Politik0

Unterwegs für das Einkaufszentrum: Hombergs Bürgermeister versucht zu überzeugenAlleine gegen viel kritisches Publikum

NIEDER-OFLEIDEN (aep). Elf Termine in wenig mehr als zwei Wochen, Stellwände voller Pläne und Statistiken, sogar ein Modell steht bereit: Dieser Mann ist in einer Mission unterwegs. So tourt Hombergs Bürgermeister Béla Dören derzeit durch die DGHs der Stadt, um das von ihm seit Jahren betriebene Projekt „Einkaufszentrum Marburger Straße“ vor dem Bürger-Entscheid zu retten. Am Sonntag sollen die Homberger wählen – und sowohl die kritische Bürgerinitiative als auch der ranghöchste Befürworter versuchen zu überzeugen. In Ober-Ofleiden hatte Dören es am Dienstagabend nicht einfach.

So lang die Geschichte dieser Idee bereits ist, so lang ist auch der Vortrag, den Bürgermeister Dören an diesen Abenden hält – und manchmal über das geringe Maß man Interesse staunt, das sich in den Sälen verirrt. In der Stadthalle waren mehr, aber auf den Dörfern waren es manchmal ganze drei Zuhörer, die sich für seine Version des Projekts interessierten – und auch in Ober-Ofleiden, mit fast 1000 Einwohnern immerhin zweitgrößter Stadtteil Hombergs und durch das Einkaufszentrum Ohmstraße direkt betroffen, kamen vielleicht zwanzig Interessierte zusammen. Unter ihnen einige vorbereitete Kritiker, stellte sich schnell heraus.

So hatte Dören seinen Vortrag kaum begonnen, als ihm ein Zuhörer ins Wort fiel: Was er denn gemacht hätte, um Aldi zu halten, platzte der Mann raus. Als Dören fortfuhr und die Vorgeschichte des Einkaufszentrums zu erläutern versuchte, fiel ihm der Mann nach wenigen Minuten erneut ins Wort: Was er getan habe, wolle er wissen, um Aldi zu halten – ganz genau! Der Bürgermeister ringt mit der Fassung: Genau das, zischt er zurück, wolle er gerade erklären. Nämlich, dass Veränderungspläne von Aldi mit ein Anlass gewesen seien, für die leerstehende Fläche der ehemaligen Schule ein Einkaufszentrum zu entwickeln – so wie es seinerzeit übrigens mehrfach von den lokalen Zeitungen berichtet wurde.

„Wir haben nur die Fläche in der Friedrichsstraße“

Nachdem andere Ideen auch mit dem Architekten Herbod Gans gescheitert seien, andere Einzelhändler direkt in die Frankfurter Straße zu locken, sollte die Fläche unterhalb davon einen Menschen-Magneten bekommen. „Wir haben nur die Fläche in der Friedrichsstraße, auf dem wir die Innenstadt beleben können“, meinte Dören und betonte: Zukunftsstudien für die Raumordnung auch über den Vogelsbergkreis hätten ergeben, dass in der aktuellen Entwicklung nur Kommunen überlebensfähig sein würden, die einen belebten Kern herausbilden können. Andere würden zu unstrukturierten Wohnflächen, in denen bekannte Infrastruktur – Schulen, Apotheken, Ärzte – nicht mehr zu finden seien.

Die Aldi-Planer, denen es in der Ohmstraße zu eng geworden waren, wollten seinerzeit den Drogeristen Rossmann mitnehmen, wurde in Planvorstellungen deutlich – das Ganze vor vier Jahren ungefähr im Gleichtakt mit Plänen, auch das Bahnhofsgelände mit einer Mischung aus Wohnen und Einzelhandel zu beleben. An einem Abend gaben sich seinerzeit die Architekten im Brauhausmuseum förmlich die Klinke in die Hand, um ihre Pläne vorzustellen.

OL-DoerenEinkaufszentrumMarburger-0610

Der aktuelle Plan für das Einkaufszentrum. Oben: die Marburger Straße.

Indes: Die Vorstellungen der Investoren und jene der Stadt drifteten auseinander. Ziel sei stets gewesen, so stellte Béla Dören auch bei seiner achten Informationsveranstaltung fest, Märkte und altersgerechte Wohnungen so dicht wie möglich an die Innenstadt heran zu bringen, um der siechenden Frankfurter Straße neues Leben ein zu hauchen und der Bevölkerung der Kernstadt eine nahe Möglichkeit für Einkäufe und Treffpunkte zu bieten. Denn immerhin, so stellte Dören fest, lebten ein Drittel der über 65-jährigen Kernstadt-Bewohner in und an der Innenstadt.

