sind es in Hessen noch lange Transportwege zu den zentralen Stroke Units. Dies soll künftig modernisierte werden. „In anderen Ländern wird bereits dezentralisiert, sehr kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten, mit teleneurologischen Anbindungen von kleineren Häusern zu großen Zentren“, so Hien. Das Alsfelder Krankenhaus sei darauf vorbereitet und könne – sobald die Möglichkeiten geschaffen seien – entsprechend agieren.

Dr. Peter Hien, Chefarzt der Inneren Medizin und Geriatrie am Alsfelder Krankenhaus, referierte über neue Erkenntnisse in der Schlaganfallbehandlung.

Dr. Peter Hien, Chefarzt der Inneren Medizin und Geriatrie am Alsfelder Krankenhaus, referierte über neue Erkenntnisse in der Schlaganfallbehandlung.

Oftmals unterschätzt: Folgen von leichten Gehirnerschütterungen

Der letzte Beitrag der von der Landesärztekammer anerkannten Weiterbildung kam von Dr. Arno Kneip. Der Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie widmete sich einem „einfachen Thema“, das allerdings viel komplexer und folgeschwerer sei, als oftmals angenommen: Leichtes Schädel-Hirn-Traumen, sprich im Volksmund „Gehirnerschütterungen“. „Die Gehirnerschütterung und deren Folgen wird oftmals unterschätzt.“ Langfriste Schäden, Spätfolgeerkrankungen wie Depressionen, Angst oder Demenz sowie der plötzliche Tod seien die Folge.

Kneip erläuterte seinen Kollegen, was genau bei einem Schädel-Hirn-Trauma – beispielhaft vorgeführt mit einem Film über Skateboarder – passiert. „Mit dem Ende des Sturzes fangen die Gehirnzellen wieder an sich zu erholen – aber geben Sie dem Patienten Zeit.“ Auch wenn die Krankenkasse bei einer Gehirnerschütterung nur „24 Stunden zahlen“, sei es enorm wichtig, den betroffenen eine Woche ruhig zu stellen: Abgedunkelter Raum, wenig Essen, keine Reize wie Handy, Fernseher, Musik oder lange Unterhaltungen. „Nur dann bauen sich die zerstörten „Brücken“ im Gehirn wieder auf.“

Woran man genau eine Gehirnerschütterung erkennt, erläuterte der Mediziner ebenfalls, verteilte am Schluss seiner Ausführungen habe auch noch sogenannte Taschenkarten mit der Bitte, diese beispielsweise an Spieler und Trainer von Sportmannschaften zu verteilen, damit auch diese ihren Mitspielern genügend Aufmerksamkeit und Ruhe gewähren. Denn – so stellten die Ärzte gemeinsam fest – im Prinzip ist jeder Kopfball beim Fußball, jeder Kinnhaken beim Boxen oder jeder Fallwurf beim Handball schon eine „Gehirnerschütterung“.

Die nächste ärztliche Fortbildung im Kreiskrankenhaus Alsfeld findet kommenden Aschermittwoch statt.

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