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Bücherei, Kinderhort, DGHs, Freizeitzentrum:Irgendwo muss der Rotstift jetzt ansetzen

LAUTERBACH (aep). Die Vogelsberger Kreisstadt ist weder alleine verschuldet, noch am tiefsten unter allen Städten, aber steht jetzt vor einer schweren Entscheidung: Woher die 1,5 Millionen Euro nehmen, die Lauterbach im Haushalt braucht, um für das defizitäre Werk eine Genehmigung zu bekommen? Es scheinen alle Mittel ausgeschöpft – Schutzschirm inklusive. Wenn am Mittwoch die Stadtverordneten darüber beschließen: Müssen jetzt städtische Einrichtungen geschlossen werden?

Wer Lauterbachs Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller (CDU) nach Sparbemühungen fragt, der hört zu allererst, dass die Verwaltung doch bereits gespart habe. Nicht mehr 165 Stellen bezahlt die Stadt wie noch 1996, sondern nur noch 122. Die Liste ist jedoch weitaus länger, wie auch auf der Website veröffentlicht ist, die die Stadt eigens dem großen Thema Finanzmisere widmete. Zusammengefasst ergeben die Posten den Eindruck, dass die öffentliche Hand sich in Lauterbach im Laufe der Jahre bereits aus vielen kostenträchtigen Bereichen herausgezogen hat – auch aus der Vereinsförderung und sogar ein Stück weit aus der Feuerwehr.

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In einem Interview erklärt Bürgermeister Vollmöller seine Sicht des Problems.

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Soll es die Bücherei bringen? Die kostet jährlich bis 200.000 Euro.

Und dennoch: Das Defizit hielt sich stetig, wuchs sogar weiter an – erreichte 2011 die schwindelerregende Höhe von vier Millionen Euro im Ergebnishaushalt, der, grob gesagt, Erträge und Aufwendungen gegenüber stellt. Im investiven Finanzmittelhaushalt fehlten in jenem Jahr 3,6 Millionen. 2012 schlüpfte die Stadt unter den Schutzschirm des Landes, erhielt über 14 Millionen Euro Zuschuss – muss jetzt aber Kriterien einhalten, die schärfer ausfallen als einst. Eine Auflage: Das Defizit darf nicht höher als eine halbe Million Euro ausfallen. Zwei Millionen sind es aber. „Da ist ein Einbruch bei der Gewerbesteuer drin“, sagt der Rathaus-Chef.  Deshalb verweigerte das zuständige Regierungspräsidium Gießen dem Etat 2014 die Genehmigung. Am Mittwoch sollen die Fraktionen Vorschläge bringen, wo das „Mehr-Defizit“ eingespart werden kann (18 Uhr, Sitzungssaal, Rathaus). Im Raum steht die Frage, die an die sich kaum jemand traut: Welches Stück Infrastruktur/Annehmlichkeit/Bürgerservice wird abgeschafft.

Es wurde im Laufe seiner langen Amtszeit auch viel geschaffen, und es gab teure, aber notwendige Investitionen, stellt der Bürgermeister rückblickend fest. Seit 1996, seit seinem Amtsantritt, flossen 33 Millionen Euro in den Straßenbau, 20 Millionen in die Strom- und Wasserversorgung. Satte 51 Millionen Millionen, so betont der Verwaltungschef gegenüber Oberhessen-live, gingen aber auch in  die freie Wohlfahrtspflege für Kinder-, Jugend- und Senioren-Betreuung. „Wollen wir das abschaffen?“

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Kosten, Kosten, Kosten… Ohne das Freizeitzentrum wäre der Haushalt eigentlich fit.

Kinder- und Jugendbetreuung: Da gibt es längst verpflichtende gesetzliche Regelungen, die Kommunen finanziell belasten.Das ist allgemein unbestritten. Vollmöller ist nicht der erste Bürgermeister mit der Feststellung: „Da werden Gesetze beschlossen ohne zu fragen: Woher kommt denn das Geld dafür?“ Unter anderem die Verpflichtung zur Kinderbetreuung fraß aber auf, was die Stadt an anderer Stelle einsparte. Zwei Millionen Euro kostet dieser Bereich den Stadtsäckel heute – auch weil die eigentlich angestrebte Drittelung bei der Kostenaufteilung – Stadt/Land/Eltern – noch nie funktionierte. Die Eltern übernehmen heute 20 bis 22 Prozent Kosten, meint der Bürgermeister.

Die Stadt Lauterbach leistet sich zugleich einige Einrichtungen, wie sie als „freiwillige Leistungen“ andernorts sofort ins Visier der Streicher und Kürzer geraten sind: Zum Beispiel 3,2 Millionen kostete der „Alte Esel“ mit Bücherei, Volkshochschule und Musikschule. 5,2 Millionen das Bildungszentrum Elektrotechnik, mit dem Lauterbach zwar bundesweit in der Landkarte der Bildungsstandorte auftaucht, aber auch nur wenig konkret profitiert.

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Keine Pflichtaufgabe: der teure Kinderhort an der Eichbergschule.

Solche Einrichtungen haben Folgekosten: 180.000 bis 200.000 Euro kostet alleine die Bücherei. Der städtische Kinderhort – der nicht zu den Pflichtaufgaben zählt – schlägt mit 230.000 Euro zu Buche. „Die Frage ist“, so der Bürgermeister, „kann ich so etwas kostendeckend betreiben?“ Dann die Dorfgemeinschaftshäuser, sieben Stück gibt es in Lauterbach, die in diesem Jahr mit 180.000 Euro zu Buche schlagen. Als in Alsfeld die Schuldenlast „Oberkante-Unterlippe“ stand, schlug vor sechs Jahren ein externer Berater vor, fast alle Dorfgemeinschaftshäuser entweder an Vereine abzugeben – oder einfach zu schließen. In Alsfeld gab es auch den Rat, den Feuerschutz auf das gesetzlich Geforderte zu minimieren, was die Schließung kleinerer Feuerwehr-Standorte und -vereine bedeutet hätte. In Lauterbach gab es bereits eine Reduzierung – und dennoch kostet der Betrieb des Brandschutzes jährlich 420.000 Euro. Und es stehen Investitionen an.

Ganz zu schweigen vom Freizeitzentrum. Der städtische Zuschuss beträgt 625.000 Euro – mitsamt Defizitausgleich ergibt sich daraus eine Belastung von „einer Million plus X“, wie  Vollmöller formuliert. Platt gerechnet: Ohne Freizeitzentrum, ohne Bücherei, ohne Dorfgemeinschaftshäuser wäre Lauterbach das hinderliche Defizit los. Was tun? Die Liste der auf der Lauterbacher Website angehäuften Vorschläge aus der Bevölkerung zur Haushaltssanierung ist lang – jetzt sind aber die Stadtveordneten dran.

Und dann muss auch noch über ein eigentlich lange anstehendes Projekt diskutiert werden: die Sanierung des Rathauses. 1965, so erklärt der Bürgermeister, sei daran zuletzt ernsthaft gebaut worden, und das merkt man auch. Vier Millionen soll die Sanierung mehrerer Verwaltungsgebäude über mehrere Jahre kosten – eigentlich. Vollmöller macht sich keine Illusionen: „Das werden wir schieben müssen“. Vielleicht beginne man erst einmal mit dem Hauptgebäude.

 

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