Es vergingen aber noch Jahre, bis mit der Schoof Immobilien GmbH ein realer Investor gefunden war, derweil aus anfangs einstimmigen Beschlüssen solche mit teils knappen Mehrheiten im Parlament wurden. Auch aus der unmittelbaren Nachbarschaft kam nun Widerstand, und nach dem Beschluss, das Gelände tatsächlich dem Investor Schoof für ein Einkaufszentrum zu überlassen, entstand daraus das Bürgerbegehren, das mit über 2000 Unterschriften zu dem Bürger-Entscheid am Sonntag führte.

—————————————————————–

Auf einer Website der Stadt können Interessierte am Sonntagabend den Fortgang des Bürgerentscheids verfolgen, teilt die Stadtverwaltung mit: www.homberg.info/wahlen/be15/index.html.

—————————————————————–

Der Rathauschef erntete Skepsis unter den Ober-Ofleidenern. Mit dem neuen Einkaufszentrum werde vor allem der Lidl-Markt von der Ohmstraße weg gelockt. „Wie wollen Sie uns das denn verkaufen“, fragte eine Teilnehmerin des Abends. Es könne sein, das Lidl den derzeitigen Platz ohnehin verlassen wolle, entgegnete Dören, und weder er noch die Stadt Homberg habe wirklichen Einfluss auf die Planungen des Konzerns. Tatsächlich habe es Gespräche mit der regionalen Lidl-Spitze gegeben, weil die den Laden vergrößern wollte, doch derzeit sei es bei Lidl sehr ruhig. „Die warten den Entscheid ab!“

Ohmstraße als Hindernis für Entwicklung

Tatsächlich sei es auch so, dass die Planung des Einkaufszentrums an der Ohmstraße zu einem Hindernis für Hombergs Entwicklung geworden sei, erklärte Dören. Zu viel sei dort ohne Absprache mit dem Regierungspräsidium geplant worden und werde dort angeboten, während die Innenstadt-Geschäftsstraßen darunter litten. Die Ohmstraße genieße wegen seiner Außenlage keinen Schutz durch überörtliche Planung, stellte auch gerade das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Aldi–Anbau in Mardorf fest, und die Homberger Innenstadt habe nichts, was sich zu schützen lohne. Das Einkaufszentrum sei noch nicht genügend fortgeschritten, um schützende Wirkung für die Innenstadt zu haben.

OL-EinkaufszentrumAldi-0610

Zwei Märkte und Wohnungen auf dem einen: So war das Einkaufszentrum mal mit dem Aldi-Markt geplant gewesen.

Ob denn für die Belebung der Innenstadt überhaupt ein Einkaufszentrum genüge, wollte eine Besucherin wissen. „Oder müssen wir da noch was machen?“ Eine Frage, die dem erfahrenen Stadtplaner Béla Dören ein Lächeln ins Gesicht zaubert: sein Lieblingsthema, über das er lange dozieren könnte, aber er fasst zusammen: Einzelhändler, Gastronomie und Stadt müssten zusammen arbeiten, um die Innenstadt neu zu beleben. „Man muss zusammenhalten, Geld sammeln und dann Initiative entwickeln.“ Derzeit sei der Gewerbeverein so gut wie tot.

Was so schön klingt, habe doch einen Fehler, klang aber in mehreren kritischen Stimmen an: Wie denn der Investor dazu gebracht werden könne, tatsächlich für relativ viel Geld Wohnungen mit zu bauen, wenn er für viel weniger Geldeinsatz mehr Rendite erwarten könne. Die vereinbarte Konventionalstrafe sei viel zu gering, um Abweichungen von den Verträgen zu sanktionieren. Stimmt, räumt Dören ein. Aber die diesem Fall gehe es um einen Investor, der über mehr als wenige Jahre plane und bauen wolle – und dabei sei diese Art Planung das solideste – mit solchen Plänen habe er schließlich reichlich Erfahrungen sammeln können. Auch, dass ein Einkaufszentrum „Frequenz“ in die Innenstadt bringt: das könne er nicht garantieren, aber dazu gebe es Erfahrungswerte in anderen Städten – eine Frage, über das das Publikum in Ober-Ofleiden selbst in Glaubensfragen streiten konnte.

Einer saß indes im Publikum, der ebenfalls Erfahrung mitbringt: Architekt Herbod Gans. Vor Jahren noch entwickelten Dören und er gemeinsam ein Wohn- und Geschäftshaus mit Platz für eine Drogerie in der Frankfurter Straße und Parkflächen eine Etage tiefer. Dass die Pläne nichts wurden, entzweite die beiden, und nun wirft der Architekt dem Rathauschef „schwere Fehler“ vor, die gemacht worden seien. Mit seinem Projekt, so grollte Herbod Gans auch wieder am Abend in Ober-Ofleiden, wären neue Geschäfte in die Frankfurter Straße gezogen. „Sie haben Ihre Meinung“, fasste Dören zusammen, „und ich meine.“ Aber darüber wolle er nicht noch einen Abend diskutieren. Und weil keine weiteren Fragen kamen, schloss der Bürgermeister die Versammlung.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren